Als ich unlängst für den Grossen einen Krippenplatz suchte, gab es für mich nur zwei Kriterien, die die Wahl hätten beeinflussen können: die Erreichbarkeit und die Länge der Warteliste. Weitere Kriterien für eine „verantwortungsvolle“, „zukunftsorientierte“ und für die Kinder „erfolgsversprechende“ Evaluation waren mir nicht bekannt. So naiv war ich.
Selbst diese beiden Kriterien hatten letztlich keinen Einfluss auf meine Entscheidung, denn unlängst war man einfach nur froh, überhaupt eine Krippe zu finden.
Ginge ich heute auf die Suche, müsste ich mich wohl dem aktuellen gesellschaftlichen Diktat unterziehen, und eine „alles umfassende“ und „nachhaltige“ Nutzwertanalyse durchführen. Nicht nur haben im Quartier – kaum war der Grosse eingelebt – weitere Krippen ihren Betrieb aufgenommen, sondern ist der Dschungel der Auswahlkriterien ad absurdum gewuchert.
Es kommt längst nicht mehr drauf an, ob die Krippe einfach einen verfügbaren Platz hat und möglichst zu Fuss erreichbar ist. Nein, heute sucht man Krippen, die Säuglinge direkt nach dem Wochenbett aufnehmen, vorzugsweise morgens vor sechs und abends nach zwanzig Uhr und dies an 365 Tagen im Jahr.
Sind diese Muss-Kriterien erfüllt, geht die Nutzwertanalyse erst richtig los: Welches pädagogische Konzept verfolgt die Krippe? Führt sie altersgemischte Gruppen? Oder besser altershomogene? Ist sie nur bilingual? Noch nicht trilingual? Bietet sie Kinderyoga an? Musikalische Früherziehung? Theaterlektionen? Tanzstunden? Ein Kunstatelier? Oder doch lieber eine Waldkrippe wählen?
Ich bin froh, durfte ich ganz naiv und unbelastet einen Krippenplatz suchen und – das Glück ist bekanntlich bei den Dummen – den besten, den ich mir vorstellen kann, auch finden!
Obwohl – müsste ich heute suchen, würde ich den neusten Trendkriterien für Kinderkrippen womöglich doch auch noch verfallen: Bietet die Krippe auch eine Nacht- und Wochenendbetreuung an? Und ist es ihr kurzfristiges Ziel, das Angebot auch auf Ferien auszuweiten?
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