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Italienisches Gesundheitssystem: Spiessrutenlauf und Papierkram

Papierberge, bevor man überhaupt einen Arzt gesehen hat!

Italienische Bürokratie

Von Pontius zu Pilatus eilen, das ist in Bella Italia gang und gäbe. Papierkriege führen auch. Denn Italien ist für seine komplexe Bürokratie mit viel Papierkram bekannt. Wie dies im Alltag so vor sich geht, das erzähle ich euch heute.

Private Krankenversicherung versus staatliche Krankenkasse

Durch den Unfall unserer Tochter im November 2017 treffen wir derzeit weiterführende medizinische Abklärungen. Macht man dies privat, reicht einerseits der Griff zum Telefonhörer, um mit dem gewünschten Facharzt einen Termin zu vereinbaren und andererseits ein tiefer Griff ins Portemonnaie, denn eine Privatuntersuchung kostet mindestens 100 Euro.

Falls man sich für die staatliche Krankenkasse entscheidet (nein, es gibt in Italien kein Krankenkassenmodell wie in der Schweiz, sondern die „Prämie“ wird den Arbeitnehmern monatlich vom Lohn abgezogen), muss man sich vom Hausarzt einen Antrag ausstellen lassen, der als Grundlage für die telefonische Terminvereinbarung dient (bis vor wenigen Jahren musste man sich dafür noch am Schalter anstellen, Stichwort Schlangestehen-Gen, no comment). Mit demselbem Antrag muss man die Untersuchung bezahlen, diesmal am Schalter oder – hört, hört – online. Als Quittung bekommt man mindestens weitere drei Blätter. Dann erst hat man freie Bahn zum Arzttermin.

Biblische Wartezeiten für Gesundheitskontrollen

Nun aber musste ich in unserem Fall nach dem privaten Termin eine Spezialuntersuchung bei derselben Fachärztin machen, aber diesmal im Spital. Da ich keinen Antrag dafür hatte, konnte ich ausnahmsweise gleich bei der Fachärztin antraben, bekam dann aber eine von ihr ausgefüllte Rechnung in die Hand gedrückt. Pech gehabt, trotzdem Schlange stehen! Zudem hat die Fachärztin – per Antrag in Papierform, notabene – eine Magnet-Resonanz-Untersuchung angeordnet. Oh Schreck! Dafür sind die Zeiten in Italien biblisch – in gewissen Regionen wartet man bis zu einem Jahr.

Keine Untersuchung ohne Vorauszahlung

Wir aber hatten das Glück auf unserer Seite, denn die Fachärztin hat auf dem Antrag eine „Priorität“ von zehn Tagen angegeben. Was aber nicht immer funktioniert. Diesmal glücklicherweise schon, und wir hatten den Termin für sieben Tage später in der Tasche. Aaaaber: Um die besagte Untersuchung zu machen, benötigt man eine Blutuntersuchung. Was das in der Praxis bedeutet? Hausärztin anrufen, Antrag stellen lassen, damit in aller Herrgottsfrühe zum Labor fahren (Stichwort „Schlangestehen-Gen“) , Blut nehmen lassen, Resultat am selben Tag abholen (weitere drei Blätter) und dann erst steht der Untersuchung nix mehr im Wege. Nein, Halt! Diese muss ja noch bezahlt werden, denn erst mit der Quittung wird man zugelassen. Neuerdings kann man dies online tun, und: Aufatmen! Es hat funktioniert! PC anschmeissen, Daten angeben, Quittung drucken. Wunderbar! Dies ersparte uns den Gang zum Zahlbüro im Krankenhaus.

Papierberge und Spiessrutenläufe

Nun haben wir also den Stapel Dokumente für die Untersuchung parat. Und brauchen nur noch hinzufahren und dann auf das Resultat derselben zu warten. Dieses bekommt man erst ein paar Tage später in Form von mehreren bedruckten Seiten in die Hand gedrückt, nochmaliger Gang zum Arztbüro, Resultate in Empfang nehmen, Termin mit Fachärztin fixieren und…das gleiche Prozedere wie oben beschrieben von vorn.

Zeitintensive Spiessrutenläufe sind insbesondere im Gesundheitswesen das täglich Brot. Aber auch andernorts, etwa wenn man Offerten für Hausrenovierungen einholt. Darüber aber gerne ein ander Mal. Vielleicht erklärt das, warum das Altpapier jeden zweiten Freitag abgeholt wird. Bei all dem Papierkram, der sich täglich ansammelt…Und da fragt man sich, was dies mit „dolce vita“ denn so zu tun haben soll?! Ja, liebe Leserinnen und Leser, das frage ich mich auch.


Sarah Coppola-Weber ist gebürtige Ostschweizerin mit italienischem Pass. Sie lebt mit einem neapolitanischen Ehemann, zwei Töchtern (17 und 14) und einem Sohn (10) seit 18 Jahren in der Nähe von La Spezia. Für “Die Angelones” schreibt die ausgebildete Doula über Familien -, Gesundheits- und Ernährungsthemen sowie Themen, die Eltern den Alltag mit ihren Sprösslingen erleichtern und lässt dabei die LeserInnen am facettenreichen italienischen Alltag teilhaben, wo der Ausnahmezustand oft an der Tagesordnung und von „dolce far niente“ keine Spur ist!

Mehr über Sarah und ihre Familie erfahrt ihr in im spannenden Interview, das wir mit ihr führen durften!

Sarahs bisher erschienenen Beiträge könnt ihr hier nachlesen:

Aus dem Leben einer Doula:
Elterntipps:
Dolce Vita:

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