Familienleben Kolumne

Dauerzustand Phase

Es ist zwar erst Mai, aber mein Unwort des Jahres steht bereits fest: die Phase.

Bis vor kurzem ging ich davon aus, dass eine Phase eine Zeitspanne mit einem Anfang und einem Ende beschreibt. Wie zum Beispiel die Planungsphase oder die Umsetzungsphase. Diese Zeitabschnitte zeichnen sich dadurch aus, dass man sie zu einem bestimmten Zeitpunkt starten und irgendwann selbstbestimmt beenden kann. Das Familienleben hat mich eines Besseren belehrt und dem Begriff der Phase eine neue Bedeutung verliehen.

Ich assoziiere das Wort längst nicht mehr mit abgrenzbaren Abschnitten in der Projektarbeit, sondern mit Perioden, die aufgrund ihrer anhaltenden Dauer sogar eher mit Epochen vergleichbar sind und denen ich nicht aus eigener Kraft ein Ende setzen kann.

Ausserdem wird der Begriff der Phase für meine Ohren inflationär verwendet. Wo auch immer ich meinen Frust über die Tücken des Familienalltags deponiere, erhalte ich – wohl aus Angst, mir den letzten Funken Hoffnung zu nehmen – zur Antwort: «Ach, das ist «nur» eine Phase!»

«Nur» eine Phase? Die schwierigen ersten Babymonate waren «nur» eine Phase. Die anschliessenden herausfordernden Ernährungs- und Schlafumstellungen waren «nur» eine Phase. Das darauffolgende schmerzhafte Zahnen war «nur» eine Phase. Das einsetzende Trotzen und Bocken hätte – genauso wie das ewige Gezänk zwischen den Buben – auch «nur» eine Phase sein sollen.

Seien wir doch ehrlich: Phasen sind in Tat und Wahrheit das Perpetuum mobile des Familienlebens. Einzelne Teilphasen mögen vordergründig abgeschlossen worden sein, aber faktisch haben sie sich nur schleichend in neue verwandelt. Und so werden auch wir von der Warum-Phase über die sensible Phase direkt in die Pubertätsphase schlittern und dabei nur eine einzige Phase auslassen: die Ruhephase. Diese ist in der Familienrealität schlichtweg inexistent.

Dies koennte dir ebenfalls gefallen

Keine Kommentare

    Hinterlasse eine Nachricht

    Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.