
Wissen Sie, was für mich die grösste Herausforderung im Familienleben darstellt? Nein, nicht das Chrampfen vom Morgen bis am Abend oder die wenigen Möglichkeiten, auszuschlafen oder in den Ausgang zu gehen. Nicht einmal das ewige Gezanke zwischen unseren Buben, das derart an meinen Nerven zehrt, dass ein endgültiger Zusammenbruch – sollte nicht bald ein positiver Entwicklungsschritt folgen – nur noch eine Frage der Zeit ist. Nein, das Schlimmste für mich ist, die eingeschränkte Art und Weise, WIE ich mit diesen Konflikten umgehen MUSS.
Stritt ich als Jugendliche mit einer Freundin oder als Erwachsene mit meinem Partner, sagte ich zuerst gehörig meine Meinung, schmollte anschliessend zünftig und machte mich nicht selten rar. So lange, bis die ganze Wut draussen war, eine Entschuldigung folgte oder ich selber über meinen Schatten springen musste.
Verzweifle ich heute über das unaufhörliche Streiten meiner Buben, kann ich ihnen zwar auch gehörig meine Meinung sagen, nur prallt diese an den längst mamatauben Ohren ab und kaum ist mein letzter Kraftausdruck verhallt, geht das Gezanke gleich eine Stufe intensiver weiter. Ein Schmollen meinerseits ist zwar auch heute möglich, nur nehmen es die im Streit versunkenen Buben nicht einmal zur Kenntnis. Und wenn sie ausnahmsweise auf mein vor Groll uralt ausschauendes Gesicht aufmerksam werden, fragen sie mich in ihrer Naivität, ob ich Bauchweh hätte.
Bleibt also nur noch der Versuch, sich rar zu machen, sprich: weit weg zu fliehen, alles hinter sich zu lassen. Und sei es nur für ein paar Stunden. Doch dieses Ansinnen scheitert kläglich daran, dass – kaum in Erwägung gezogen – der Schrei nach einer Rotznase oder Hintern putzenden Mutterhand erschallt. Und statt zu fliehen, muss ich mich sogar vor meinen Buben verneigen.
Ja, Verzeihen wäre eine Tugend, würde sie bloss freiwillig erfolgen.
mittwochs immer im Tagblatt der Stadt Zürich
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19 Kommentare
Katharina
23. November 2011 at 08:04((((knuddel))))
Das tönt ja ganz schlimm anstrengend heute bei dir!
Ich hab‘ gut reden nach einer Nacht durch- und Ausschlafen (dank Fieberzäpfchen) und nur einem Kind das höchstens gegen Wände oder mich rennt…
schtäcketööri.ch
23. November 2011 at 09:18Meine Liebe
Ich stell schon mal Prosecco kühl, dass am Samstag wir mit gutem Gewissen den Ärger, den Lärm und die Streitereien runterspülen können, okä?
Oh ja, Cara, ich kenne das gut mit dem Gekeife und Gezanke – will man doch wirklich immer das, was die andere so toll zum Spielen hat. Und nein, nicht, wenn sie es nicht mehr will, sondern JETZT und SOFORT und NULLKOMMAPLÖTZLICH und mit grössten Zettermordio. Oh ja. Und in dieser Zeit hat weder Kind X noch Kind Y auch wirklich was von dem ominösen Perfektospielzeugs, sondern es wird gehortet und verteidigt auf Leben und Tod.
O mein Gott.
Hätt ich das beim 2. Strich auf dem Schwangerschaftstest schon geahnt, hätt ich anstatt Freudentränen wohl eher Tränen des Mitleids und Abschieds der schönen, ruhigen Zeiten geheult. Naja, ZUM GLÜCK weiss man es nicht bei der Zeugung. Gell.. und irgendwann kommt der Abend und dann ist alles ganz ruhig. Ommmmmmmmmm… Sind sie nicht süss, wenn sie schlafen? <3 diese Zuckerengel unserer Herzen <3 Ommmmmmmmmmm..
bis bald, liebes, bis bald. Und wünsch Dir doch zur Weihnacht einen Satz Pamir. Soll gegen Tinitus helfen. Ich schaff mir glaubs auch so einen an.
