Reportagen und Interviews

Ohne Kleindarsteller, Komparsen und Statisten funktioniert kein Film

René bei den Dreharbeiten der Schweizer-Italienischen Produktion „Lubo“, der im Jahr 1939 spielt.

Kamera ab … und bitte!

Zwischen Aufregung, Spannung und Hochgefühlen – jeder Schauspieleinsatz ist für René Wiederkehr eine Herausforderung und ein Vergnügen zugleich: «Beim letzten Luzerner Tatort habe ich den Pfarrer gespielt. Eigentlich wurde ich für eine Rolle ohne Text aufgeboten, doch am Set entschied der Regisseur überraschenderweise, ich solle eine Grabrede halten. Und so habe ich eben improvisiert und eine Grabrede aus dem Ärmel geschüttelt», erzählt René (63) und lacht. «Dem Regisseur hat meine Darbietung jedenfalls gefallen.»


Kleine Rollen, grosse Wirkung

René ist seit Jahren als Kleindarsteller, Komparse und Statist im Einsatz. Die Übergänge zwischen den verschiedenen Rollen sind fliessend: «Wenn ich mich zum Beispiel bei einem Dreh in einem Sitzungszimmer genau in dem Moment hinsetzen muss, wenn der Hauptdarsteller zur Tür hereinkommt, dann bin ich ein Komparse. Die anderen Sitzungsteilnehmer, die nur sitzen oder auf ihren Laptops tippen, sind Statisten. Wenn ich in meiner Rolle etwas sagen oder präsentieren darf, bin ich ein Kleindarsteller. Nicht selten wird erst am Set spontan entschieden, wer was macht», erklärt er. «Das löst jedes Mal erst einmal Nervenkitzel aus, aber dann, wenn ich es dann gut gemacht habe, bin ich stolz und fühle mich glücklich.»

René zusammen mit der Schauspielerin Jeanette Hein beim Dreh für den Schweizer Film „Davos 1917“

Lust auf Herausforderungen

René ist für alle Einsatzvarianten zu haben, aber am liebsten sind ihm Rollen, die etwas mehr zu bieten haben. «Gewöhnliche Statisteneinsätze, bei denen ich nur von A nach B laufen muss, finde ich nicht mehr so spannend. Ich mag es lieber etwas anspruchsvoller, es darf ruhig eine Challenge sein. Aber ich mache nicht alles. Für mich muss der Inhalt des Films stimmen und die Rolle zu mir passen. Oft werde ich als Geschäftsmann eingesetzt, aber auch immer wieder als Persönlichkeit wie Polizist, Arzt und sogar Pfarrer», zählt René die typischen Rollenbilder auf, für die er vorzugsweise engagiert wird.

«Das Schöne daran ist: Ich kann grundsätzlich alles sein», schwärmt René. «Einmal musste ich sogar einen Mann darstellen, der von seiner zukünftigen Schwiegertochter niedergestochen wurde. Das war technisch ganz schön herausfordernd und fühlte sich auch ziemlich mulmig an.»

Faszination für historische Filme

Historische Schweizer Filme haben es René besonders angetan: «Bei aufwendigen Produktionen wie ‹Davos 1917›, ‹Friedas Fall› oder ‹Lubo› durfte ich nicht nur in andere Welten eintauchen, sondern auch viel über die damalige Zeit lernen», erzählt er begeistert. «Für mich ist es das Schönste, einzigartige alte Kostüme zu tragen und von den Maskenbildnern so verwandelt zu werden, dass ich detailgetreu in die Zeit passe, in der die Geschichte spielt. Für eine Szene, die ich zusammen mit weiteren Statistinnen und Statisten in St. Gallen für ‹Friedas Fall› spielte, wurde ich als Mitglied des damaligen Grossrats gekleidet. An diesem Drehtag waren wir das grosse Highlight der Stadt. Wir waren richtige Eyecatcher. Die Leute bestaunten uns und hatten grosse Freude an unseren schönen Kostümen aus dem Jahr 1904.»

Mittendrin bei Highlights des Schweizer Fernsehens

Aber auch besondere zeitgenössische Schweizer Filmproduktionen faszinieren René. Zum Beispiel vom herausragenden Luzerner Tatort «Die Musik stirbt zuletzt», der als sogenannter «One Take» gedreht wurde. «Ich bin sehr stolz, dass ich bei diesem einzigartigen Projekt mitwirken durfte. Es war ein unglaublich spannender und unvergesslicher Einsatz. Regisseur Dani Levy hat die komplette Folge in nur einer Einstellung aufgezeichnet, ohne auch nur einmal abzusetzen. Insgesamt haben bei dieser Folge sage und schreibe 1000 Statisten mitgemacht.

