Reportagen und Interviews

Generationenübergreifendes Wohnen – Jung und Alt in einer WG

Generationenübergreifendes Wohnen - Jung und Alt in einer WG
Hans Trentini geniesst es, mit jungen Menschen zusammen zu leben.

Eine Wohnung voller Leben

Neue Wohnformen wie Mehrgenerationenhäuser, Co-Housing und generationenübergreifende Wohngemeinschaften gewinnen in der Schweiz an Bedeutung. Diese innovativen Konzepte bieten insbesondere Senioren die Möglichkeit, sozial vernetzt und selbstbestimmt zu leben. So wie Hans Trentini, der generationenübergreifendes Wohnen mit jungen Studierenden lebt und den frischen Wind geniesst, den seine Mitbewohnerinnen und Mitbewohner in seine vier Wände bringen.


Generationenübergreifendes Wohnen für mehr Lebensqualität

Hans Trentini (91) hat nach dem Verlust seiner Frau eine innovative Lösung gegen die Einsamkeit gefunden. Statt in seiner grossen Wohnung allein zu leben, teilt er nun seinen Wohnraum mit jungen Menschen. Diese Form des Zusammenlebens bietet nicht nur finanzielle Vorteile, sondern schafft auch wertvolle soziale Verbindungen zwischen den Generationen.

«Als meine Frau Anfang 2021 verstarb, fiel ich in ein tiefes Loch. Wir waren über 71 Jahre lang ein Herz und eine Seele. Den Alltag von einem Tag auf den anderen allein zu bestreiten, war nicht einfach für mich. In der grossen Wohnung fühlte ich mich sehr einsam. Vor allem die Stille war erdrückend. Ich hatte niemanden zum Reden und merkte, dass meine sprachlichen Fähigkeiten nachliessen. So konnte es nicht weitergehen, ich musste etwas ändern. Wohnraum gegen Unterstützung. In einem Gespräch mit meiner Tochter und einer meiner Enkelinnen kam das Thema generationenübergreifende Wohngemeinschaft auf. Meine Enkelin erzählte mir von einer Wohnform, bei der Pensionierte jungen Studierenden Wohnraum zur Verfügung stellen. Statt Miete zu zahlen, leisten die Studenten eine anteilige Unterstützung für den zur Verfügung gestellten Wohnraum. Diese Idee gefiel mir sofort. Da ich das ehemalige Schlafzimmer meiner Frau und mir sowieso nicht mehr nutzte, war ich bereit, diesen Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Das Zimmer ist 20 Quadratmeter gross und hat ein eigenes Bad – ideal, um es jemandem anzubieten.

Win-win-Situation

Meine erste Mitbewohnerin war eine angehende Lehrerin. Sie wohnte eineinhalb Jahre bei mir und es funktionierte wunderbar. Statt Miete zu bezahlen, half sie mir 20 Stunden im Monat bei kleineren oder grösseren Aufgaben oder leistete mir einfach nur Gesellschaft. Wir haben von Anfang an vereinbart, offen und ehrlich zueinander zu sein, wenn etwas nicht gut ist – das ist der Schlüssel zum Erfolg einer generationenübergreifenden WG. Offenheit und Vertrauen sind notwendig, damit diese Art des Zusammenlebens funktioniert. Die vielen Reisen, die ich früher unternommen habe, das Leben in anderen Ländern und Kulturen haben sicher auch dazu beigetragen, dass ich trotz meinem hohen Alter noch offen im Denken bin. Das erleichtert das WG-Leben ebenfalls. Mit meiner grosszügigen Wohnung kann ich zudem optimale räumliche Voraussetzungen bieten, damit jede und jeder genug Privatsphäre hat. Küche, Wohn- und Esszimmer sind zur gemeinsamen Nutzung vorgesehen, aber mein Badezimmer möchte ich für mich allein haben. Neben dem eigenen Bad- und Schlafzimmer habe ich auch mein eigenes Büro.

Gesellschaft als grösster Gewinn

Da meine erste Mitbewohnerin inzwischen zu ihrem Freund gezogen ist, teile ich meine Wohnung derzeit mit einem Physik-Studenten. Der junge Mann war mir von Anfang an sympathisch. Wie bei seiner Vorgängerin haben wir neben dem Mietvertrag auch einen Arbeitsvertrag abgeschlossen. Grundsätzlich muss auch er etwa 20 Stunden ‹Arbeit› leisten, aber ich brauche eigentlich keine Hilfe im Haushalt. Ich kaufe selbst ein, habe jemanden, der mir das Mittagessen kocht und die Wohnung in Schuss hält. Viel wichtiger ist mir der soziale Kontakt. Ich diskutiere und philosophiere gern und freue mich, wenn wir abends, wenn er von der ETH nach Hause kommt, Zeit für Gespräche oder ein Schachspiel haben. Wir pflegen einen herzlichen, respektvollen und wertschätzenden Umgang miteinander. Auch wenn er regelmässig Freunde und Familie besucht, Ferien macht oder abends später zurückkehrt, fühle ich mich nicht mehr einsam. Es tut mir einfach gut zu wissen, dass jemand heimkommt. Ich bin ein Glückspilz. Dank dieser Wohnform kann ich weiterhin selbstbestimmt zu Hause leben. Das bedeutet für mich Freiheit. Und mit den jungen Menschen sind nebst neuen Ansichten und frischen Ansätzen auch wieder Freude und Leben in meine Wohnung eingezogen.»

Generationenübergreifendes Wohnen – was hält ihr von dieser Wohnform?

Dieser Text ist erstmals als Titelgeschichte im Magazin active & live erschienen.

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