Sie wissen: Beruflich betreue ich Ausbildungsbetriebe und deren Lernende während der Berufslehre. Setzt man sich mit Jugendlichen auseinander, die ihre ersten Erfahrungen in der Berufswelt machen, muss man sich – nebst ihrem fachlichen Können – nicht zuletzt auch mit ihren Sozialkompetenzen «herumschlagen». Herumschlagen deshalb, weil in der Sozialkompetenz unter anderem Aspekte wie Ehrlichkeit, Pünktlichkeit, Verantwortungsbewusstsein und Durchhaltewille enthalten sind. Diese Werte bergen Konfliktpotenzial, weil die Ansichten darüber sehr verschieden sind: Lehrbetriebe werten diese Kriterien sehr hoch und legen keine grosse Toleranz an den Tag, wenn sie von den Lernenden nicht eingehalten werden. Jugendliche hingegen gehen davon aus, dass der Fünfer in Sachen Pünktlichkeit, Erscheinen am Arbeitsplatz, Verantwortung und Durchhaltewille auch einmal (besser: immer wieder) gerade stehen gelassen werden soll.
Nun giesst ein Artikel über gestresste Kinder, den ich kürzlich gelesen habe, Öl in dieses Feuer! Die Anforderungen an Kinder seien heute viel zu hoch. Der Leistungsdruck sei grösser als je zuvor, und Kinder könnten sich diesem kaum entziehen. Es sei denn, die Eltern lehrten ihre Kinder, bewusst zu schwänzen! Damit sie die Erfahrung machen können, dass es erlaubt ist, sich dem Leistungsdruck zu entziehen. Ihnen dies vorzuleben, gehöre zu den schönsten Seiten des Elternseins überhaupt.
Eltern als Schönwetterkapitäne – logisch, ist das sehr schön! Die verschobenen Werte können später Lehrer und Lehrmeister zurechtrücken. Elternsein bedeutet doch auch, gegen tosenden Wind zu kreuzen und den Kindern anstelle von Blaumachen vielmehr die Freude am Leben, am Lernen und am Arbeiten mitzugeben. Ohne inneren Antrieb wird es sonst schwierig, das Leben anzupacken – sich mit Blaumachen gemütlicher durchangeln zu wollen, erscheint mir persönlich als unfair gegenüber unserer Gesellschaft und dürfte als Lebensstrategie etwas zu kurz gegriffen sein.
Was meint Ihr dazu?
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