Familienleben

Tischregeln und Tischmanieren: Der Struwwelpeter und der Röstigraben

Tischregeln und Tischmanieren in Schweizer Familien
Welche Tischmanieren und Tischregeln gelten in Schweizer Familien?

Supenkaspar, Struwwelpeter und Zappelphilipp

Wer kennt sie nicht? Die Geschichten um den Suppen-Kaspar, der sich weigerte, seine Suppe zu essen, immer dünner und dünner wurde und am Schluss vor Hunger starb? Oder die Geschichte des Zappelphilipps, der am Tisch nicht still sitzen konnte und ständig mit dem Stuhl schaukelte,  bis er umfiel und die ganze Tischdecke nebst dem Geschirr zu Boden riss?

Tischmanieren in der Familie

In beiden Geschichten geht es – nebst Hyperaktivität und Essensverweigerung – auch um Tischmanieren. Und da wir gestern Abend beim Nachtessen mit den Buben über Tischmanieren diskutiert haben, bin ich der Sache nachgegangen und wollte wissen, wie es heute um Tischmanieren steht.

Beim Recherchieren bin ich auf eine interessante Studie aus dem Jahr 2010 gestossen, die zusammenfasst, welche Tischregeln in Schweizer Haushalten mit Kindern gelten:

  • In 80% der Haushalte fangen alle gleichzeitig mit Essen an.
  • In 63% der Haushalte müssen die Kinder essen, was auf den Tisch kommt.
  • In 53% der Haushalte müssen die Kinder sitzen bleiben, bis alle fertig gegessen haben.
  • In 30% der Haushalte helfen die Kinder beim Auf- und Abdecken mit.
  • In 28% der Haushalte bekommen die Kinder nur Dessert, wenn der Teller leer gegessen wurde.
  • In 23% der Haushalte müssen die Kinder alles essen, was auf dem Teller ist.
  • In 21% der Haushalte schöpfen sich die Kinder selber.
  • In 13% der Haushalte läuft das Radio während des Essens.
  • In 12 % der Haushalte wird vor dem Essen ein Tischlied oder Gebet vorgetragen.
  • In 4% der Haushalte hilft das Kind beim Kochen mit.
  • In 4% der Haushalte läuft der TV während des Essens.

Interessant sind die Unterschiede zwischen der Deutsch- und der Westschweiz:

  • In der Westschweiz müssen Kinder nicht nur deutlich öfter essen, was auf den Tisch kommt,
  • sondern auch deutlich öfter alles aufessen, was im Teller ist
  • und bekommen deutlich weniger Dessert, wenn sie ihre Teller nicht aufessen als Kinder in der Deutschschweiz.
  • Zudem schöpfen sich Kinder in der Westschweiz deutlich weniger oft selber ein als Kinder in der Deutschweiz.
  • Dafür läuft während des Essens in der Westschweiz der Fernseher signifikant öfter als in der Deutschschweiz,
  • wo aber dafür deutlich öfter der Radio während des Essens läuft als in der Westschweiz.
  • Auch wird in der Deutschschweiz deutlich öfter vor dem Essen ein Tischlied gesungen oder ein Tischgebet gesprochen als in der Westschweiz.

Diesen kulturellen Unterschied zwischen den beiden Röstigrabenseiten kenne ich übrigens aus persönlichen Kindheitserfahrungen – die lateinischen Tischsitten sind offenbar nicht nur etwas autoritärer, sondern vor allem auch durch das ständige Laufen des Fernsehers geprägt…

Was ich allerdings an Regeln noch vermisse, sind Dinge wie:

  • Vor dem Essen auf die Toilette gehen.
  • Die Hände vor dem Essen waschen.
  • Aufrecht sitzen, nicht schmatzen und schlürfen.
  • Nicht zu gierig essen und trinken, aber auch nicht trödeln.
  • Nicht mit dem Essen spielen.
  • Versuchen, mit Messer und Gabel zu essen.
  • Es wird probiert, was auf den Tisch kommt, aber wieviel man davon essen will, entscheidet grundsätzlich jeder selber.

Wie habt Ihrs mit Tischregeln? Welche kennt Ihr bei Euch zu Hause? Welche überraschen Euch? Kennt Ihr ebenfalls kulturelle Unterschiede?

Quelle: Coop-Studie Ess-Trends im Fokus „Ernährungsalltag mit Kindern“, 2010

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19 Kommentare

  • Bionic Hobbit
    9. Januar 2012 at 17:50

    Bei uns gilt nur
    1. Mama kann lauter schreien
    2. Wenn Mama nicht mehr lauter schreien kann, nimmt sie den Teller und isst irgendwo anders

    🙂

  • Rita Angelone
    9. Januar 2012 at 17:57

    @Bionic: … in letzter Zeit habe ich mehrmals gedroht, dass ich auch einfach irgendwo anders hingehe um zu essen. Ich dachte, das sei jetzt gar ein wenig brutal, aber wenn du es auch machst, dann mache ich es nächstes Mal auch!

