Unsere liebe und langjährige Bloggerkollegin Tamara von mamamal3 macht den Start in unserer diesjährigen Runde der sommerlichen Bühne frei–Serie und berichtet über die schulischen Herausforderungen, mit welchen sie und ihr Sohn (und die ganze Familie) sich derzeit konfrontiert sehen. Ihr offener und ehrlicher Beitrag stimmt nachdenklich.
„Seit 2 Jahren habe ich ein Schulkind. Und hab‘ mich damals, als es soweit war, und mein Erstgeborener in die Schule kommen sollte, nur auf meine eigenen Erfahrungen berufen. Die Primarschule habe ich als „Klacks“ in Erinnerung. Ich war eine gute Schülerin mit guten Noten. Das einzige, was mir allenfalls zu schaffen machte, war, dass ich nicht gerade oben auf der Beliebtheitsskala stand in der Klasse. Doch, ich hatte schon Freunde, aber ich war halt nicht die Klassenschönheit, sondern die Brillenschlange… Also machte ich mir am ehesten Sorgen darüber, dass mein sensibler Sohn vielleicht auch tendenziell ein Aussenseiter würde. Die Sorgen waren unbegründet. Stattdessen sah ich mich bald mit Schlimmerem konfrontiert, mit dem ich bis heute nur schlecht umgehen kann und auf gute Tipps angewiesen wäre: Mein Sohn bekundete rasch Mühe mit den Hausaufgaben und dem Lernen. Anfangs setzte er sich selbstständig an die Hausaufgaben, kaum war er zuhause, und war rasch fertig damit. Ich dachte: So soll es sein! Aber bald machte sich bemerkbar, dass er sich, im Gegensatz zu manchen (vielen?) Kindern, nie für Buchstaben etc. interessierte, während seine kleine Schwester z.B. schon jetzt vor Schuleintritt fast alle Buchstaben und vermutlich auch Zahlen kennt, weil sie sich damit auseinander gesetzt hat – aus eigenem Antrieb und das ist gut so und auch der Grund, warum ich meinen Sohn nicht damit quälte.
Die ganze Familie leidet darunter
Ich bin kein Fan davon, den Kindern schon möglichst früh Druck zu machen. Wir hatten natürlich entsprechende Bücher und Hefte hier, aber anderes interessierte ihn einfach mehr. Ich selber las früher Buch um Buch. Nun zog also die Intensität in der 1. Klasse bald an, Buchstabe um Buchstabe kam dazu und die ersten Sätze sollten gelesen werden. Er tat sich sehr schwer damit. Ich konnte es nicht fassen, ich las bereits in der Primarschule Buch um Buch… Ihn täglich zum Lesen zu animieren, war jedoch vergebliche Liebesmüh… Aber irgendwann fiel hier der Groschen und heute ist es längst nicht mehr das Lesen, das Mühe bereitet. Er verschlingt zwar noch keine Bücher wie ich damals, aber er steckt seine Nase zumindest täglich in irgendeins dieser Wissens-Bücher mit vielen Bildern. Ich muss hier einfach noch lernen, dass mein Kind anders ist als ich, was ja irgendwie logisch ist… Aber ebä, es gibt da eine schlimme Baustelle, die sich bei mir erst nach der Primarschule am Gymi zeigte, und bei ihm wohl schon jetzt: das Unvermögen, mit Zahlen umzugehen. Ich verstand am Gymi vor allem gegen den Schluss hin nur Bahnhof. Und mein Sohn kämpft bereits jetzt mit dem 1 x 1. Nun war ich damals aber gelassen und dachte irgendwann, „so what!?“. Die anderen Noten waren ja gut. Mein Sohn aber kämpft mehr noch mit sich als mit den Zahlen. Und die ganze Familie leidet darunter.
Er blockiert sich selber
Er kam mittags, wenn er Mathe-Hausaufgaben hatte, schon mit einem unterirdischen Lätsch nach Hause. Er setzte sich hin und fluchte, den Tränen nah. Wie schwierig die „Husi“ sei, dass er es nicht könne, dass seine Schwester ihn dabei störe und und und. Er blockierte sich selber. Und das Schlimmste: Er liess sich auch nicht von mir helfen! Wollte ich auch nur ansetzen, ihm einen Lösungsweg aufzuzeigen, unterbrach er mich. Wir hatten also regelmässig um die Mittagszeit herum ein Riesen-Puff! Für ihn ein halber Weltuntergang, für uns Eltern Stressfaktor pur. Gleichzeitig sollte ja auch noch das Mittagessen finalisiert werden und ein Kleinkind war auch noch da… Gottlob isst mein Mann mittags meistens zuhause und gottlob liess er sich wenigstens von ihm ansatzweise helfen.
