Familienleben

Wiedereinstieg – via Programm zurück in die Berufswelt

Wiedereinstieg - via Programm zurück in die Berufswelt
Der Wiedereinstieg in die Berufswelt ist voller Hürden (Bild zVg von ReturnersWork)

Wiedereinstieg – nach der Familiengründung zurück zur Arbeit

Mütter und Väter, die aufgrund von Kindern eine Karrierepause eingelegt haben, bekunden oft Mühe, wieder ins Berufsleben zurück zu finden. Die Gründe sind vielfältig. Doch die grösste Hürde beim Wiedereinstieg ist: Augrund der Lücke im Lebenslauf werden sie von Arbeitgebern nicht beachtet. Der Verein CRN – Companies & Returnships Network setzt sich dafür ein, dass Schweizer Firmen den Mehrwert und das Potenzial von Müttern und Vätern erkennen und schätzen und vermehrt Wiedereinstiegsprogramme aufsetzen. Von den beiden Gründerinnen des Returnship Projekts wollten wir wissen, weshalb Wiedereinsteigende so wichtig sind für die Wirtschaft und ob sich ihre Bemühungen für die sogenannten Returnees lohnen.

Wiedereinstieg - via Programm zurück in die Berufswelt
Der Wiedereinstieg in die Berufswelt – Returners sind wertvoll für die Wirtschaft (Bild zVg von ReturnersWork)

Zurück in die Arbeitswelt – ein Weg voller Hürden

Den optimalen Wiedereinstieg in die Berufswelt zu finden, ist herausfordernd. Evelin Bermudez und Anina C. Hille – beide erwerbstätige Mütter – wissen um die Hürden auf dem Weg zurück zur Arbeit. Sie haben deshalb mit ReturnersWork eine On- und Offline-Community sowie eine Reihe von Dienstleistungen zur Unterstützung von rückkehrwilligen Frauen und Männern ins Leben gerufen. Ihr Ziel: Returners bestmöglich zu unterstützen, indem sie sie mit Arbeitgebern zusammenbringen. Damit wollen sie bessere Chancen für den Wiedereinstieg schaffen.

Liebe Evelin, liebe Anina – was genau versteht man unter Returners?

Returners sind Personen, die in die Arbeitswelt zurückkehren wollen. Wie zum Beispiel Ana L. Sie hat einen Bachelor-Abschluss in Business Administration und 20 Jahre Berufserfahrung. Um ihre Kinder zu betreuen, machte sie eine 10-jährige Berufspause.Als ihre Kinder grösser wurden, wurde ihr Wunsch nach einem beruflichen Wiedereinstieg grösser. Trotz ihrer langjährigen Erfahrung war der Wiedereinstieg schwieriger als sie es sich vorgestellt hatte. Anas Geschichte ist kein Einzelfall. Leider ist es die Geschichte tausender Mütter und Väter, die versuchen, nach einer längeren Karrierepause wieder in den Arbeitsmarkt einzusteigen.

Über welche besonderen Stärken verfügen Returners?

Sie haben verschiedenste Berufslaufbahnen hinter sich. Sie kommen aus unterschiedlichen Branchen und Hierarchiestufen. Nebst ihrer Beufsausbildung und Erfahrung bieten sie Fähigkeiten, die aktuell äusserst gefragt sind: Softskills wie Anpassungsfähigkeit, Belastbarkeit, oder Teamfähigkeit. Oft sind sie sehr loyal und motiviert, weil sie die Chance erhalten, wieder in den Arbeitsmarkt einzusteigen. Zudem haben sie die richtige Einstellung, um alle beruflichen Herausforderungen anzunehmen und sie verfügen über eine reiche Lebenserfahrung.

Weshalb sind Returners so wichtig für die Wirtschaft?

Für Schweizer Arbeitgeber wird es immer schwieriger, genügend qualifizierte Mitarbeiter einzustellen. Seit 2016 hat sich der Fachkräftemangel um 22% erhöht. Besonders davon betroffen sind KMUs. Dieses Problem wird durch die aktuelle demografische Entwicklung verstärkt: Es treten mehr Personen aus dem Arbeitsmarkt aus als neue eintreten. Mit dem Erschliessen von neuem Arbeitspotential – wie zum Beispiel Wiedereinsteigenden – können Arbeitgeber dieser Entwicklung entgegentreten.

Gibt es viele Returners in der Schweiz?

Gemäss BFS sind 84’000 Mütter bereit, wieder in den Arbeitsmarkt einzusteigen. Dazu kommen zahlreiche Frauen und Männer, die aus anderen persönlichen Gründen, zum Beispiel Umzug oder Pflege älterer Angehöriger eine Pause im Berufsleben eingelegt haben.

Mit welchen Hürden werden Returners beim Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt konfrontiert?