Wenn nur dieser verd**** Lärm nicht wär. Das ist so wie bei einem Thriller: Der Sound machts aus. Wenn man auf Mute stellt, dann ist der ganze Effekt am A. Nur der Ton, der Ton ist so gruselig. *mute taste bei den Kindern such*
Nicole
23. November 2011 at 08:27Mir ist das heute zu kompliziert….;-)
Warum erwähnst du das Verzeihen? Weil du deinen Buben für ihr Gestreite verzeihen musst, weil sie dich brauchen?
Hattet ihr inzwischen das Gespräch im Hort über das Gestreite der Buben?
Warum hast du das Gefühl, dass du auf eine bestimmte Art und Weise (welche dir offenbar nicht behagt) mit den Konflikten umgehen MUSST? Ich probiere immer mal wieder anderes, und ich habe gemerkt, dass eine gesunde Portion Egoismus meist nicht nur mir hilft, sondern dann auch die Situation entschärft. Ich halte mich soweit irgend möglich aus Streitigkeiten zwischen den Kids raus. Ich habe mir das als Kind auch immer so gewünscht, denn im Streit allein zwischen meiner Schwester und mir haben sich die Wogen meist rasch gelegt, aber sobald Mami sich eingemischt hat, ist es zur Endlos-Story geworden… Mein Mami hat oft versucht, zwischen meiner Schwester und mir zu vermitteln (auch noch, als wir erwachsen waren), und meist hat sie dann den Ärger auf sich gezogen. Das versuche ich zu vermeiden.
Bevor es „Mord und Totschlag“ gibt zwischen Nando und Carmen greife ich natürlich schon ein. Zunächst mal durch Androhen des Wegnehmens des Streitgegenstandes (denn meist geht es ja drum, dass beide das gleiche Ding haben wollen), dann durch tatsächliches Wegnehmen, dann durch Trennen der beiden (jeder muss eine Weile im eigenen Zimmer spielen; die Türen lasse ich offen, aber sie sind trotzdem auf sich gestellt). Und für Rotznasen und dreckige Fudis bin ich in solchen Momenten gar nicht empfänglich. Habe Carmen schon laut protestierend in ihrer Gaggi-Windel hocken lassen, und Nando muss dann halt selber entscheiden, ob er sein Fudig genug sauber geputzt hat.
Haben eure Buben je ein eigenes Zimmer? Ich würde es nicht anders haben wollen. Im Zweifel hat jeder sein Reich und da eben seine Rechte. Und in solchen Momenten ziehe ich mich übrigens auch demonstrativ in unser Schlafzimmer zurück, denn das ist GGs und mein Reich (ich hätte ja gerne noch ein ganz eigenes Zimmer für mich, aber das fehlt leider….)
Rita Angelone
23. November 2011 at 08:35@Katharina: Danke fürs Knuddeln…! Das tönt nicht nur heute so anstrengend bei mir. Hoffentlich werden die beiden bald vernünftiger.
Rita Angelone
23. November 2011 at 09:00@Nicole: Das Gespräch hätten wir heute Abend gehabt. Ursprünglich. Aber es wurde auf anfangs Dezember verschoben.
Ich erwähne das Verzeihen, weil ich – aus meiner Sicht – gezwungen werde, meinen Buben zu verzeihen, selbst dann, wenn ich noch nicht parat bin. Denn: ich muss ihnen die Nase, das Füdli putzen, das Essen machen etc. etc. Ich habe keine Chance, mich irgendwie etwas zu distanzieren, um Abstand zu gewinnen, weil der Alltag mich zwingt, einfach weiter zu machen, als sei nichts geschehen. Ich würde in solchen Momenten, wo ich soooooo verärgert bin, am liebsten irgendwo hin gehen, alleine, überlegen, auswüten…. und dann zurück kehren, bereit, friedvoll weiter zu machen. Aber diese Zeit und diese Möglichkeiten fehlen mir.
Ich halte mich auch aus den Streiterein heraus, wenn es geht. Aber du machst dir keine Vorstellung, wie das abgehen kann. Ich MUSS einschreiten, sonst machen sie sich weh oder etwas kaputt oder mir verjagts die Sicherungen. Bei uns ist eben fast permanent Mord und Totschlag und ich stelle fest, dass ich keinen Spielraum mehr habe, solche Szenen einfach zu ertragen. Jeden Tag braucht es immer weniger, bis ich schier durchdrehe. Manchmal zucke ich schon zusammen, wenn der eine nur schon etwas in Richtung Streit sagt.
