Werbung in Zusammenarbeit mit Kinderkrebs Schweiz
Junge Krebspatienten nicht vergessen – Kinderkrebsforschung ist wichtig
Während innovative Krebstherapien die Erwachsenenmedizin revolutionieren, werden die meisten krebskranken Kinder weiterhin mit Medikamenten behandelt, die vor Jahrzehnten entwickelt wurden und nur für Erwachsene zugelassen sind. Im Rahmen der neuen Kampagne von Kinderkrebs Schweiz, die auf die Herausforderungen der Kinderkrebsforschung aufmerksam macht, haben wir mit Prof. Dr. Jochen Rössler gesprochen, der selber verschiedene Forschungsstudien am Inselspital Bern leitet. Dabei haben wir erfahren, welches die Gründe für die unzufriedenstellende Situation in der Kinderkrebsforschung sind und was getan werden muss, damit junge Krebspatienten nicht vergessen gehen.
Trotz Erfolgen – Kinderkrebsforschung muss vorangetrieben werden
Jedes Jahr erkranken in der Schweiz rund 350 Kinder und Jugendliche an Krebs. Dass heute 4 von 5 der jungen Patienten geheilt werden können, verdanken wir der jahrzehntelangen, intensiven Zusammenarbeit von Kinderonkologen auf der ganzen Welt. Doch das reicht nicht, denn trotz aller Bemühungen stirbt immer noch jedes fünfte Kind an Krebs und rund 80 Prozent der Langzeitüberlebenden leiden an mittel- bis schwerwiegenden Spätfolgen der Krankheit und der aggressiven Therapie.
Schweizer Kinder- und Universitätskliniken sowie die Schweizerische Pädiatrische Onkologie Gruppe (SPOG) bemühen sich verstärkt darum, die Heilungschancen junger Patienten weiter zu erhöhen und gleichzeitig die negativen Folgen der Behandlungen zu verringern. Dabei stossen sie allerdings auf verschiedene Herausforderungen, über die wir mit Prof. Dr. Jochen Rössler gesprochen haben.
Prof. Dr. Jochen Rössler ist Abteilungsleiter
der Pädiatrischen Hämatologie/Onkologie im Inselspital Bern, wo derzeit insgesamt 30 klinische Forschungsprojekte geführt werden. Herr Rössler ist Vorstandsmitglied von Kinderkrebs Schweiz.
Lieber Herr Dr. Rössler, in der Erwachsenenmedizin macht man mit innovativen Krebstherapien laufend Fortschritte. Doch die meisten krebskranken Kinder werden weiterhin mit Medikamenten behandelt, die vor Jahrzehnten entwickelt wurden und eigentlich nur für Erwachsene zugelassen sind. Wieso ist das so?
Eins vorweg: Zum Glück leiden Kinder sehr selten an einer Krebserkrankung. Deshalb sprechen wir bei Kinderkrebs auch von seltenen Krankheiten. Dieser an und für sich positive Aspekt bedeutet für die Pharmaunternehmen allerdings, dass sie mit der Entwicklung von Krebsmedikamenten für Kinder keinen grossen Umsatz machen können, da die Fallzahlen gering sind. Die Erwachsenenforschung bietet mehr Marktchancen und – das dürfen wir nicht ausser Acht lassen – lohnt sich letztlich auch für die Kindermedizin. Denn die neuen Krebsmedikamente sind für alle Altersklassen von Patienten sehr wichtig. Wir wollen ja ganz allgemein von den traditionellen Medikamenten, die häufig als Chemotherapien zusammengefasst werden, wegkommen. Auch wenn Chemotherapien effektiv sind, so weisen sie viele, teils schwere Nebenwirkungen aus, weil sie nicht nur auf die Tumoren, sondern im ganzen Körper wirken. Durch die Forschungsergebnisse, die wir erarbeiten, möchten wir diese Therapien verbessern. Mit neuen, präziseren und zielgerichteteren Medikamenten und Therapien wollen wir gesamthaft mehr Patienten heilen sowie parallel dazu auch die Nebenwirkungen reduzieren. Dieser Ansatz ist für Patienten jeden Alters wichtig und kommt somit auch Kindern zugute.
Auf die sogenannten gezielten Therapien setzt man viel Hoffnung. Können Sie uns vereinfacht erklären, worum es sich dabei handelt?
