Vom Fotografieren zum Influencen
Wir sind plusminus gleich alt. Wir sind beides Mütter und Frauen, die mit beiden Beinen im Leben stehen und arbeiten. Doch während ich auch schon Gedanken gehegt habe, den Influencer-Beruf an den Nagel zu hängen, will Manuela Leonhard erst damit starten. In einem spannenden Gespräch erzählt sie, weshalb sie ihre langjährige Begeisterung fürs Fotografieren jetzt zum Beruf gemacht hat und Influencerin geworden ist.
Mach es mit Leidenschaft oder gar nicht.
Manuela Leonhard
Liebe Manuela, vor einem Jahr warst du noch die Assistentin von Corine Mauch, der Stadtpräsidentin von Zürich. Heute bist du teilselbständige Influencerin ü50. How come?
Es hat mich selbst überrascht, dass ich mit bald 59 Jahren einen absoluten Traumjob kündige und da stehe, wo ich heute bin. Ich kann es immer noch kaum fassen, welche Richtung mein Leben gerade einschlägt! Vor sieben Jahren habe ich aus purer Freude am Fotografieren angefangen, auf meinen Sozialen Kanälen Handy-Bilder von Zürich zu posten: Das Morgenrot über dem Zürichsee auf meinem Weg zum Büro, ein Drink in der Frauenbadi, das Grossmünster bei Nacht, Möven im Flug über der Limmat oder ein Nachtessen in einem Restaurant nach getaner Arbeit im Stadthaus. Wo auch immer ich in Zürich unterwegs war, zückte ich mein Handy, machte Fotos und postete sie auf Instagram, Facebook und LinkedIn. Freiwillig. Ohne von jemandem dafür beauftragt worden zu sein, geschweige denn bezahlt zu werden. Mit meinen Bildern vom schönen Zürich traf ich offenbar den Nerv der Zeit. Im Nu folgten Zehntausende Menschen meinen zurich is beautiful-Kanälen.
Wieso hast du das so lange gratis und franko gemacht?
Ich werde oft gefragt, weshalb ich über so viele Jahre so viel Aufwand betrieben habe, ohne dafür entschädigt zu werden. Die Antwort ist simpel:
Für mich war es eben keine Mühe, sondern eine Leidenschaft. Ich habe einfach Freude daran, mit meinen Bildern andere Menschen zu beglücken und zu inspirieren.
Die vielen positiven Rückmeldungen, die ich von Anfang an erhielt, zeigten mir: Was ich mache, bewegt die Menschen. Und deshalb bin ich dran geblieben und werde auch weiter machen.
Wie ist es dann doch zum Entscheid gekommen, das Ganze professionell und auf bezahlter Basis zu machen?
Ich habe meinen Job in der Stadtverwaltung achtzehn Jahre lang mit Freude und Herzblut ausgeübt – sechs Jahre als Assistentin Direktor Kultur, dann zwölf Jahre als Assistentin der Stadtpräsidentin. Nach so langer Zeit überkam mich aber immer mehr das Gefühl, langsam aber sicher aus dem Job herausgewachsen zu sein. Als mich ein Marketing-Experte just in dieser Phase darauf ansprach, dass ich mit meinen erfolgreich laufenden Kanälen gutes Geld verdienen könne, liess mich der Gedanke nicht mehr los, das Potenzial, das offenbar hinter meiner Arbeit steckt, auszuschöpfen.
Ein paar Monate lang habe ich abgewogen, ob ich den Sprung in ein neues Abenteuer wagen soll. Ich wusste zwar, dass ich etwas ändern will, aber nicht, wie ich es genau anstellen soll. Zudem hatte ich bis zur Pensionierung nur noch sieben Jahre zu arbeiten.
Den sicheren, gut bezahlten Job, um den mich viele beneideten, jetzt aufgeben, fiel mir alles andere als einfach.
