Schon lange lese ich keine Hochglanz-Frauenmagazine mehr, um mich nicht hinunter ziehen zu lassen von diesen Wonder-Women, die darin nicht nur ihr perfektes Aussehen, sondern auch gleich ihr rundum glückliches Familien- und erfüllendes Sexleben zelebrieren. Ausser depressionsähnlichen Zuständen und Streit mit dem Familienoberhaupt bringt es mir gar nichts, mich mit diesen vollkommenen Kreaturen zu vergleichen.
Lange fuhr ich deshalb mit der wöchentlichen Lektüre des Migros-Magazins und der Coop-Zeitung besser. Die Sörgeli von Fast-Nachbar und Hausmann Bänz Fridli konnten meinem Ego genau so wenig etwas anhaben wie die Diskussionen des Ehepaars Schreiber-Schneider. Auch sie blättern sich durch wöchentlichen Aktionen und saisonalen Rezepte durch, ohne ständig an Kilos und Falten zu denken und punkten in ihrer Familie, wenn schon, mit cleveren Einkäufen und kreativen Gerichten und nicht mit Schönheit und Geilheit.
Doch entweder versuchen diese wöchentlichen Blätter sich neu zu positionieren oder aber ich bin definitiv von gestern und anders als alle anderen. Denn neu berichten auch dies Blätter in Rubriken wie „Menschen“ von Wonder-Women, die zum Beispiel zehn Jahre lang mit der Familie die Welt umsegeln, ihre Kinder auf Deck auf die Welt bringen und die Nabelschnüre mit Sackmesser durchschneiden, bei aufziehenden Stürmen auf Vorrat kochen und ihre Kinder auch gleich selber unterrichten. Oder in Rubriken wie „Meine Welt“ von Bäuerinnen, die nebst Hof und einer Familie mit neun (!) Kindern auch noch die Zeit finden zu joggen, einmal pro Woche mit dem Bike auf eine Alp zu fahren und ganz nebenbei auch die offiziellen OLMA-Plakate mit ihren Scherenschnittkünsten entwerfen.
Also: entweder bin ich kein normaler Mensch oder ich lebe definitiv in einer anderen Welt.
mittwochs immer im Tagblatt der Stadt Zürich
Was geht Euch durch den Kopf, wenn Ihr von solchen Wonderwomen hört oder liest?
10 Kommentare
Simone
17. Oktober 2012 at 08:30Meine Mutter sagt immer: „Weisst du, Papier frisst alles…“
Fabienne
17. Oktober 2012 at 09:51für mich sind diese Frauen keine Supermamis, sondern einfach einzelne Frauen, die eine etwas andere Lebensform leben wie ich! Mein Traum ist es allerdings auch, einmal mit der ganzen Familie um die Welt zu segeln, vielleicht nicht 10 Jahre lang aber doch lang genug…
Supermamis sind für mich Frauen, die immer richtig Handeln, immer Verständnis für die Bedürfnisse der Kinder und Ehemänner haben, den Haushalt mit links und immer ausgeschlafen und dabei genug Zeit für sich haben! Und unter uns, ich kenne keine einzige Mutter die als Supermami bezeichnet werden kann… Wir sind Menschen und keine Maschinen. Und deshalb können mich solche Artikel nicht mehr nach unten ziehen, denn wer weiss wie es bei denen im Alltag ausschaut? Und übrigens, liebe Angelones, ich „kenne“ euch ja nur vom Blog her, du wirkst auch wie ein Supermami;-) !
Lorelai
17. Oktober 2012 at 10:02Liebe Rita! Genau diese Artikel haben mich auch ziemlich frustriert! NIE im Leben könnte ich mit 3 Kindern die Welt umsegeln oder 9 Kinder haben (wobei hier wahrscheinlich das Geheimnis ist, dass die älteren Kinder tatkräftig mithelfen und drum die Mutter joggen etc. kann). Ich kann auch nur sagen, das ist nicht die Norm, das sind Randerscheinungen. Also vglen wir uns besser, wenn es denn schon sein muss, wieder mit Bänz Friedli und Schneider/Schreiber. Da wissen wir, dass die auch nicht perfekt sind und die selben Marotten pflegen wie wir, bei der schön durchschnittlichen Anzahl von zwei Kindern… 🙂 Und Rita: Du bist eine Wonderwoman! Du schreibst und schreibst und schreibst, hast einen Umbau gemanagt, kommst mit zwei wilden Jungs klar und siehst gut aus und ich schätze das FOH ist total froh, genau Dich zuhause haben und keine Victoria Beckham 😉
Rita Angelone
17. Oktober 2012 at 15:11@Fabienne: ja, ich weiss ja schon – aber wenn ich lese, dass eine Mutter auf ein paar wenigen Quadratmetern in der Lage ist zu kochen, zu gebären, zu unterrichten…. bekomme ich trotzdem eine Krise, weil ich es nicht mal aushalte, alle 4 in einem Zimmer zu schlafen… Drum. In solchen Momenten merke ich, wie kompliziert ich bin und dann fange ich an zu hirnen.
Und was mich betrifft, habe ich immer das Gefühl, dass ich doch ziemlich klar und deutlich sage, dass ich eben kein Supermami bin. Natürlich mache ich ganz viel ganz gut, aber dafür jogge ich nicht, gehe nicht in den Frauenausgang, habe keine Manikürten Nägel und und und…..und ich schreie viel. Nicht schreiben. SCHREIEN.