Bei der Entwicklung einer gezielten Therapie ist es wichtig, dass man die Tumore genau untersucht. Man hat festgestellt, dass es auf der Ebene der Erbsubstanz bestimmte Veränderungen gibt, die spezifisch und typisch für bestimmte Tumorerkrankungen sind. Diese Veränderungen findet man nicht in gesunden Zellen, sondern nur in Krebszellen. Und genau da setzen die neuen Therapien an. Im Gegensatz dazu zielt die Chemotherapie auf das Wachstum und die Teilung von Zellen ab. In unserem Körper wachsen viele Zellen, zum Beispiel Haarzellen, Schleimhautzellen, Blutzellen. All diese Zellen teilen sich und eine Chemotherapie wirkt sich auf all diese Zellen negativ aus. Fokussieren wir uns hingegen auf eine molekulare Veränderung innerhalb der Krebszelle, findet die Therapie auch nur dort statt, wo tatsächlich der Tumor ist. Um in diesem Bereich weiter vorwärtszukommen, ist die Diagnostik der Krebserkrankung sehr wichtig.
Bei erwachsenen Krebspatienten setzt man diese neuen Behandlungen bereits erfolgreich ein. Wie sieht es damit in der Kinderonkologie aus?
Leider ist es so, dass man die Erfahrungen, die man mit den neuen Medikamenten und Therapien bei Erwachsenen gemacht hat, nicht eins zu eins auf Kinder übertragen kann. Kinder sind nicht einfach kleine Erwachsene. Ihr Stoffwechsel und ihre Organfunktionen funktionieren anderes als im Erwachsenenalter. Deswegen muss man die Medikamente, die man für Erwachsene entwickelt hat, nochmal gesondert bei Kindern überprüfen und beobachten, wie diese darauf reagieren. Dazu braucht es klinische Studien. Diese Forschungsprojekte sind oft sehr aufwändig, weil sie sehr gut organisiert werden und streng standardisiert ablaufen müssen. Für die Kliniken und Krebszentren bedeutet dies ein riesiger Aufwand, der Zeit und Geld bindet und letztlich auch immer im Verhältnis zum Nutzen gestellt werden muss.
Was sind die Gefahren, wenn Medikamente und Therapien nur bei Erwachsenen getestet werden?
Sie führt dazu, dass krebskranke Kinder zumeist mit Arzneimitteln behandelt werden, die eigentlich nur für Erwachsene zugelassen sind. Da Kinder aber nicht an den gleichen Tumorarten erkranken und anders auf die Therapien reagieren, ist ihre Anwendung trotz einer hohen Wirksamkeit problematisch. Der Einsatz bei Kindern wird nicht ausreichend untersucht und hat oft toxische Auswirkungen. Das kann gerade bei Kindern, die sich mitten im Wachstum befinden, zu Nebenwirkungen führen, die ihre Lebensqualität auf die Dauer stark beeinträchtigen.
Gibt es weitere Aspekte, die aufzeigen, dass Forschung allein im Erwachsenenbereich nicht reicht?
Ja, denn Kinder und Jugendliche haben oft Tumorerkrankungen, die es bei Erwachsenen später gar nicht mehr gibt. So gibt es Erkrankungen, z.B. Embryonale Tumore oder spezielle Leukämiearten, die für Erwachsene praktisch unbedeutend sind, aber bei Kindern viel häufiger auftauchen und für welche es speziell dafür geschaffene Programme braucht. Doch bevor man in diesem Fall an klinische Studien oder Medikamentenversuche an den jungen Patienten denkt, muss man an Ergebnisse aus der Laborforschung berücksichtigen. Gerade bei diesen besonderen Formen von Tumoren bei Kindern, die nur im jungen Alter auftauchen, braucht es finanzielle Unterstützung für die Forschung im Labor, damit man an Modellen untersuchen kann, welche Mechanismen hinter der Aggressivität der Erkrankung und dem Wachstum der Tumoren steckt. In diesem Bereich gibt es wenig öffentliche Förderung. Es existieren in der Schweiz zwar einige Programme vom Schweizer Nationalfonds und in der EU gibt es europäische Programme für die Forschung, aber oft sind in diesem Fall Stiftungen relevant, die im Bereich der seltenen Krankheiten Unterstützung bieten.
Was muss getan werden, damit junge Krebspatienten nicht vergessen werden?