  • Gaby
    9. Januar 2012 at 18:51

    Uahaha, ihr beiden gefällt mir! Macht ihr davon dann auch einen Blogeintrag :-)))?
    Irgendwie hat sich die Essenssituation bei uns schon sehr entschärft (Mädels 7 und 9), es besteht also auch für euch beide noch Hoffung!
    Lg, und ein schönes und ruhiges Nachtessen (bei uns schon vorbei!)
    Gaby

  • Rita Angelone
    9. Januar 2012 at 20:03

    @Gaby: Wenn wir uns alle zusammen tun, dann könnten wir Geschichten aufschreiben und verfilmen lassen, die weit besser wären als Desperate Housewifes & Co.!

  • Gaby
    9. Januar 2012 at 20:45

    Meine Lieblingssendung!! Eben geguckt………. oh wie seh ich mich in all den Figuren wieder :-))

  • Katharina
    9. Januar 2012 at 21:25

    Hab‘ mich heute gerade gefragt, ob ich dem Kurzen den Teller über den Kopf stürzen darf oder nicht. Aber entschieden habe ich mich dann für das ach so antiautoritäre „geh‘ bitte in dein eigenes Zimmer rumgöissen und komm wieder, wenn du fertig gegöisst hast, Papa und ich wollen jetzt in Ruhe essen“ gefolgt von einem eben so antiautoritären „himmelarschundzwirnjetztreichtsabergibtssjetztendlichmalruhegopfridstutz“ von Seiten des männlichen Erziehungsberechtigten.
    Wann ist eigentlich der Höhepunkt des Trotzens erreicht?

  • Rita Angelone
    9. Januar 2012 at 21:58

    @Gaby: Wir sind eben „every woman“!!! (war doch mal ein Lied von Whitney Houston). Ich sehe mich auch in allen Figuren wieder – und ich schaue die Serie auch extrem gerne!

  • Rita Angelone
    9. Januar 2012 at 22:00

    @Katharina: Einem Kind mit einem Gips musst du gaaaaaaanz viel Geduld entgegen bringen, meine Liebe. Sicher nicht den Teller auf den Kopf schlagen. Gopfertelinocheinmal.
    Ach, wie wir das kennen…!
    Lewis ist doch 2 1/2, oder? Dann startet die Trotzphase doch erst, oder?
    Jesses.

  • Nicole
    10. Januar 2012 at 06:40

    @Desperate Housewives: Yeah! War gestern abend weg, weswegen ich dann die Sendung heute während des hoffentlich stattfindenden und hoffentlich zeitlich mit Nandos Kindergartenzeit zusammenliegenden Mittagsschlafs von Carmen schauen möchte. Wenn nicht, dann werde ich desperate und kann die Sendung erst am Abend schauen.
    @Kat: Wenn du das mit dem Teller über den Kopf stürzen gemacht hättest, dann hättest du es gleich danach bereut, denn zum einen hättest du dann das arme Kind gleich duschen müssen und ihm auch noch die Haare waschen, was alles mit Gips wohl nicht so einfach ist und dann hättest du ihm noch ein Ersatzessen machen müssen…..
    @Woanders essen: Da reisse ich mich immer brutal zusammen, um das nicht anzudrohen und eben auch nicht zu machen, denn ich kann doch nicht von den Kids verlangen, am Tisch sitzen zu bleiben und dann selber aufstehen…. Und wenn ich das machen würde, dann würde zumindest Nando es mir nachtun, wenn ihm dann mal was nicht passt, und dann müsste ich noch den Kids mitsamt Tellern und wohl irgendwann runterlaufendem Essen nachlaufen….. Wäh, nein….
    @Tischregeln: Ich habe Gastronomen-Eltern, und so bin ich mit grosser Tischsitten-Beachtung aufgewachsen und gebe das auch den Kids weiter. Ist derzeit manchmal sehr anstrengend, aber mir ist das einfach enorm wichtig. Was mir in den Listen oben noch fehlt: Die Hände gehören während des Essens auf den Tisch, und das Messer wird nicht in den Mund genommen (leider machen das Oma und Opa, und das macht es nicht einfacher…..)

  • Rita Angelone
    10. Januar 2012 at 06:55

    @Nicole: Hoffentlich kommst du dazu, die Sendung zu schauen heute!
    @Tischregeln: stimmt, auch diese gehören auf die Liste!

