Zur Ferienvorbereitung gehörte die alljährliche innerfamiliäre Ausweiskontrolle. Dabei stellte ich fest, dass der Kleine immer noch ein «Sans-papier» ist. Ewig hatte ich diese Pendenz vor mich hingeschoben und zeitweise sogar bewusst verdrängt. Die Erinnerung an die Ausweisausstellung für den Grossen und den damit verbundenen Ärger hatten mich die ganze Zeit über gelähmt. Ähnlich wie man im Geschäft unangenehme Gespräche vor sich hin schiebt und dabei hofft, die Sache erledige sich von selbst. Aber Mutter weiss, dass nichts geht, ausser sie tut es.
Also schoss ich ein paar Fotos und gestand bei deren Betrachten ein, dass auch dieses Mal Ärger vorprogrammiert war. Aber schon beim Grossen hatte ich es durchgeboxt, den Profifotografen zu umgehen und viel Geld für Bilder bezahlen zu müssen, die eh jeden Grenzwächter schon zur Behauptung legitimieren, der Bub sei gar nicht meiner, sondern ein Entführter. Hören wir also auf mit solch alibimässigen Qualitätsansprüchen! Erwartungsgemäss setzte die Kreisbürobeamtin ihre Massstäbe sogar noch höher an und benutzte diese genüsslich, um ihre Macht auszuspielen. «Der Bub sollte den Mund zu haben.» «Ist aber schwierig, weil er automatisch lacht, wenn er eine Kamera sieht.» «Und dieser Schatten?» «Der Kinderstuhl. Musste ihn ja irgendwo setzen, da er noch nicht alleine steht.» «Das wird aber nicht akzeptiert werden. Das sage ich Ihnen.» «Sie haben aber ein schönes Outfit! Ist das der neue Dresscode für Beamte? Da stand doch etwas in der Zeitung.» «Äh, nein, das ist einfach mein Stil. Ich habe es eben noch gern ein wenig maskulin. Ach, das höre ich jetzt aber gerne! Also, wir machen das so: Ich gebe mal alles weiter, und wenns dann nicht geht, melde ich mich bei Ihnen, okay?» Mein Kleiner hat den Ausweis problemlos bekommen.
Wie wahr sprach doch Hans Arndt: «Komplimente gleichen künstlichen Klimaanlagen zwecks schneller Ernte.»
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