Die häufigsten Herausforderungen beim Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt haben mit der negativen Wahrnehmung von Karrierelücken, dem Zurückgewinnen des beruflichen Vertrauens und dem Zugang zu flexiblen Arbeitsmöglichkeiten zu tun. Eine lange Pause wird von Arbeitgebern leider nach wie vor zu oft mit dem Verlust von Kenntnissen und Fähigkeiten assoziiert. Sie denken, dass Wiedereinsteigende zusätzliche Aus- und Weiterbildung benötigen. Das kann teilweise zutreffen, tut es in der grossen Mehrheit aber nicht! Denn: die meisten sind bereit für den Wiedereinstieg. Einige halten ihre Fähigkeiten durch Online-Kurse auf dem neuesten Stand, andere erwerben neue Zertifizierungen oder aktualisieren ihre vorhandenen Fähigkeiten durch Freiwilligenarbeit. Diese Personen sind entschlossen, einfallsreich und engagiert.

Gibt es auch Hürden, die eher bei den Returners selber liegen?

Ja. Haupthindernis ist das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und Kompetenzen. Daraus resultiert die Angst, nicht mehr konkurrenzfähig zu sein. Diese hält sie davon ab, sich überhaupt zu bewerben. Ausserdem ist den meisten Wiedereinsteigenden wichtig, dass die Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben gewährleistet ist. Viele Wiedereinsteigende befürchten zu wenig Flexibilität zu erhalten, sei es in Form von Teilzeitbeschäftigung oder anderen Arten, um Beruf, Familie und andere Verpflichtungen unter einen Hut zu bringen.

Erzählt uns mehr zum Projekt «Professionelle Returnship Programme», das ihr gemeinsam lanciert habt. Was ist anders als bei ähnlichen Programmen?

Als Dozentinnen an der Hochschule Luzern und selber Mütter liegt uns das Thema «Mütter und Arbeitsmarkt» beiden sehr am Herzen. So setzen wir seit mehreren Jahren Projekte um, um die Chancen von Frauen in der Wirtschaft zu erhöhen. Evelin ist in den USA aufgewachsen und hat die Idee der Wiedereinstiegsprogramme aus den USA in die Schweiz mitgebracht. Denn während solche Programme im angelsächsischen Raum verbreitet sind, gibt es in der Schweiz erst wenige Unternehmen, die solche umsetzen. Das fanden wir beide sehr bedauerlich und wir wollten dies ändern. Dabei war uns von Anfang an klar: Um die Chancen von Wiedereinsteigenden zu erhöhen, muss in der Schweizer Arbeitswelt ein Sinneswandel stattfinden!

Wie sieht eure Vision aus?

Unsere Vision ist es, einen strukturellen Wandel in der Schweiz herbeizuführen, bei dem Wiedereinsteigende mehr wertgeschätzt werden und als wertvolles Arbeitspotential anerkannt werden. Dies kann nur dann geschehen, wenn die Arbeitgeber das Potential und den Mehrwert von Wiedereinsteigenden sehen. So haben wir Anfangs Jahr den gemeinnützigen Verein CRN – Companies & Returnships Network für Arbeitgeber gegründet. Vereinsziel ist es, Wiedereinstiegsprogramme in der Schweiz nachhaltig zu verbreiten.

Wie kommen eure Ideen bei Firmen an?

Wir freuen uns, dass viele spannende Unternehmen mit uns auf diese Reise aufgebrochen sind und stetig neue dazu kommen. KMUs und Grossunternehmen wie Kaufmann Rüedi Rechtsanwälte AG, Pratt & Whitney Aero Engines International GmbH, Roche Diagnostics International AG, Schindler Aufzüge AG, Sunrise Communications AG und SwissRe haben gemeinsam mit uns den Verein gegründet. Diese Konzentration auf Arbeitgeber ist einzigartig für die Schweiz. Systematisch wollen wir sie unterstützen, Knowhow und Programme für den Wiedereinstieg aufzubauen. Auch sensibilisieren wir sie für den Mehrwert von «supported Hire», eine spezielle Art des Wiedereinstiegs, bei dem man zwar sofort eine Feststelle annimmt, in den ersten Monaten des Wiedereinstiegs aber zusätzlich Unterstützung erhält. Denn wir sind überzeugt: viele Wiedereinsteigende sind ready für den Wiedereinstieg und brauchen nur die Möglichkeit.

Wie entwickelt sich euer Projekt weiter?

Bereits während der Pilotphase des Projekts kamen die teilnehmenden Arbeitgeber mit dem Wunsch auf uns zu, einen direkten Zugang zu fähigen Wiedereinsteigenden zu erhalten. So haben wir ReturnersWork lanciert: einen Hub für Wiedereinsteigende. ReturnersWork vernetzt rückkehrwillige Personen untereinander, begleitet sie auf ihrem Weg des Wiedereinstiegs und bringt sie mit interessierten Arbeitgebern zusammen. Wir hoffen mit diesen Dienstleistungen Chancen für Wiedereinstiegende zu schaffen und ihnen Jobs zu vermitteln, bei denen sie wertgeschätzt werden.