Rita Angelone
17. Oktober 2012 at 15:13@Lorelai: oh je, dabei möchte ich doch eine Victoria Beckham sein. (nur schon wegen Becks)
Fabienne
17. Oktober 2012 at 15:47@rita: genau das ist der Punkt! man kann diese Mutter im Schiff ja auch nicht schreien hören und nur durch die Tatsache, dass sie die Kinder selbst unterreichtet weisst du ja nicht was für Reibereien es da gibt 😉 mir reichen schond die 20 min Aufgaben meiner Tochter aus um manchmal die Wände hoch zu gehen! dafür war es für mich kein Problem während 5 Monaten (als wir umgebaut haben) alle zusammen in einem Zimmer zu schlafen, dafür schaffe ich es nicht mein Badezimmerschrank aufgeräumt zu halten (das hat mir echt imponiert!) . Und noch ein Gedanke: waren wir denn immer perfekt als wir noch keine Kinder hatten? Ich rede jetzt von den lackierten Nägel, der sauberen aufgeräumten Wohnung und Küche, immer gutgelaunt und geduldig mit den Mitmenschen, waren joggen, sahen auch am Morgen frisch aus… Natürlich es war einfacher aber wir waren auch da nicht rundum perfekt!!! Punkt.
Nicole
17. Oktober 2012 at 20:42Fabienne hat es wunderbar auf den Punkt gebracht – ALLE sind nur Menschen. Superman und Superwoman und Superpapi und Supermami gibt es nur im Kino! @Rita, du schreibst ja auch und weisst doch, dass man beim Schreiben wunderbar nur eine Seite beleuchten kann, wenn man will. Und das, was normal ist, interessiert offenbar nicht, und auch die „normalen“ Artikel bringen mich manchmal zum Grübeln (bei Bänz Friedli denke ich oft, dass ich mehr putzen müsste und beinSchneider/Schreiber habe ich sie um ihr Hirschli-Projekt und das Buch beneidet…). Und eben, was auch angedeutet wurde – beim Lesen deiner Blogbeiträge geht es uns doch manchmal auch so, dass wir grübeln, wie du das schaffst. Ich bin sicher, über jede von uns könnte man eine „Wow!“-Geschichte schreiben – darin kämen aber eben Dinge wie Schreien, unaufgeräumte Wohnungen, dreckige Fenster, nicht manikürte Nägel (fürs Foto zum Bericht würden wir doch noch kurz zur Manicure gehen…), unbezalte Rechnungen, nicht in die Tat umgesetzte Sportvorsätze etc. etc. nicht vor….. 😉
Gaby
18. Oktober 2012 at 11:33Also genau diese Weltumseglerfamilie finde ich zum Beispiel extrem schrecklich und überhaupt kein gutes Vorbild, sondern finde es extrem egoistisch den Kindern gegenüber, dies so durchzuziehen (irgendwann kommen die ja dann auch in die normale Welt und haben da wohl einen ziemlichen Schock. Nicht zu vergessen die fehlenden Kontakte zu anderen Menschen, Kindern etc.).
Und man sieht wirklich immer nur an die Fassade. Ich finde, Rita, du machst das auch toll. Und auch ich denke oft, dass du ungemein viel unter einen Hut bringst. Ich gehe zwar joggen und wenns geht einen Abend pro Woche „raus“, dafür würde ich es nie schaffen, so tolle Gerichte zu kochen (aber vielleicht jogge ich auch lieber als du? Kochen ist für mich ein grosser Graus und ein grosses Muss). Und bei vielen Familien ists halt auch noch so, dass es dort ohne die tatkräftige Mithilfe von Grosseltern oder anderen Leuten aus dem Umfeld (oder gar Nannies) überhaupt nicht so easymässig daherkäme. Es kommt doch immer auch darauf an, die eigene Balance zu finden innerhalb der Familie (z.B. dass Mann und Frau ungefähr gleich viel freie Zeit zur Verfügung und für sich haben)
Katharina
18. Oktober 2012 at 14:15Hej, mich hat neulich auch wieder jemand an ge-„WOW“-t, wie ich „das alles“ schaffe mit Schreiben, Beruf, Hobbys, Kind, Politik,….
Ja heeeeh, dafür hat die Person eine Frisur, rasierte Beine, keine Schaben, die mit angeklebten Beinchen „SOS – HOLT MICH HIER RAUS!“ in den Hausstaub stampfen, vielleicht sogar ein Sozialleben…
Und mal ehrlich: Wenn Du wirklich hättest um die Welt herum segeln wollen, dann hättest Du auch nach Mitteln und Wegen gesucht, um das umzusetzen. Aber Du hast schreiben wollen, ein Haus, deine zwei Buben – das ist dein Leben, das Du gewählt hast (was nicht bedeutet, dass man nicht zwischendurch mal die Schnauze voll hat davon!!).
Hättest Du Denn 9 Kinder auf einer Alp gewollt? Nein? Na also, siehst Du!
Bionic_Hobbit
18. Oktober 2012 at 22:24Ich kannte mal eine junge Frau, die auf einem Boot aufgewachsen war, weil ihre Eltern das Abenteuern nicht lassen konnten. Die hatte es mit 15 so satt, dass sie an Land in ein Internat ging. Lückenhafte Schulbildung durch die Mama, keine Freunde, frühe Sexualität und Promiskuität mit Gelegenheitskontakten am Hafen und die entsprechenden Krankheiten dazu… na Prost. Bleiben wir an Land.