Die Politik hat bereits reagiert. Es gibt Gesetze im Rahmen der Medikamentenentwicklung in der Schweiz, Europa und USA, die festlegen, dass bei der Neuentwicklung von Medikamenten darauf geachtet wird, ob diese auch für die Kindermedizin relevant sind. Da gehören begleitende Kinderentwicklungsprogramme dazu. Dank diesen gesetzlichen Auflagen werden Pharmaunternehmen sozusagen beauftragt, Kinder und Jugendliche in der Forschung nicht zu vergessen, auch wenn der Markt dafür klein ist.
Die Kosten für unser Gesundheitssystems sind bereits hoch. Ist es vertretbar, dass diese aufgrund von teurer Kinderkrebsforschung weiter steigen?
Ich finde, man muss sich die Perspektive der Solidaritätsgemeinschaft vor Augen führen. Es gibt in einer Gemeinschaft immer Schwächere, die Unterstützung brauchen. Gemeinsam müssen wir schauen, wie wir uns solidarisch zeigen und alle mitnehmen können und wie wir die Mittel, die uns zur Verfügung stehen so einsetzen, dass wir niemanden zurücklassen. Schliesslich ist es so, dass all das Wissen, das dank der Forschung generiert wird, allen zur Verfügung steht. Da ist auch einmal eine Erkenntnis mit dabei, die nicht nur für Kinderkrebs relevant ist, sondern die auch für andere Bereiche weiterentwickelt werden kann. Werden wichtige und relevante Dinge untersucht, muss das – egal in welchem Bereich – unterstützt werden, weil am Ende wiederum die gesamte Gemeinschaft davon profitiert. Zudem ist es gerade bei jungen Krebspatienten für die ganze Gemeinschaft von Interesse, dass sie nicht nur geheilt werden, sondern möglichst keine Spätfolgen aufweisen. Diese belasten das Gesundheitssystem genauso – einfach zu einem späteren Zeitpunkt.
Die Kinder- und Universitätsspitäler in der Schweiz tun alles, damit krebskranke Kinder mit den besten und modernsten Therapien behandelt werden. Der Zugang zu diesen innovativen Therapien scheint aber nicht immer einfach. Weshalb?
Wir Kinderonkologen sind sehr gut vernetzt und arbeiten in der Schweiz sowie international sehr eng zusammen. Sobald neue Medikamente entwickelt werden und bei Erwachsenen die ersten erfolgsversprechenden Daten liefern, sind wir sehr daran interessiert, diese Medikamente den Kindern zur Verfügung zu stellen und in unsere Protokolle zu integrieren. Das stellt allerdings einen sehr grossen Aufwand dar. Wir müssen die Pharmaunternehmen darum bitten, uns die Medikamente zur Verfügung stellen, damit wir sie bei Kindern in klinische Studie einfliessen lassen können. Dafür haben wir in der Schweiz die Swiss Pedriatic Oncology Group, eine Gruppe, die sich um die klinische Entwicklung von neuen Medikamenten für Kinder kümmert. Doch diese Gruppe ist von finanzieller Unterstützung abhängig. Trotz allen Herausforderungen stossen wir aber immer mehr auf die Bereitschaft der Pharmafirmen, uns neue Medikamente zur Verfügung zu stellen, wenn wir bei jungen Patienten eine Chance erkennen, dass eine zielgerichtete Therapie interessant sein könnte. Aber es ist und bleibt ein grosser organisatorischer und logistischer Aufwand, der finanzielle Mittel bindet.
Vielen Dank, lieber Herr Rössler, für diese wichtigen Informationen rund um die Herausforderungen bei der Kinderkrebsforschung. Wir unterstützen Ihr Engagement, dass junge Krebspatienten die nötige Aufmerksamkeit erhalten und in der Forschung nicht vergessen gehen.
Die Kinderkrebsforschung braucht finanzielle Unterstützung
Schweizer Kinder- und Universitätsspitäler sind gezwungen, ihre Forschungsprojekte über Spendengelder und Drittmittel zu finanzieren. Das bindet viele Ressourcen und schafft Unsicherheiten. Damit aber alle krebskranken Kinder und Jugendlichen in der Schweiz mit den bestmöglichen und modernsten Therapien behandelt werden können, ist eine aktive und finanziell abgesicherte Forschung, die auf diese spezifische Patientengruppe ausgerichtet ist, entscheidend. Nur so können bestehende Behandlungsansätze optimiert sowie die Einführung neuer Therapien und Medikamente sichergestellt werden.
Weitere Informationen gibt es auf der Webseite von Kinderkrebs Schweiz
Dieses Interview ist in Zusammenarbeit mit Kinderkrebs Schweiz entstanden.
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