Loslassen – von Geburt an bis zur Pubertät
Mutter- und Elternwerden hat viel mit Loslassen zu tun: Da trägt frau neun Monate das Kind in sich, spürt, wie es heranwächst und lässt es das erste Mal los, um es auf die Welt zu bringen. Wer Eltern ist, übt sich schon früh im Loslassen. Dies ist in der Pubertät der Sprösslinge wieder ein besonders aktuelles Thema: Ich bin mit meinen drei Halbwüchsigen – 18, bald 15 und 11 – wieder einmal mittendrin. Der Ablösungsprozess erfolgt schleichend – und irgendwie schubweise.
Zwischen Kontrolle und Vertrauen
Derzeit wird es mir wieder einmal sehr deutlich vor Augen geführt, dass ich wohl die Selbständigkeit meiner drei Kinder anstrebe, sie aber gerne in meinem eigenen Nest und in unmittelbarer Nähe weiss. Loslassen heisst denn auch, Vertrauen zu schenken, im eigenen Vertrauen zu sein. Dies, wenn unsere Erstgeborene eine Probetour mit unserem Auto fährt, um sich für die Autoprüfung vorzubereiten, ich aber auf dem Beifahrersitz Platz nehme. Oder wenn unsere zweite Tochter mit dem dringlichen Wunsch an uns Eltern tritt, die Schule zu wechseln und mitten im Hochsommer beginnt, ein Jahresprogramm Latein zu büffeln, um die Aufnahmeprüfungen einen Monat später zu absolvieren. Oder wenn unser Jüngster endlich seine erste Sim-Karte eines alten Handys aktivieren darf und ich fortan nicht mehr weiss, mit wem er gerade chattet. Wir müssen unsere Kontrolle ein Stück weit abgeben, darauf vertrauen, „dass alles gut kommt“. Was es ja meistens auch tut.
Zwischen Stolz und Trennungsangst
Während ich diese Zeilen schreibe, sind unsere zwei ältesten zu ihrem ersten Ferragosto*-Grillfest unterwegs. Alleine, ohne Eltern. Es ist das erste Mal, dass wir diesen Feiertag getrennt verbringen. Ein komisches Gefühl. Mit einem weinenden und einem lachenden Auge winken wir dem Auto hinterher, in den sich unsere volljährige Tochter, die Erstgeborene, quetscht, um mit Sonnenschirm und Picknickdecke und viel Vorfreude zu ihrem Grillfest zu fahren. Mir wird schmerzlich bewusst, wie reif sie ist, wie sie ihr Leben selber anpackt. Und wir sie darin nur unterstützen können. Unsere Aufgabe neigt sich dem Ende zu, der „aktive“ Part des Elternseins ist bald vorbei, und doch bleiben unsere Kinder immer im Innersten mit uns verbunden. In einem Jahr schon wird sie in eine andere Stadt ziehen, um die Universität zu besuchen. So ist ihr Plan. Da werden wir wieder gefordert sein, noch ein Stück mehr loszulassen. Ebenso letztes Jahr, als sie für zwei Monate nach Süditalien verreiste, um als Tourismusanimatorin in einer Feriensiedlung tätig zu sein. Wie viele Tränen an jenem Morgen am noch menschenleeren Bahnhof flossen, als sie, voller Vorfreude und Zuversicht, in den Zug stieg und sich aufmachte, ein weiteres Stück Welt zu erobern.
Mehr Freiheit – auch für die Eltern
Eltern sind dazu da, ihren Kindern Flügel zu verleihen, damit diese die Welt entdecken können, so sagt ein Sprichwort. Was Ersteren aber auch wieder ein grosses Stück Freiheit zurückgibt. Diese möchte auch ich nicht mehr missen. Endlich Zeit zu haben, einen Nachmittag lang eine Freundin zu besuchen und dabei nicht dauernd auf die Uhr und aufs Handy zu gucken, einen Kurztrip mit meinem Mann zu unternehmen, ohne daran denken zu müssen, wie unser Trio unsere Abwesenheit wohl meistert, kurzerhand die Abendstunden am Meer zu verbringen oder auf einen Sprung ins nächste Dorf auf ein Gelato zu fahren – ohne Sprösslinge im Schlepptau. Eine neue, noch ungewohnte Freiheit. Die einen, nach vielen Jahren des Zurücksteckens und des Verzichts, ganz sicher irgendwann, fast unerhofft und eher plötzlich, erwartet.
*Ferragosto: italienischer Sommer-Feiertag, 15. August
Wie gut könnt ihr loslassen?
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1 Kommentar
Susanna Roth
24. August 2020 at 12:07Ich lern das glaub ich gerade🙈Junior ist das 1.Mal mit der Klasse 4Tage weggefahren heute in ein Lager.Ich war aufgeregter als er selbst!😜Er war bisher nur mal 2Tage höchstens weg.Wird schon speziell ruhig zuhause