Ansonsten gehen wir genau so wie du vor mit den Massnahmen. Nur, dass ich es eben auch nicht mehr aushalte, die Nasen oder die Füdlis nicht zu putzen. Denn irgendwo kommt alles wieder auf mich zurück. Putzen muss man sowieso. Also tue ich es, bevor es sonst überall rum klebt. Es ist einfach zuviel des Geschreis und Gestreites. Zumindest für meine Ohren. Und mein Gehirn. Aber eben: ich muss jetzt schon wieder überlegen, was ich zum Znacht machen will….
Nicole
23. November 2011 at 09:06Meine Schwester hat mal einen Buchtipp erhalten zum Thema Geschwisterstreitigkeiten:
http://www.amazon.de/Wenn-Geschwister-streiten-L%C3%B6sungswege-funktionieren/dp/3466306957
Hier kannst du ein bisschen reinlesen:
http://www.randomhouse.de/content/edition/excerpts/19513.pdf
Und in diesem Artikel in der Zeitschrift deines Mannes ist das Buch auch erwähnt:
http://www.beobachter.ch/familie/artikel/geschwister_wenn-zwei-sich-streiten/
Ich bin übrigens auch nicht immer gelassen in Streitigkeiten, aber es hilft mir sehr, mich drauszuhalten, weil ich sonst auch immer ärgerlicher werde.
Und auch von mir noch einen Knuddler! 🙂
Rita Angelone
23. November 2011 at 09:10@Nicole: danke, liebe Nicole, das tut gut! Über den Mittag gehe ich grad mal in den Orell Füssli – danke für den Tipp. Die Leseprobe nehme ich gleich als Tipp unter den Beitrag. Super. Und den Link zum Beobachter-Artikel auch grad.
Nicole
23. November 2011 at 09:42@Schtäcketööri: Hihi, ja, du hast recht. Der Lärm ist das Schlimme. Und schlimm finde ich es dann, dass ich selber auch recht bald dazu beitrage, dass es noch lauter wird, weil ich halt eher eine bin, die im Streit laut wird. Da arbeite ich grad‘ am meisten an mir, denn es nervt mich selber, wenn ich mich über den Lärm nerve, aber auch welchen mache…..
@Rita: Wenn das Gespräch verschoben worden ist, dann kann es soooo schlimm ja nicht sein… 😉 Don’t worry! Hast du mal ausprobiert, wie es ist, wenn du eben nicht zur Stelle bist, wenn du verlangt wirst? Klar, du musst nachher die Rotzspuren anderswo wegputzen als direkt an der Nase, aber vielleicht macht es dir dann weniger aus, weil du wieder „runtergekommen“ bist? Und eben: das Separieren im eigenen Zimmer hat sich bei uns echt bewährt. Es braucht nur kurz, und dann wollen sie lieber wieder friedlich miteinander spielen. Denn alleine spielen tun sie beide eigentlich nicht so gern.
Rita Angelone
23. November 2011 at 10:18@Frau Rohner: Danke, danke, danke!!! Du wirst es nicht glauben, aber ich habe Ohrenpfropfen! Weil ich manchmal – in der Nacht, wenn es sowieso ruhig wäre – es TOTAL STILL haben will. Einfach, um nur noch meinen eigenen Puls in den Ohren zu hören. So schlimm steht es unterdessen mit mir.
Und du triffst den Nagel auf den Kopf: Wenn man den Ton abstellen würde, wäre tatsächlich alles halb so schlimm.
Ich freue mich auf Samstag!
Rita Angelone
23. November 2011 at 10:19@Nicole: Ja, das verschobene Gespräch: Das sagte ich auch zum FOH. Zuerst so ein Zeugs und dann wird es verschoben….
Ich werde in den nächsten Tagen ein paar Handlungsstrategien ausprobieren und…. dann mal berichten. Evtl. mit Video… und Ton natürlich.
Nicole
23. November 2011 at 10:52Wir können dann ja den Ton abstellen, wenn wir keine Lust drauf haben…. 😉
Wünsche euch schon heute viel Spass beim Prosecco-Trinken! Das müssen wir unbedingt auch bald mal machen!
