Wenn auch der Jüngste ins Pfadilager zieht
Es ist nicht das erste Mal, dass das Familienoberhaupt und ich ein Wochenende allein verbringen. Unsere Buben übernachten hin und wieder auswärts, allerdings meist bei den Nonni oder bei den Grosseltern, wo sie dieselbe Fürsorge und Liebe geniessen wie zu Hause. Und denselben Schutz. Vor allem denselben Schutz. Und auch das gleich gute und üppige Essen. Ausserdem verfügen sie über weiche, warme Betten und man kann jederzeit telefonieren und nachfragen, ob alles in Ordnung ist.
Lernen, los zu lassen
Wenn die beiden also zwischendurch bei unseren Eltern zu Besuch sind, kann ich sehr gut abschalten und die gemeinsame Zeit mit dem Familienoberhaupt geniessen. Nie wird mir langweilig, selten schaue ich auf die Uhr und überlege mir, was die Buben wohl gerade machen. So gut habe ich unterdessen gelernt abzuschalten, dass dabei manchmal sogar ein bisschen ein schlechtes Gewissen aufkommt.
Etwas Übung brauchen aber noch diese Tage und vor allem Nächte, die unsere Kinder irgendwo in der «schutz- und handylosen Fremde» verbringen, zum Beispiel in einem Pfadilager. Letztes Jahr erhielt ich mit der Teilnahme des Grossen an zwei solcher Lager einen ersten Vorgeschmack: Natürlich liess ich es mir nicht anmerken und versuchte, die Tage möglichst unbeschwert zu verbringen. Doch innerlich verbrachte ich die Zeit nur damit, Däumchen zu drehen, mit den Fingern nervös herumzuklopfen und zu warten, dass wir das fehlende Familienmitglied wieder abholen und – Vertrauen hin oder her – gesund und wohlauf nach Hause bringen durften.
Heuer fuhr nun auch der Kleine weg und hinterliess nicht nur ein zweites leeres Bett im plötzlich so überdimensionierten Haus, sondern nebst einem stechenden Schmerz in meinem Herzen auch unzählige Fragen in meinem Kopf: «Wird er genug zu essen bekommen, an der Nachtübung Angst haben, frieren, fest Heimweh haben?»
Man kann als Mutter noch so erprobt sein, noch so viel Vertrauen haben: Aber wenn der Jüngste in der Familie fehlt, dann fehlt einfach alles.
immer mittwochs im Tagblatt der Stadt Zürich
Wie erlebt ihr solche Tage und Nächte, in denen eure Kinder nicht zu Hause sind?
Weitere Beiträge zum Thema „Pfadi“, die wir bereits verfasst haben, könnt ihr unter nachfolgenden Links lesen:
- SOLA-Besuchstag: Blick hinter die Kulissen des Pfadi-Sommerlagers
- Jeden Tag eine gute Tat: Die Pfadi ist aktueller denn je
- Das Fresspäckli fürs Pfadilager: Energielieferant und Seelentrösterli zugleich
- Der Pfadi-Krawattenknopf
- Pfadi Family-Challenge: Von unternehmungslustigen Eltern und glücklichen Kindern
- Pfadilager: Erfahrungen fürs Leben
- Raben- oder Bärenmutter?
- Die Feuerprobe: Das Pfadilager wird zur Herzensodysse
- Pfadi Family-Challenge: Wir erschliessen die Schweiz
- Pfadi Family-Challenge: Wir bauen ein Freibad
- Elterliches Dilemma: Die Sache mit dem sanften Druck
- Pfingstlagerblues: Wenn auch der Jüngste weg ist
- Als Astronaut ins Wölfli-Pfingstlager
- Abschied tut weh
- Pfadi-Krawattenhalter aus Fimo
- Achterbahn der Gefühle
- Pfadilager: Worauf achten bei einem Kinderschlafsack
- Einmal Pfadi: immer Pfadi
1 Kommentar
Daniela
10. Juli 2020 at 17:10Liebe Rita,
ich lese nun alle deine Pfadi Berichte durch… Bei uns ist es nun soweit, nach dem ersten Pfila der Grossen (auch noch klein: 9) letztes Jahr, geht nun der Kleine (6.5) auch mit ins Sola als Wölfi….. Deine Achterbahngefühle sind bei mir nun total da…. Ich bin froh, geht es nun nicht nur mir so… Das tut gut! Merci für deine Beiträge!! Liebe Grüsse! Daniela