Kürzlich hatte ich ein Flashback: Während meiner Lehrzeit hat man mir einmal ganz schön viel Honig um den Mund gestrichen. Damals suchte man ein „Opfer“, das man als Aushilfe für eine Vakanz mehrere Wochen am Schalter der abgelegensten Bankfiliale meines Lehrbetriebs „parkieren“ konnte. „Nur du bist in der Lage, diesen Job selbständig auszuführen! Nur du bist so gut!“ Das waren die Komplimente, um mir den Sch…-Job schmackhaft zu machen.
Viele Jahre nach diesem Erlebnis ergeht es mir in Sachen Mutterschaft ähnlich. Manchmal habe ich nämlich das Gefühl, dass uns Frauen der Mutterjob ähnlich schmackhaft gemacht werden soll wie mir damals jener Spezialeinsatz am Ende der Welt. Oder weshalb sagt man uns Mütter unentwegt, dass wir den herausfordernsten und wichtigsten Job auf Erden ausüben?
Es ist ja schliesslich nicht wirklich so, dass Windeln zu wechseln oder gesunde Znüni parat zu machen, anspruchsvoller wäre als Arzt oder Fabrikarbeiter zu sein. Selbst wenn es so wäre, weshalb bekommen Mütter gar keinen Lohn für diese ach so wichtige Aufgabe? Und wäre diese Aufgabe die wichtigste der Welt, weshalb stehen da nicht unzählige Männer Schlange, um uns diese streitig zu machen?
Oh ja, fast vergessen: diese Aufgabe ist ja so dankbar! Bestimmt, und deswegen lassen viele Mütter ihre Kinder – wenn auch immer möglich – fremdbetreuen.
So wie ich als Lehrtochter glauben musste, ich sei die einzige, die für diesen Sch…. job befähigt war, damit ich bereit war, diesen zu übernehmen, so müssen wir Mütter glauben, dass unsere Aufgabe die wichtigste und schönste auf Erden ist. Würden wir dies nämlich nicht tun, hätten wir wohl kaum den Biss, diese ein Leben lang gratis und ohne Kündigungsmöglichkeit auszuüben.
Langer Rede kurzer Sinn: wir beteuern, wie wichtig Mutterschaft sei, schenken dieser Aufgabe aber – in der Wirtschaft, in der Politik und auch in der Gesellschaft – dann doch nicht die nötige Beachtung und Bedeutung. Ausserdem führt diese Wichtigtuerei rund um die Mutterschaft nicht zuletzt auch dazu, dass wir Mütter uns alle unter Druck setzen lassen und schliesslich überfordert sind, diese wichtigste Aufgabe der Welt am besten unter allen Müttern auszuüben.
Wie denkt Ihr darüber?
8 Kommentare
Lorelai
16. Oktober 2012 at 08:15Ja, müssten die Mütter den Job endlich nicht mehr gratis machen, würde sich die Mutterschaft vlt zum positiven ändern und auch für andere attraktiver werden. Ich selber wäre wohl auch mit mehr Herzblut bei der Sache, wenn ich dafür entlöhnt würde, so doof das klingen mag…
Nicole
16. Oktober 2012 at 10:27Das habe ich gerade auf dem Elternblog kommentiert:
Ich finde absolut, dass die Mutterschaft meine schönste Aufgabe ist – und auch mein Mann denkt dies. Aaaber – auch mit dem Schönsten der Welt möchten wir beide nicht 7×24 Stunden beschäftigt sein. Das wäre uns einfach zu einseitig. Ich lese gerne, schlafe gerne, arbeite gerne in meinem Beruf, gehe gerne in den Ausgang, ins Kino oder zum Schwimmen oder Skifahren – aber all‘ das würde ich nie und nimmer 7×24 Stunden machen wollen.
An deiner Stelle hätte ich mich damals wohl gefreut, die Filiale alleine führen zu können, auch wenn sie am A… der Welt war. Ich finde es immer super, wenn ich selbständig sein kann – daher arbeite ich wohl auch da, wo ich arbeite (weil mein Chef mich machen lässt und mir vertraut) und bin eben auch gerne Mami, weil ich da mache, was ich richtig finde (zum Glück sind mein Mann und ich uns da sehr einig).
Ich glaube schon, dass die Erziehung eines Kindes ein seeeehr wichtiger und verantwortungsvoller Job ist – den kann und will ich aber nicht alleine machen. Da übernimmt zum einen vor allem mein Mann auch einen grossen Teil. Und eben auch die Krippenbetreuerinnen. Mein Mann und ich lassen unsere Kinder an zwei Tagen pro Woche in der Krippe, bzw. dem Hort betreuen. Das ist aber absolut keine FREMD-Betreuung, denn die Betreuerinnen und Betreuer sind den Kindern sehr vertraut. Und zum anderen machen wir es nicht „wenn immer möglich“, sondern sehr bewusst und überlegt, weil wir den Krippenalltag als superwertvolle Ergänzung der Kindererziehung sehen. In der Krippe lernen und spielen sie Sachen, die wir ihnen in unserer Kleinfamilie nicht bieten können. Ich bin heute so „Krippenfan“, dass ich nur schon deswegen arbeiten gehen würde, um den beiden den Krippenbesuch zu ermöglichen, und wenn es der blödeste Sch…job wäre.
