Apps sind in, Apps können nützlich sein, zum Teil sehr sogar. Nun bin ich aber auf eine Anwendung gestossen, die mich stutzig macht. Man lädt ein Foto von sich hoch und wählt eine Handlung aus, die man gerne ausführen möchte, wenn man auf einen anderen Menschen trifft, der dieselbe Anwendung mit derselben Handlung benützt. So kann man „Umarme mich!“, „Sag mir, dass ich schön bin!“ oder „Gib mir dein Geld!“ wählen. Sobald ein anderer App-Anwender in der Nähe ist, bekommt dieser eine Nachricht mit dem Foto und der gewünschten Aktion. Im Idealfall kommt jemand auf einen zu, der einen umarmt, sagt, dass man schön ist oder einem sein Geld gibt. Super, nicht?
Die App soll eine niederschwelllige Möglichkeit für Begegnungen schaffen und den Alltag mit einem unvorhersehbaren Nervenkitzel versehen. Erste Kommentare von Anwendern: „Was für eine lustige Idee, mit dieser App kann alles nur noch besser werden!“ „Wirklich aufregend, hatte soeben meine erste Begegnung mit einem hübschen Kerl!“
Kurz bevor ich von dieser App las, ist in der S-Bahn ein Mann von drei Jugendlichen brutal angegriffen worden, ohne dass jemand von den Anwesenden eingegriffen hat. War diese Situation nicht niederschwellig genug, um aktiv zu werden?
Wie ist es möglich, dass einerseits der Wunsch besteht, spannende Begegnungen zu machen und dabei einen „Kick“ zu erleben, andererseits eine Realität herrscht, in der alle lieber wegschauen, wenns um Zivilcourage geht? Wieso bedürfen die einen einer App, um aufeinander zuzugehen, wo andere – wie Dler Mostafa, Held des Alltags – dies aus innerer Überzeugung tun? Und hätte es dem S-Bahn-Opfer etwas gebracht, wenn er diese App selbst angewendet und als Handlung „Helfen Sie mir!“ gewählt hätte? Und selbst dann, wäre er auch ein genug hübscher Kerl gewesen, um eine Begegnung spannend genug zu machen?
Ist es am Ende am besten, dass jeder einfach die REGA-App auf sein iPhone lädt, weil diese die einzige Instanz ist, auf die noch Verlass ist?
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