Die einzelnen Schritte der kindlichen Entwicklung habe ich beim Grossen anfänglich akribisch verfolgt: aus Büchern kannte ich jede Entwicklungsstufe und wartete gespannt auf deren Eintreten. Vom Drehen übers Krabbeln bis hin zum Laufen – allem schenkte ich grosse Beachtung.
Mit der Geburt des Kleinen galt meine Aufmerksamkeit nicht mehr nur ihm. So ertappte ich mich, dass ich einige seiner Fortschritte erst registrierte, als diese schon lange eingetreten waren. Gleichzeitig stellte ich fest, dass Ratgeber sich nur mit der Entwicklung im ersten oder im besten Fall vielleicht bis zum dritten Jahr befassen. Ich führte dies darauf zurück, dass die Entwicklung nach diesem Alter wohl nicht genügend interessanten Stoff für einen Bestseller hergab. Dabei geschehen noch täglich kleine Wunder, die zwar nicht so auffällig sind wie das erste Wort oder der erste Schritt, die aber einen bei der beiläufigen Wahrnehmung genau so verblüffen.
So staune ich derzeit nicht nur über neue Legokonstruktionen des Grossen, die deutlich als Schiffe oder Werkzeuge erkennbar sind, sondern auch über neue motorische Fähigkeiten. Wem ist bewusst, dass Kinder erst lernen müssen, mit beiden Beinen gleichzeitig zu springen? Und was für eine Herausforderung, dies auch noch auf nur einem Bein zu tun? Zu sehen, dass der Grosse nach missglückten Versuchen im Turnen offenbar heimlich geübt hat und nun überall ein- und zweibeinig rumhüpft, hat mich berührt. Und als er mir demonstrierte, dass er nun auch den «Flieger» stehen und wie der «Hampelmann» springen kann, war ich gar zutiefst gerührt: «Oh Bueb, wie bisch du gschwind gross und guet wordä!»
Doch dieser emotionale Höhenflug war nicht von langer Dauer: «Gäll, Mamma, scho glii chan ich sälber mit em Auto fahre!» Und so wurde ich schlagartig in die Realität zurückversetzt, wo kindliche Fortschritte ab drei wohl deshalb nicht thematisiert werden, weil sie diesen Dreikäsehochs nur in den Kopf steigen!
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