Ich finde auch, dass die Bedeutung der Familie in unserer Gesellschaft zu wenig Beachtung findet – es geht mir aber nicht um die Bedeutung der Mutterschaft, sondern um die Bedeutung der Elternschaft. Kinder zu haben ist auch eine Sache der Väter – und wenn in unserer Gesellschaft das alle kapiert haben, dann wird auch die Wertschätzung grösser, da bin ich sicher. Dann wird eben in den Firmen ganz viel Druck für Teilzeitstellen entstehen – weil auch die Väter es verlangen. Und dann wird man nicht umhin kommen, auch Spitzenpositionen mit Teilzeitangestellten zu besetzen, da bin ich auch sicher.
Nicole
16. Oktober 2012 at 10:43@Lorelei: Darf ich fragen, ob du 100% zuhause tätig bist? Ich könnte das nicht – wie oben beschrieben. Aber auch dann nicht, wenn ich dafür voll bezahlt wäre. Ich möchte keine Sache 7×24 Stunden machen. Ich habe schon immer verschiedene Jobs nebeneinander her gemacht – ich bin ein „Fünfer-und-Weggli“-Mädchen…. 😉 Klar, ich finde es schon toll, dass ich in meinem Teilzeitjob auch Geld bekomme. Ich verdiene nicht schlecht, aber ich könnte noch viel mehr verdienen in einem anderen Job. Alle Angebote habe ich bisher aber abgelehnt – weil ich gemerkt habe, dass ich dort dann andere Privilegien nicht mehr hätte (z.B. selbständiges Arbeiten, freie Zeiteinteilung, flexible Arbeitszeiten, die Möglichkeiten, Arbeitstage abzutauschen, nette Leute, ein toleranter Chef). Wenn wir sehr reich wären, dann würde ich nur noch gemeinnützig arbeiten. Ich mache ja jetzt schon viele Arbeiten gratis (Parteiarbeit, Kirchenarbeit, Vereinsarbeit) oder für eine symbolische Zahlung (Kommissionstätigkeit bei uns in der Gemeinde).
Vielleicht müsste man für das Betreuen der Kinder (sowohl den Müttern als auch den Vätern oder Grosseltern oder so) tatsächlich etwas Geld bezahlen als Zeichen der Wertschätzung? Dann müsste dieses Einkommen aber genauso versteuert werden wie ich mein Einkommen zu versteuern habe, wenn ich arbeite gehe und die Kinder in der Krippe sind. Und da haken derzeit die politischen Diskussionen rund um den Steuerabzug für die Betreuungskosten. Die SVP möchte ja, dass auch die Familien, bei denen ein Elternteil (meist ja die Mutter…;-)) zuhause bleibt, den Steuerabzug machen können. Doch dort gibt es ja eben kein Einkommen zu versteuern. Ich hingegen muss einen Teil meines Einkommens als Einkommen versteuern, obwohl es mir wegen den Krippenkosten gar nicht zur Verfügung steht (der Betreuungskostenabzug ist geringer als die tatsächlichen Kosten).
Ist ein spannendes, aber auch schwieriges Thema!
Lorelai
16. Oktober 2012 at 13:25@Nicole: Ich arbeite freischaffend und bin dabei, die Kinder an 2 halben Tagen in der Kita einzugewöhnen. Noch sind sie erst rund 2h dort, ich zahle aber 72.- CHF für beide pro halben Tag. Ich habe nicht iimmer (gleich viel) Arbeit und würde eigentlich am liebsten in der kinderfreien Zeit auftanken und Sport machen, Haushalt, lesen, was auch immer aber dafür ist die Kita zu teuer. Einen halben Tag war der Grosse bis anhin bei der Nana aber da er extrem zu kurz kommt, schaue ich, dass in Zukunft entweder beide dort sein können oder nur die Kleine und dann vlt auch mal nur der Grosse. Mal sehen… An zwei Vormittagen gehe ich ins Fitness, wo ich beide für ne Std im Hort lassen kann und an einem Vormittag ist der Grosse in der Spielgruppe. Man müsste also meinen, ich hätte genügend Zeit für mich. Ist aber nicht so 😀 Irgendwie ist immer was zu tun und am Abend kaum Zeit dafür. Schreib‘ mir doch ’ne Mail wenn Du Lust hast: tamara.beck(at)gmx.ch.
Lorelai
16. Oktober 2012 at 13:26PS, Nicole: Wird sicher besser wenn ich den ganzen Nachmittag für mich habe und mein Mann die Kinder in der Kita abholt. Dann komme ich neben dem Arbeiten sicher auch mal zum Haushalten oder sporteln.
Katharina
16. Oktober 2012 at 23:42Ich zitiere einmal mehr meine Lieblingsfeministin:
„Man wird den Frauen das Kindergebären noch ganz verleiden mit der Sucht, sie damit für alle andern Lebensansprüche abfinden zu wollen.“
(Hedwig Dohm, „Die Mütter“, 1902)
http://gutenberg.spiegel.de/buch/4770/1
Rita Angelone
17. Oktober 2012 at 15:07@Katharina: …. na ja, das Kindergebären wäre ja noch das weniger Schlimmste. 🙂
Sportpapi
18. Oktober 2012 at 21:10@Lorelei: Wenn die Kinderbetreuung nicht mehr „gratis“ sein soll. Wer soll denn das bezahlen? Oder anders gesagt: Welche Funktion hat denn der Kindsvater und sein Einkommen?