Lohnen sich eure Bemühungen?

Wir hoffen es! Bisher haben wir sehr viel Zeit und Energie investiert, zu einem grossen Teil auch ehrenamtlich. Wir freuen uns, dass wir stetig mehr Arbeitgeber überzeugen können unsere Vision einer Schweiz, in der Arbeitgeber Wiedereinsteigende wertschätzen und rekrutieren, zu unterstützen. Aber wir sind erst am Anfang der Reise. Jede Person zählt, die uns auf dieser Reise unterstützt.

Wo hapert es noch am ehesten – an den Unternehmen oder an den Returners?

Ich glaube, wir stehen vor strukturellen Herausforderungen. Dies ist ein äusserst komplexes Thema, das ein konzertiertes Vorgehen der verschiedenen Interessengruppen erfordert. Erstens müssen Unternehmen flexiblere Arbeitsmodelle auf allen Hierarchiestufen schaffen und Entwicklungsmöglichkeiten auch für Menschen mit Teilzeitarbeit bieten. Die Erhöhung der Verfügbarkeit von Teilzeitarbeit und anderen flexiblen Möglichkeiten (z.B. Jobsharing, Home Office) wird dazu beitragen, den Pool an Talenten zu erweitern, auf den Arbeitgeber zugreifen können, was auch Wiedereinsteigende einschliessen würde. Die meisten Wiedereinsteigenden haben weiterhin familiäre Verpflichtungen und eine flexible Arbeitsregelung würde die Arbeitsmarktbeteiligung einer ansonsten untervertretenen Bevölkerungsgruppe erhöhen.

Müssen die Rekrutierungsprozesse neu definiert werden?

Ja. Arbeitgeber und Personalvermittler sollten mehr auf das Potenzial von Bewerbenden fokussieren und nicht-linear verlaufenden Lebensläufen eine Chance geben. Dies bedeutet einen massgeschneiderten Rekrtutierungsprozess, z.B. mit einer angepassten Stellenanzeige, ohne den Einsatz von Bewerber-Management-Software sowie einen angepassten Bewertungs- und Interviewprozess mit Fokus auf das Potenzial.

Weshalb ist es wichtig, dass möglichst viele Menschen an eurer Umfrage mitmachen?

Nur wenn die Umfrage repräsentativ ist, wird sie das Gewicht haben, damit Öffentlichkeit und Arbeitgeber die Resultate auch wirklich ernst nehmen. Sie ist ein Weg, um die Sichtbarkeit von Wiedereinsteigenden, aber auch von ihren Bedürfnissen und Wünschen zu erhöhen.

Umfrage «beruflicher Wiedereinstieg»

Bist du wiedereingestiegen oder möchtest wiedereinsteigen? Dann nimm doch gleich an der Umfrage teil und gewinne mit etwas Glück ein Weekend im traumhaften 5-Stern Hotel Waldhaus Sils. Die Umfrage dauert maximal 10 Minuten und ist anonymisiert. Hier geht’s zur Umfrage.

Was dürfen Returners von der ersten Wiedereinstiegsmesse erwarten?

Viel Inspiration, aber auch ganz viel Konkretes. Sie lernen die Unternehmenskultur von Arbeitgebern kennen, die Wiedereinsteigende wertschätzen. Zudem erhalten sie von erfahrenen Coaches Tipps & Tricks für einen erfolgreichen Wiedereinstieg. Und jene, die bereit sind zum Wiedereinstieg, haben die Möglichkeit an den Speedmeetings mit den Arbeitgebern direkt zu interagieren. Last but not least: Fun und ein Netzwerk unter Gleichgesinnten.

Vielen Dank, Evelin und Anina, für das interessante Gespräch und weiterhin viel Erfolg bei eurem engagierten Tun!


Evelin Bermudez und Anina C. Hille – Gründerinnen von ReturnersWork.

Evelin Bermudez ist ein «social entrepreneur» mit einer Leidenschaft für Integration, Diversität am Arbeitsplatz und die Wiedereingliederung von Frauen in die Arbeitswelt. Sie hat mehrere internationale Entwicklungsprojekte geleitet und mit zahlreichen Regierungen, Unternehmen und gemeinnützigen Organisationen zusammengearbeitet. Sie ist Co-Gründerin von ReturnesWork.

Anina Hille ist promovierte Ökonomin mit langjähriger Erfahrung in Praxis und Akademie. Sie lehrt und forscht an der Hochschule Luzern und leitet verschiedene Projekte in Kooperation mit Industrie, Verbänden und Bund zum Thema Arbeitsmarkt und Diversity. Sie ist Co-Gründerin von ReturnersWork.

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