Katharina
23. November 2011 at 11:25Rita, ich habe mal über euch nachgedacht… 😉
Ein Experiment: Was wäre, wenn du statt zu brüllen und damit noch eine Schicht mehr aufzutragen, nur böse guckst und flüsterst. Oder statt „hört mal auf“ zu brüllen den Buben leise sagst, dass dich das stinkesauer macht, wenn sie so miteinander umgehen?
Andere Frage: Wie streiten eigentlich das FOH und du zusammen? Leise und zivilisiert oder laut und fetzenfliegerisch?
Katharina
23. November 2011 at 11:29Noch ein Nachtrag: Ich muss Nicole Recht geben in dem Punkt mit dem mütterlichen Friedenstiften. Mein absolut liebster Hasssatz ist auch heute noch „Ich dürft nicht streiten, wer sich gern hat streitet nicht, ihr müsst euch gern haben, ihr seid Schwestern“. Man stelle sich vor: „ihr MÜSST euch gern haben!“
Mein Schwes und ich haben so um die Vierzig wieder damit begonnen, uns vorsichtig einander anzunähern…
Rita Angelone
23. November 2011 at 11:33@Katharina: ich werde, wie schon erwähnt, neue Handlungsweisen testen – auch das Böse Schauen und Flüstern. Ihr werdet dann mehr über diese Feldtests erfahren.
Und ja – zur Streitkultur gibt es folgendes zu sagen: https://www.dieangelones.ch/2010/04/stille-wasser-grunden-tief/ und https://www.dieangelones.ch/2011/08/da-sind-wir-grad-noch-heilig/
Die Herkunft kann man nicht verleugnen. Und du magst in die richtige Richtung überlegen. EINEN Unterschied gibt es aber: Auch wenn wir laut streiten, tun wir diese nicht alle 10 Minuten und dies 7 Tage die Woche – und nun schon mehrerer Monate. DARAN ändert sich nichts. Aber – ja: Kinder spiegeln. Und ich muss das ernst nehmen.
Rita Angelone
23. November 2011 at 11:34@Katharina und Nicole: Dabei heisst es auch: Was sich liebt, zankt sich….
SomeintPhia
23. November 2011 at 12:03… hmm, das können wir uns ja auf was gefasst machen! .. 😉
… unsere Kleine (16 Mte) hat aktuell sowas wie ’ne Trotzphase, da fliegt das Essen vom Tisch, Haue wird verteilt oder der Aufenthalt auf der Wickelkommode wird zum Kampf.
Da könnte man manchmal schon den Gedanken haben, ein nichtvorhandenes Rückgaberecht einzulösen. Wir sind jedoch der Meinung, dass diese Phase „dann schon vorbei geht“ und versuchen es mit stoischer Ruhe hinzunehmen.
Nicole
23. November 2011 at 12:41@Kath: Hihi, das mit dem Flüstern nehme ich mir auch immer mal wieder vor – und manchmal klappt es auch… Das ist dann noch witzig. Entweder die beiden bemerken mich gar nicht oder sie stutzen tatsächlich…. Und beim Streitverhalten mit GG ist es so, dass er mich mit seiner meist stoischen Ruhe jeweils zur Weissglut treibt… Ich habe auch noch italienische Wurzeln, und das merke ich jeweils – die haben in der Vererbung mein mein ruhiges Mami übrigens ausgelassen…. 😉
schtäcketööri.ch
23. November 2011 at 15:19haha, ja, das Flüstern ist in der Tat manchmal (!) ein Helfer in der Not. Aber manchmal eben auch nicht und man könnt in Tisch beissen, wenn man sich da flüstern in der Hocke sitzend betrachtet und die Kinder toben unbeirrt weiter. Das ist dann so der eine Moment des innerlichen Vollfrustes. Muddi begiebt sich auf Kinderhöhe, flüsternd versucht sie den Kindern die Sterne vom Himmel zu hauchen und die Gören kreischen und fauchen in einem Fort einem übern Haufen. Dann kommt dann, ohweh, doch ein lautstarkes: „JETZT IST ABER RUHE“! aus dem besonnenen (und fürchterlich tobenden) Mutterkehlchen gebrüllt und gezittert. Und oho: es nützt manchmal (!). Aber manchmal eben auch nicht und man könnt in Tisch beissen.
Ist es nicht der füdliblutte Wahnsinn im Alltag mit Kind/ern?
hahaa… *shake hands*
Nicole
24. November 2011 at 08:32*shake hands* 🙂