Familienleben Kolumne

Auf dem Weg zur Versöhnung

Die Last ablegen – gemeinsam mit vielen anderen Betroffenen.

Sie kam völlig überraschend – diese Karte aus dem Stadtspital Triemli, und als ich sie zitternd in den Händen hielt, sah ich all diese Papiere wieder vor mir, Broschüren und Briefe, die wir im letzten Jahr erhielten und studieren mussten und die alle dasselbe Logo des Spitals aufwiesen, in denselben Farben und in derselben Aufmachung daherkamen.

Ja, ich sah sogar wieder den Menüplan vor mir, der dieser Einladung so ähnlich sah. Dieser Menüplan, der während der Spitalaufenthalte meines Vaters stets ein kleines Highlight darstellte, weil solange ein Mensch Appetit hat und isst, so krank er ja nicht sein kann. Dieser Menüplan, nach welchem er wenige Stunden vor seinem Hinschied noch gefragt hatte, weil er so fest davon ausging, dass alles wieder gut werden würde.

Doch ich hielt keine Menükarte in den Händen, sondern eine Einladung zu einer Gedenkfeier für die Menschen, die in den vergangenen Monaten in Stadtspital Triemli verstorben waren. Dies berührte mich zutiefst. Dieses Spital, dem ich im vergangenen Jahr aufgrund der vielen Besuche mehr und mehr mit Abneigung, ja, fast schon Feindseligkeit gegenübertrat, reichte mir nun die Hand, an den Ort zurückzukehren, der für mich mit so schmerzlichen Erinnerungen verbunden war und den ich seither gemieden hatte. Die Gedenkfeier ging mir zu Herzen wie selten etwas zuvor. Die Möglichkeit, die ganze Last meiner Tränen und meiner Trauer gemeinsam mit so vielen anderen betroffenen Menschen in einem bewegenden symbolischen Akt abzulegen, hat meinen Schmerz, der noch immer so tief in meinem Herzen sitzt, zu lindern vermocht.

In unseren Händen wurden die Steine warm

Es hat mich allen Mut der Welt gekostet, dieser Einladung Folge zu leisten und damit einen ersten Schritt in Richtung Versöhnung zu machen. Ich danke dem Spital Triemli dafür, uns Hinterbliebenen diese Chance geboten zu haben.

immer mittwochs im Tagblatt der Stadt Zürich

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2 Kommentare

  • Pia Eggenschwiler
    15. November 2017 at 09:10

    Grüezi Frau Angelone
    Ihre Kolumne über die Gedenkfeier im Triemlispital hat mich als Direktbetroffene berührt.
    Mein Mann lag beinahe 1 Jahr ununterbrochen im Triemlispital, kämpfte bis zum letzten Atemzug und hat doch verloren. Ihm nicht helfen zu können, brach mir fast das Herz.
    Ich teile Ihre Gefühle der Abneigung, ja schon Feindseligkeit gegenüber diesem Spital. Zu viele schmerzliche Erinnerungen bleiben unvergessen. Nur schon der Blick auf das Gebäude verursacht bei mir nach wie vor eine grosse Beklemmung. Obwohl vor allem der verantwortliche Chefarzt sich auch nach dem Tod vorbildlich und menschlich verhalten hat. Ich konnte mich jedoch nicht überwinden, an dieser Gedenkfeier teilzunehmen. Die Seelsorge im Spital fand nie die richtigen Worte für meinen Mann und waren kein Trost, eher eine Belastung.
    Nach Ihrer Schilderung fanden Sie jedoch dank dieser Geste den ersten Schritt Richtung Versöhnung. Gemäss den Bildern scheint der Anlass wirklich würdevoll gestaltet. Vielleicht war es ein Fehler, diesen Schritt nicht gemacht zu haben. Vielleicht auch nicht? Die Trauer kann mir niemand nehmen.

  • Rita Angelone
    15. November 2017 at 09:15

    Liebe Frau Eggenschwiler, danke von Herzen für Ihre Rückmeldung. Meine Gedanken dazu maile ich Ihnen auf Ihre e-Mail-Adresse. Bis nachher und … in Gedanken bei Ihnen. Rita

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