Familienleben Kolumne

Mister Obama vs. Herrn Zürcher

Eigentlich möchte ich morgens im Bus ob allen – meist eher jüngeren – Menschen, die ganz vertieft und engagiert den Auslandteil der Tageszeitung lesen, ein ganz kleines bisschen den Kopf schütteln. Natürlich interessiert es auch mich, was um uns herum passiert, doch frühmorgens meine Stirn wegen der anstehenden Präsidentschaftswahlen in den USA oder der Ungerechtigkeit gegenüber Pussy Riot in Falten zu legen, erscheint mir ganz persönlich in meiner jetzigen Lebenssituation als eine Fehlallokation meiner Ressourcen.

Frühmorgens im Bus runzle ich meine Stirn eher ob den düsteren lokalen Wetterprognosen in der Gratiszeitung und ob der damit verbundenen Frage, welche Kleider für den verregneten Waldtag der Kinder wohl am angebrachtesten sein könnten. Oder ich blättere in der Lokalzeitung nach Kinderflohmis und Familienveranstaltungen und studiere per äxgüsi auch gleich die beigelegten Aktionsflyer verschiedener Billiganbieter. Und wenn ich dann und wann doch mal dazu komme, eine Tageszeitung zu lesen, blättere ich innerhalb des Züri-Teils und beschäftige mich mit Themen wie der prekären Hortsituation oder der hohen Rückfallquote jugendlicher Straftäter in der Stadt.

Wenn ich aber in solchen Situationen zum Kopfschütteln ansetzen will, erinnere ich mich zum Glück an meine Jugend zurück. An die Zeit, in der ich das Landsgemeinde-Memorial ungelesen ins Altpapier warf, dafür über alle weltweiten Greenpeace und Amnesty International Aktionen informiert war. Damals interessierte auch mich das Weltgeschehen deutlich mehr, als die mir als banal erscheinenden Alltagssörgeli vor der eigenen Haustür.

Mit dem Alter, mit der Familie hat sich mein Fokus verändert. Er ist näher gerückt, kleiner und ja, vielleicht auch etwas bünzliger geworden. Aber zum Glück hält sich das alles die Waagschale: den Jungen gehört die Welt – soll sie auch! –  derweil interessiere ich mich nun eben für die Präsidentschaftswahlen in der Elternvereinigung!

Was liest Ihr als Erstes in der Tageszeitung? War das früher anders?

mittwochs immer im Tagblatt der Stadt Zürich

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4 Kommentare

  • Nicole
    3. Oktober 2012 at 08:13

    Ich bin da wohl offenbar nicht „alterstypisch“…. 😉 Als ehemalige Journalistin interessiert mich immer noch alles und fast gleichermassen stark. So hat für mich Zeitunglesen halt immer noch einen Platz sehr weit vorne in der Prioritätenliste. Ich blättere auch die Gratiszeitungen durch, aber die NZZ ist immer noch meine tägliche Standardlektüre, und der Zürich-Teil interessiert mich auch, aber nicht mehr als andere Teile (doch, ich blättere schon einige Seiten schneller durch…). Ich fange eine Zeitung vorne an und beginne da und ende am Schluss eben auf der letzten Seite.
    Ich habe als Jugendliche bei einem Lokalradio gejobbt, und dann war ich bei einer Regionalzeitung angestellt. So habe ich schon früh gemerkt, dass sich das eigentliche Leben im engeren Umkreis bewegt. Das wird übrigens von nationalen Medien oft unterschätzt!
    Nur hier vor Ort können wir was ändern und bestenfalls eine Welle auslösen, die weitergeht. Das finde ich übrigens auch nicht bünzlig! 😉

  • Katharina
    3. Oktober 2012 at 09:38

    Unsere Tageszeitung (L’Impartial) ist sehr lokal und regional gehalten. Internationale Aktualitäten hole ich mir bei der NZZ oder dem Tagesanzeiger online (früher las ich öppe noch den BUND oder die BAZ, aber das ist ja heute alles dasselbe). Da mir langsam die Zeit ausgeht (*kicher*) gönne ich mir den Monde Diplomatique für die intellektuellen Hintergrundberichte (vor 20 Jahren wars noch die Weltwoche, aber die ist ja seit längerem unlesbar geworden).
    Und dann natürlich einige Special Interest Zeitschriften und Online-Magazine.
    Ich muss sagen, zu Anfangszeiten meiner Mutterschaft – im Ocytoxin-, Prolaktin- und Dopaminrausch 😉 – war mein Fokus fast ausschliesslich nur noch auf Bébézeugs verschoben. Das hat sich mit der Zeit wieder gelegt bzw. sind die alten Interessengebiete wieder zurückgekehrt.
    Zurück zu Obama: Ich nehme die Ereignisse dort zwar noch zur Kenntnis, aber nehme mir nicht mehr die Zeit gross darüber nachzudenken. In meiner militanten Zeit als Soziologiestudentin und später als Konfliktforscherin waren die Ereignisse in den USA insofern wichtig für mein täglich Brot, als sie mehr Enfluss auf regionale Konflikte hatten, als der umgefallene Sack Reis in China.

  • Bionic Hobbit
    5. Oktober 2012 at 18:38

    Also Homer Simpson als Präsident? Meinetwegen, aber bitte nicht Mitt Romney….
    Ich bekomme immer mal wieder Post vom WWF und MSF, wo ich auf die wirklich wichtigen Probleme der Welt aufmerksam gemacht werde. Das relativiert vieles dann wieder.

  • Helen Minder
    18. Dezember 2012 at 10:06

    Präsident Obama macht seinen Job doch gar nciht so schlecht, also Homer Simpson ist da keine Alternative.

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