Mit den Noten wächste der Druck
Es mag jetzt seltsam klingen, aber es herrschte, bis sich der Sohn beruhigte, hier wirklich immer ein grosses Drama! (Und, nein, es ist kein Thema, das Ganze auf den Abend zu verlegen, da ich erstens ein freiwillig sich an die Hausaufgaben setzendes Kind nicht davon abhalten will und zweitens die Abende von keinem mehr die erforderliche Konzentration bringen 😉
Mit den Noten wuchs der Druck – auch bei uns Eltern. In der 2. Klasse wurden auch die Noten eingeführt und die ersten Prüfungen angekündigt. Das machte das Ganze nicht besser. Mein Sohn setzte sich selber noch mehr unter Druck, sah aber nicht ein, dass er abgesehen von den Hausaufgaben nun auch noch mit uns lernen sollte. Meinem Mann war das wichtig. In der Primarschule schon mit 3en nach Hause kommen, wie soll das weitergehen? Ich hab‘ da immer Gottvertrauen und denke, er macht seinen Weg, aber natürlich wollten wir ihm auch ersparen, die Klasse wiederholen zu müssen… Aber mein Sohn, der war zu beschäftigt zum Lernen, der musste Lego spielen oder draussen, und ich selber gewichtete das innerlich auch als wichtiger für seine Entwicklung, fing an, das Schulsystem zu verfluchen, dass es einen 8-Jährigen schon so massiv unter Druck setzt. Hätte ich mich vielleicht doch eher mit Un- oder Homeschooling beschäftigt, wovon man immer wieder liest, aber ich bin sicher, ich könnte das nicht stemmen, mal abgesehen von der gesellschaftlichen Ächtung und dass mein Mann sicher komplett dagegen gewesen wäre. Oder hätten wir das Budget für eine Alternative Schule hier in der Gegend, aber das hatten wir natürlich nicht, es stand nie zur Debatte.
Die Kinesiologin kann kurzfristig helfen
Man kann ein Kind, das nicht willig ist, zu lernen, nicht zwingen… Mein Mann machte uns Vorwürfe, das Klima in der Familie litt… Ich wollte nicht stundenlang recherchieren oder nachfragen, wie andere damit umgehen. Es ist relativ klar, dass ich dann von 10 Personen 10 verschiedene Ansätze gehört hätte. Ich fragte also nur die Lehrerin. Sie empfahl mir den Besuch bei einer Kinesiologin und da eine Freundin diesen Beruf ausübt, hatten wir ein paar Sitzungen bei ihr. Sie war sogar so lieb und kam 2-3 Mal zu uns, da ein Termin bei ihr daran scheiterte, dass mein Sohn partout das Auto nicht verlassen wollte. Ich hatte ein schlechtes Gewissen, fragte mich wieder, warum man ein Kind nicht Kind sein lassen kann und wie ich ihm denn nur den Druck nehmen kann. Die paar Termine mit der Kinesiologin zeigten zwar kurzfristig Erfolge, aber bald darauf stellte sich bei ihm wieder der alte Trott ein.
Kaum Feedback aus der Schule
Vor den Sommerferien war dann das kleine 1 x 1 durch, die letzten Wochen waren ruhig, ohne Prüfungen und die Hausaufgaben machte er weitestgehend wieder allein, fragte ein paarmal um Rat, wurde aber auf der Stelle zornig, wenn ich sie kontrollieren wollte. Von der Lehrerin kam ausserhalb der 2 Elternsprechtage jährlich kein Feedback… Ich will nicht ständig nachhaken, wie es läuft, ob er viele Fehler hat, sie kontrolliert ja, wie ich annehme, die Hausaufgaben, trotzdem wäre ich froh um einen regelmässigeren Austausch. Man geht davon aus, dass, wenn man nichts hört, alles gut ist. Aber vielleicht hat die Lehrerin auch einfach keine Zeit, um sich ständig mit über 20 Elternteilen auseinanderzusetzen?
Nächste Klasse, neue Lehrperson
Die 3. Klasse steht nun vor der Tür und damit auch der Wechsel der Lehrperson – sehr zum Leidwesen meines Sohnes, der seine Lehrerin überaus gerne hatte. Ich bin gespannt und natürlich auch ein wenig besorgt, wie es weiter geht. Spätestens in der 4. Klasse, so heisst es, wird das Tempo angezogen. Und abgesehen davon startet im Sommer unser 2. Kind mit der Schule. Da sie aber, wie schon erwähnt, bereits einen kleinen Wissensvorsprung hat, bin ich wiederum unbesorgt. Ich hoffe zurecht…
Wie kann ich einschätzen, wo ich als Mutter aktiv werden muss?
Liebe Die Angelones-LeserInnen, ich bin sicher, ich spreche hier viele Eltern von Schulkindern an, wie ist das bei euch? Habt ihr auch ein oder mehrere Kinder, die sich schwer tun? Was hat euch geholfen? Und zwar nicht nur dem Kind, sondern auch euch, um ruhig zu bleiben und zu wissen, wo ihr wirklich unter die Arme greifen müsst und wo ihr getrost sagen könnt, dass Spielen jetzt Priorität hat? Vielleicht erhalte ich hier ja doch ganz viel wertvollen Input.“
Tamara Beck ist Bloggerin bei Mama mal 3, lebt mit Mann und Kindern in der Ostschweiz und hat ab August zwei Schulkinder zuhause. Sie weiss jetzt, das kleine Kinder kleine Probleme mit sich bringen und grössere eben grosse. Bei den Hausaufgaben fängt es an, beim Lehrabschluss hört es dann vielleicht irgendwann auf 😉 Wenn Tamara Beck nicht bloggt oder als Journalistin/Texterin unterwegs ist, pflegt sie mit viel Herzblut ihr Projekt „Nestwärme“ für eine bindungsorientierte Elternschaft. In ihrer spärlichen Freizeit powert sie sich am liebsten beim Sport aus. Andere Hobbies hat sie für die nächsten paar Jahre erstmal aus Zeitmangel auf Eis gelegt.
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