Ich bin sonst eine entscheidungsfreudige Macherin, aber nun steckte ich in einer emotionalen Bredouillle. Nach einigen schlaflosen Nächten siegte am Ende meine Leidenschaft fürs Fotografieren und Berichten: ich entschied mich, ein neues Kapitel in meinem Leben aufzuschlagen und kündigte meine Stelle.
Es ist ist nicht das erste Mal, dass du «All-In» gehst und bereit bist, sozusagen alles aufs Spiel zu setzen, um deinen Träumen nachzugehen, oder?
Ja, das ist so. Als Tochter einer Gastronomen-Familie wollte ich nicht wie meine drei Geschwister auch im Gastro- oder Hotelbereich eine Lehre absolvieren. Mein Lebenstraum war seit Kind an, Flight Attendant zu werden. Damals empfahl die Swissair Bewerberinnen, eine Kaufmännische Lehre zu machen, damit man am Check-in arbeiten könne, falls man nicht als Flight Attendant zugelassen würde. Also absolvierte ich das KV bei einem Rechtsanwalt in St. Gallen und anschliessend auch gleich einen Sprachaufenthalt in Kanada. Nach meiner Rückkehr arbeitete ich als Telefonistin im Hotel Hilton am Flughafen. Da lernte ich meinen zukünftigen Mann kennen, heiratete ihn bald darauf und führte mit ihm zusammen ein Hotel in Zürich. Mit 26 Jahren war ich nicht nur Hotelièrin, sondern auch vierfache Mutter. Ich stand an einem völlig anderen Punkt im Leben, als ich mir dies je vorgestellt hätte.
Und dann hattest du eine Krise…
Ich hatte zwar ein Hotel, einen tollen Mann, herzige Kinder und lebte in Zürich. Doch eigentlich wollte ich fliegen. Mit 32 Jahren entschied ich mich, meinen Kindheitstraum endlich zu verwirklichen und ging zu «Crossair». Da die Unternehmung neu die Möglichkeit bot, Teilzeit zu arbeiten, konnte ich nebst der Hotelführung endlich meinen Berufswunsch in einem Teilzeitpensum ausleben.
Damals war ich so richtig glücklich. Das war mein Traum! Ich war eine der begeistertsten Crossair Flight Attendants, die es wohl je gegeben hat.
Mit 40 habe ich dann mit dem Fliegen aufgehört, weil meine Präsenz in der Familie wieder etwas stärker nötig wurde. Anschliessend folgte meine Zeit in der Stadtverwaltung. Das war ebenfalls eine grossartige Zeit, in der ich viel über Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur gelernt habe.
All-in bist du auch in Sachen Beziehung gegangen. Magst du erzählen?
Nach 28 Ehejahren habe ich mich von meinem Mann scheiden lassen. Unterdessen bin ich seit zwölf Jahren als Single unterwegs. Ich geniesse das Leben in vollen Zügen, gehe überall allein hin, reise allein um die halbe Welt. Mein Leben fängt jetzt erst richtig an. Ich habe früh geheiratet, war viele Jahre mit meinem Ehemann zusammen.
Was andere in der Regel zwischen 20 und 30 erleben, hole ich jetzt nach.
Ich finde das so genial, weil jetzt meine ganze Lebenserfahrung und mein ganzes Selbstbewusstsein zum Tragen kommen. Mir geht es blendend!
Hast du den Männern abgeschworen?
Nein, sicher nicht! Das Leben ist nur halb so lustig ohne Männer. Ich habe hin und wieder ein Date. Schliesslich muss ich à jour bleiben, wie das funktioniert! Allerdings ist es nicht ganz so einfach mit Männern in meinem Alter, weil die meisten etwas Mühe haben, das, was ich mache, richtig einzuordnen.
Social Media sind ein Teil von mir geworden. Selbstverständlich wäre ich in der Lage, zwischen Beziehung und Job richtig zu priorisieren. Aber gänzlich darauf verzichten? Nein, das möchte ich nicht.
