Habe ich Respekt vor einer Mutprobe, will ich mir keine Blösse geben. Erst recht nicht, wenn andere cool wirken und ich glaube, die einzige zu sein, die weiche Knie hat. Dann fange ich an, Mut vorzutäuschen und lege Galgenhumor an den Tag. Meist ist es Gruppendruck, der mich in solche ausweglosen Situationen bringt, noch häufiger aber sind es meine Jungs…
Ob beim Ski- oder Velofahren, beim Rodeln oder im Seilpark – immer wieder würde ich am liebsten zum Vorneherein kneifen, tue es aber doch nicht. Als dickköpfige Mamma mag ich das Gesicht nicht kampflos zu verlieren! Schlimm genug, ständig hören zu müssen, ich sei die Langsamste in allem. Absolviere ich gewisse Mutproben gar nicht mehr, bin ich definitiv weg vom Fenster. Ausserdem ist es pädagogisch unklug, die eigenen Ängste auf die Kinder zu übertragen.
Umso entlastender sind die – allerdings sehr seltenen! – Situationen, in denen ich meine Jungs dabei ertappe, wie auch sie ihre Ängste bagatellisieren. Längst sind sie aus dem Alter heraus, wo sie einfach zugaben, Angst zu haben und eine ungeliebte Aktivität, die etwas Mut erforderte, verweigerten. Heute wollen sie cool sein und tun demnach genau dasselbe wie ich: Sie überspielen ihre Unsicherheiten und hoffen, dass es niemand merkt. So geschehen dieses Wochenende im Tessin, als ich hinter den Jungs über eine 270 Meter lange und schwingende Hängebrücke tappste und nur mit zugekniffenen Augen wagte, zwischen meinen Füssen die 130 Meter nach unten zu schauen. Die grösste Plaudertasche in unserer Familie wurde vor mir subito ruhig. Und sehr langsam.
Und plötzlich fühlte ich eine Patschhand in meiner, die ausgerechnet bei mir, Schisshäsin par excellence, nach Halt und Sicherheit suchte! Fazit: Schisshasen wären selten alleine und könnten sich gegenseitig wunderbar unterstützen – wären sie nur von Anfang an ehrlich zueinander!
immer mittwochs im Tagblatt der Stadt Zürich
Wer ist der grösste Schisshase in euer Familie?
7 Kommentare
Andrea
11. April 2018 at 08:23Das kenne ich nur zu gut, ich bin so froh das ich im Klettergarten den Job ergattert habe bei unserem jüngsten unten mitzulaufen und nicht mit in die höhe muss
Nadja W.
11. April 2018 at 09:32Als ich auf Insta Deine Hängebrücke Storie gesehen habe musste ich schmunzeln 🙂 Ich weiss wie Du Dich gefühlt haben musst… jaja wir schisshäsinen brauchen immer wieder unsere Jungs damit wir wenigstens zwischendurch aus unserem „Bau“ rauskommen gäll!
Eva
11. April 2018 at 14:21Hallo
meine jungs sind noch etwas kleiner und die Angst wird gut komuniziert. Ich hoffe sehr, dass das noch lange so bleibt.
Wäre es nicht wünschenswert, wenn man in der Familie die Gefühle zeigen kann, die man hat? Wo denn sonst?
Nicht das man darum kneift, etwas Mut ist gut. Sondern einfach kommuniziert: ich mach da langsam, ich fühle mich etwas unwohl, nicht so sicher oder so.
Oder geht das mit grösseren Kindern nicht mehr? wie siehst du das?
Liebe Grüsse Eva
Rita Angelone
11. April 2018 at 18:02Liebe Eva! Danke für deine Rückmeldung! Natürlich bin ich deiner Meinung: Innerhalb einer Familie soll man Gefühle zeigen dürfen! Das tun wir ja auch – sonst würde ich doch gar nicht so ironisch darüber schreiben! Es ist eine Kolumne und die ist immer ein bisschen überspitzt. Eine Prise Wahrheit und viel Humor und Ironie. Wir haben diesbezüglich eine gute Kultur. Dennoch: Es ist schon ein bisschen so, dass je älter die Jungs werden, sie hin und wieder versuchen, ein „Pokerface“ aufzusetzen. Wer kann ihnen dies verübeln? Ich mache das doch manchmal auch. Etwas vom Wichtigsten, was ich meinen Kindern mitgeben will, ist, dass sie sich nie unter Druck setzen lassen, immer auch selber entscheiden, wo ihre Grenzen sind. Und dazu stehen. Selbst, wenn sie doch tatsächlich einmal als Schisshasen von anderen ausgelachht würden.
sandra
14. April 2018 at 11:02solche situationen kennen wir nur zu gut!
welche brücke ist das und wo?
vielleicht unsere nächste mutprobe.
herzlich????
Alessandra
15. Juni 2022 at 07:20Liebe Rita
Vielen Dank für den Ausflug Tip! Ich habe diesen Post vor 4 Jahren gespeichert & letzte Woche haben wir es endlich geschafft, zum Ponte Tibetano zu wandern!
Einfach WOW! Sehr imposant wenn man davor steht & drüber läuft! Sehr empfehlenswert!
Cari saluti
Alessandra
Rita Angelone
15. Juni 2022 at 11:47Liebe Alessandra, deine Rückmeldung freut mich sehr! Ja, der Ausflug ist sehr schön und … unvergesslich. Es braucht tatsächlich etwas Mut, über den Ponte zu laufen. Aber es lohnt sich! Ich wünsche dir und deiner Familie alles Liebe und Gute, Herzliche Grüsse Rita