
Gesundes Wohnen – wie unser Zuhause unser Wohlbefinden prägt
Unser Zuhause ist weit mehr als nur vier Wände und ein Dach über dem Kopf. Es beeinflusst unser Wohlbefinden, unsere Stimmung und sogar unsere Gesundheit. Die Architektin und Expertin für Wohn- und Architekturpsychologie Elke Reitmayer erforscht diese faszinierende Wechselwirkung zwischen Mensch und Raum. Im Interview teilt sie ihre Erkenntnisse über gesundes Wohnen und verrät, wie wir unseren Wohnraum optimal gestalten können, um unser physisches und psychisches Wohlbefinden zu fördern.
Räume zum Leben – wie unsere Umgebung uns prägt
Als Co-Founder von raumDNA und Dozentin an der Berner Fachhochschule untersucht Elke Reitmayer den Einfluss des Wohnens auf Menschen. Ihre Expertise zeigt, dass durchdachte Raumgestaltung nicht nur ästhetisch ansprechend sein kann, sondern auch einen wesentlichen Beitrag zu unserer Lebensqualität leistet. Von der Bedeutung des Tageslichts bis hin zur Wichtigkeit persönlicher Rückzugsorte – Reitmayer bietet wertvolle Einblicke und praktische Tipps für ein „gesundes Wohnen“
Sie erforschen, wie Räume Menschen beeinflussen. Was macht Wohnen mit uns?
Unser Zuhause ist mehr als nur ein physischer Ort. Es beeinflusst unser Wohlbefinden, unser Verhalten, unsere Stimmung und unsere Produktivität. Es besteht eine Wechselwirkung zwischen dem Menschen und dem gebauten Raum, in dem er sich aufhält. Die Sinnesreize, die wir in unserer Wohnumgebung wahrnehmen, beeinflussen unser gesamtes Nervensystem und unser Gehirn. Diese Reize können visueller, akustischer oder aber auch psychosozialer Natur sein, z. B. mangelnde Privatsphäre. Ein behagliches Zuhause kann als Rückzugsort dienen, Stress abbauen und uns Kraft für den Alltag geben. Andererseits kann eine unpassende Wohnsituation zu Unzufriedenheit und sogar zu gesundheitlichen Problemen führen. Aus der Architekturpsychologie wissen wir, dass Faktoren wie Licht, Raumaufteilung und Farbgestaltung einen erheblichen Einfluss auf unser psychisches und physisches Wohlbefinden haben.
Man spricht immer öfter von «gesundem Wohnen» – was verstehen Sie darunter und wie kann es gelingen?
Gesundes Wohnen bedeutet, eine Umgebung zu schaffen, die unsere grundlegenden körperlichen und geistigen Bedürfnisse erfüllt. Dazu gehört das Schutzbedürfnis, der Wunsch nach Privatsphäre und die Möglichkeit, sich Räume anzueignen – also unseren Wohnraum so zu gestalten, dass wir uns wirklich zu Hause fühlen und er unser Wohlbefinden fördert – siehe zum Beispiel das Bewegungsdiagramm und die Besitzanalyse.


Sehr spannend sind die Erkenntnisse aus der «Healing Architechture»: Aus Studien in Spitälern wissen wir zum Beispiel, dass ausreichend Tageslicht den Schlaf-wach-Rhythmus positiv beeinflusst und depressive Verstimmungen lindert. Oder dass der Blick nach draussen in die Natur die Genesung beschleunigt und den Bedarf an Schmerzmitteln reduziert. Diese Prinzipien lassen sich auch im privaten Bereich umsetzen.
Haben Sie uns ein paar praktische Tipps?
Gerade der Trend zu offenen Räumen kann problematisch sein – vor allem, wenn sich mehrere Personen den Wohnraum teilen. Trennen Sie nach Möglichkeit aktive Wohnbereiche wie zum Beispiel die Küche von passiven Wohnbereichen wie dem Wohnzimmer, zum Beispiel durch Schiebetüren. Dies ermöglicht flexible Rückzugsorte und erhöht die Wohnqualität enorm. Dies gilt insbesondere für die Vereinbarkeit von Wohnen und Arbeiten in einer Wohnung im Sinne einer gesunden Work-Life-Balance. Eine weitere Herausforderung ist der «Being on stage»-Effekt in modernen Wohnungen mit grossen Fensterfronten. Viele Menschen fühlen sich dadurch ständig beobachtet. In diesem Fall müssen Lösungen her, die Offenheit und Privatsphäre in Balance zu bringen. Achten Sie generell auf einen Bezug zur Natur, sei es durch Pflanzen oder den Blick ins Grüne. Achten Sie auf ausreichend Tageslicht und wählen Sie Farben, die Ihnen guttun. Gestalten Sie Ihre Räume mit persönlichen Gegenständen, die Ihre Identität widerspiegeln. Es ist wichtig, sich über Trends und Konventionen hinwegzusetzen und mutig genug zu sein, die eigene Persönlichkeit in den eigenen vier Wänden zum Ausdruck zu bringen. Wenn wir unseren Lebensraum mit unserer eigenen Identität prägen, schaffen wir eine Umgebung, die uns emotional unterstützt und in der wir uns authentisch und geborgen fühlen. Entscheidend ist, dass die Wohnform zu den eigenen Bedürfnissen passt. Die Gestaltung unseres Wohnraums sollte ein dynamischer Prozess sein, der sich mit unseren Lebensphasen und Bedürfnissen verändern kann. Indem wir unseren Wohnraum aktiv gestalten und immer wieder anpassen, nehmen wir Einfluss auf unsere Lebensqualität.
Vielen Dank, liebe Frau Reitmayer für die spannenden Einblicke in die Wohn- und Architekturpsychologie!
War euch diese Wechselwirkung bewusst? Wie gestaltet ihr euren persönlichen Wohnraum, damit er euer Wohlbefinden fördert und eure Identität widerspiegelt?
Dieser Text ist erstmals als Titelgeschichte im Magazin active & live erschienen.
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