Wieso auch? Mein neues Influencer-Leben fängt erst grad an. Es ist meine beste Zeit im Leben, in der ich bewusst mein ganzes Potenzial ausleben darf. Ich habe früher vieles unterdrückt, weil ich von negativen Glaubenssätzen geprägt war und mir Vieles nicht zutraute. Heute mache ich alles, was ich denke. Das gibt mir ein extrem gutes Gefühl.
Wie fühlst du dich in dieser „Influencer-Welt“? Kommst du zurecht in diesem eher jungen Umfeld?
Das Alter ist für mich kein Thema. Mein Credo: In diesem Metier macht es jede und jeder auf die eigene Art und Weise. Es hat für jedes Alter, für jede Art, wie man als Influencerin unterwegs ist, genügend Follower da draussen. Man bekommt genau diejenigen Follower, die zu einem passen. Ich finde:
Social Media mit Lebenserfahrung, so wie ich es betreibe, ist etwas vom Grossartigsten. Dank meinen Erfahrungen habe ich heute viel zu erzählen und kann die ü50 Zielgruppe auf Augenhöhe ansprechen.
Ich stelle mich bei meiner Arbeit nicht selbst in den Mittelpunkt. Bin ich zum Beispiel an einem Event im Einsatz, muss ich nicht selbst im Rampenlicht stehen, sondern fotografiere die Location, die Deko und die Mitarbeitenden. Ich muss nicht auf jedem Bild zu sehen sein. Ich möchte Menschen in den Fokus setzen, die etwas gut machen, die eine tolle Firma, tolle Produkte haben und die mit ihren Mitarbeitenden gut umgehen. Solche Menschen will ich auf meinen Kanälen zeigen, ihnen kann ich eine Reichweite geben.
Was denkst du, ist der Schlüssel zu deinem Erfolg?
Ich bin authentisch, sehe nicht aus wie ein Top-Model. Ich bin normal und nahbar.
Ich bin eine Frau, wie jede andere, welche die Ups and Downs des Familien- und Arbeitslebens kennt und die sich dem Älterwerden stellen muss.
Meine Follower können sich mit mir identifizieren und fühlen sich mit mir verbunden. Ich weiss, dass es viele Frauen gibt, die – wie ich früher – von negativen Glaubenssätzen geprägt sind. Ich möchte, dass sie sich bewusst werden, dass man dies verändern kann. Man kann negative Glaubenssätze in positive umwandeln. Das kann Berge versetzen, Welten verändern. Es lohnt sich, dies zu machen. Ich bin das beste Beispiel dafür, dass man – egal zu welchem Zeitpunkt – im Leben immer wieder ein neues Kapitel aufschlagen kann!
Vielen Dank, liebe Manuela, für dieses offene und interessante Gespräch. Wir wünschen dir weiterhin viel Erfolg und vor allem ganz viel Freude bei deinem Tun!
Passend zum Thema mache ich euch auf mein Buch „Blogger- und Influencer-Marketing in der Praxis“ aufmerksam. Im Buch gewähre ich Einblicke in die Welt der Blogger und Influencer und zeige auf, wie eine Zusammenarbeit für alle Akteure erfolgreich sein kann. Als Bloggerin der ersten Stunde mache ich den Prozess des Blogger- und Influencer-Marketings von der Strategieentwicklung, über Vertragsverhandlung, Auftragserteilung und Umsetzung bis hin zum Controlling aus der Sicht der verschiedenen Beteiligten greifbar. Anhand von Praxistipps und Best-Practice-Beispielen zeige ich alle erfolgsentscheidenden Faktoren und Handlungsoptionen auf. Mein Werk liefert sowohl interessierten Laien als auch erfahrenen Praktikern leicht nachvollziehbare Ansätze, es zeigt Spannungsfelder, Grenzen sowie Chancen auf und regt dazu an, Blogger- und Influencer-Marketing nach rechtlichen und ethischen Grundsätzen sinnvoll und nachhaltig einzusetzen. Das Buch ist hier bestellbar.
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