René als Chief Financial Officer des Milchkonzerns ‹Berno› in der Schweizer TV-Serie „Neumatt“

Damit am Drehtag alles funktioniert, mussten wir mehrere Tage proben.» Auch bei der erfolgreichen Schweizer TV-Serie «Neumatt», die in Netflix auch international ein Erfolg war, spielte René mit und war gleich bei allen drei Staffeln dabei. «In der ersten Staffel war ich der Chief Financial Officer des Milchkonzerns ‹Berno› und war während der ganzen Serie immer wieder in sehr schönen Kameraeinstellungen zu sehen. In der zweiten Staffel spielte ich verschiedene kleinere Rollen. Und nun bin ich gespannt, wie ich in der dritten Staffel, die im Herbst ausgestrahlt wird, als Bauer rüberkomme», erzählt René sichtlich stolz.

Ohne die Kleinen kein Grosses

Auch wenn sie manchmal unterschätzt oder gar belächelt werden: Kleindarsteller, Komparsen und Statisten sieht René als unverzichtbar an. Seine Einsätze nimmt er deshalb alle immer sehr ernst und bereitet sich seriös darauf vor. «Ich stehe nicht im Schatten der Hauptdarsteller. Auch wenn man mich meist nur ein paar Augenblicke lang sieht oder in der Endproduktion manchmal sogar ganz herausschneidet – ohne Kleindarsteller, Komparsen und Statisten funktioniert kein Film. Durch meine Einsätze hauche ich Kulissen wie Strassen, Konzerthallen oder Restaurants Leben ein und verleihe dem Film Echtheit. Ich bin ein kleiner, aber wesentlicher Teil eines grossen Ganzen. Es erfüllt mich mit Stolz, wenn ich im Kino sitze und mich selbst als Teil einer Produktion entdecke oder wenn mich Menschen
ansprechen und sagen, hey, ich habe dich im Kino oder im Fernsehen gesehen.»

Überraschungen am Set

Renés Professionalität und seine Leidenschaft fürs Filmemachen haben ihm das Vertrauen vieler Regisseure eingebracht. «Ich freue mich, wenn sie mir sagen: René, du weisst, wie es geht. Ich muss dir nicht alles fünfmal erklären.» Kein Wunder, dass ihm am Set immer wieder spontan eine anspruchsvollere Rolle zugeteilt wird als ursprünglich geplant.

Unschätzbare Erfahrungen und grosse Träume

Für René ist die Arbeit am Filmset mehr als nur ein Hobby mit Verdienstmöglichkeit. «Reich wird man dabei nicht. Aber ich bekomme exklusive Einblicke hinter die Kamera, erfahre, wie das Making-of grosser und bekannter Filmproduktionen abläuft. Ich komme an Orte, die ich sonst nie besuchen würde, profitiere von Wissen, Erfahrungen, von Netzwerkmöglichkeiten und kann mit bekannten Schauspielerinnen und Schauspielern zusammenarbeiten», schwärmt er. «Auch die Gemeinschaft am Set schätze ich sehr. Es ist, als wäre man Teil einer grossen Familie. Gerade in der Schweiz, wo die Szene überschaubar ist, läuft man sich immer wieder über den Weg. In all diesen Jahren habe ich so viele lässige und interessante Menschen kennengelernt und viele Bekanntschaften gemacht, ja, sogar gute Freundschaften geschlossen. Das alles ist für mich unbezahlbar.»

Trotz seiner vielen schönen Erlebnisse und den Erfolgen hegt René noch einen grossen Traum: «Ich würde unglaublich gerne einmal bei einer richtig grossen Hollywood-Produktion mitwirken», verrät er mit einem schelmischen Blick. «Ein Einsatz bei einem ganz grossen Film, wie zum Beispiel einem Bond-Film, wäre das höchste der Gefühle für mich!»

Dieser Text ist erstmals als Herzgeschichte im Magazin active & live erschienen.

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2 Kommentare

  • Wiederkehr
    27. Oktober 2024 at 18:35

    Liebe Rita
    Nochmals einen ganz grossen Dank für das sehr angenehme Interview und den tollen Reportage-Bericht.
    Liebe Grüsse René

  • Rita Angelone
    28. Oktober 2024 at 07:23

    Lieber René, ich danke dir, dass du uns einen Blick hinter die Kulissen deiner Tätigkeit erlaubt hast! Weiterhin viel Spass bei all deinem Tun! Lieber Gruss, Rita

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