  • SomeintPhia
    10. Januar 2012 at 07:43

    Uhhh, das Göissen! Vornehmlich verwendet, wenn Ma dem Pa oder Pa dem Ma was erzählen will. In solchen Momenten könnte man die Stimmbänder rausreissen .. 😉

  • Rita Angelone
    10. Januar 2012 at 09:23

    @SomeintPhia: …. nanana… was für böse Eltern wir doch irgendwie sind, dass wir solches Verhalten am Tisch nicht dulden…

  • Bionic Hobbit
    10. Januar 2012 at 17:07

    Katharina,
    abgesehen von der Schweinerei, die dabei eintsteht, wäre vielleicht das Teller-über-den-Kopf-giessen mal echt eine Alternative: ich kann mir gut vorstellen, dass es da 2.345 Sekunden lang gaaaanz still ist.
    Ja, ich schäme mich des öftern wegen der schlechten Tischmanieren meiner Zwerge, allerdings haben diese nicht oberste Priorität in diesem Alter.

  • Rita Angelone
    11. Januar 2012 at 06:54

    @Bionic: natürlich müssen die Kinder zuerst einmal ein Alter erreichen, wo sie Tischmanieren überhaupt lernen können – einverstanden!

  • Andrea Mordasini, Bern
    17. Januar 2012 at 22:59

    Obwohl uns Eltern gutes Benehmen wichtig sind, halten wir persönlich nichts von zu vielen Regeln. Da sind uns ein paar wenige lieber, die wir konsequent durchsetzen oder es zumindest versuchen ;). Auf der einen Seite liegen uns Tischmanieren am Herzen, auf der anderen Seite sollte das gemeinsame Essen Genuss und Lust sein ohne Schimpfen und Machtspiele. Meine beiden Kindern sind mit knapp 5 und bald 3.5 noch sehr klein und doch gibts bei uns einige Regeln: es wird nicht rumgeturnt, rumgeschrien und schon gar nicht mit dem Essen gespielt. Wird das Essen als Wurfgeschoss missbraucht, hat das Kind folglich keinen Hunger: der Teller mitsamt Inhalt kommt als logische Konsequenz weg, Hunger hin oder her. Es gibt daraufhin höchstens ein Stück Brot oder eine Frucht, aber ganz bestimmt kein Güetsli, Schoggi, Glace. Da sind wir streng. Von den Kindern erwarten wir nicht, dass sie am Tisch sitzen bleiben, und dies noch ruhig dazu, bis beide Elternteile mit Essen fertig sind. Diese Warterei ist für so kleine Kinder eine Zumutung und sehr anstrengend! Sie dürfen vom Tisch, sobald BEIDE Kinder satt sind. Wir versuchen möglichst mit gutem Beispiel und als gutes Vorbild voranzugehen, damit unsere Kinder direkt von uns lernen und uns unsere Verhaltensweisen kopieren – nicht nur die schlechten :). Naja, so übel haben wir es bis jetzt glaub ich gar nicht mal hingekriegt… 😉

  • Rita Angelone
    17. Januar 2012 at 23:41

    @Andrea: ich stimme dir zu, dass es vor lauter Regeln am Schluss gar keine Genuss mehr ist, am Tisch zu sitzen und je kleiner die Kinder, umso mehr muss man aufpassen, dass man nicht Dinge von ihnen verlangt, die sie gar nicht einhalten können.Unsere Buben sind beide je ein halbes Jahr älter als deine und es gelten in etwa dieselbe Regeln wie bei Euch. Und so übel machen sies auch nicht 🙂
    Weiter so also und… auf bald wieder! Ich freue mich immer über deine Kommentare!

  • Jane
    18. Mai 2012 at 19:42

    Finde ich unverschämt wenn mann während dem essen aufs klo muss ! Super!

  • anja
    24. Oktober 2018 at 13:35

    ich finde am tisch sieht man schön…. sitzen ist ungesund und ein junger körper merkt das noch und kann es nicht lange… essen ohne hände ist ein sinneseindruck weniger, den kinder sich noch wünschen, weil sie kulturell noch nicht so auf besteck getrimmt wurden… tja ich versuche natürlich auch das zusammensitzen zu fördern und das schön essen, aber im hinterkopf weiss ich auch, das das lediglich ein gesellschaftlicher druck ist, der gegen den körper des menschen ist. selten, aber halt auch mal werf ich alles über bord, bzw. wir essen auf einer pic-nic decke am boden aus einer schüssel. das ist dann sehr entspannt. 🙂

  • Rita Angelone
    3. November 2018 at 16:29

    Liebe Anja, danke für deine Sicht der Dinge!

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