Erst grad vor zwei Wochen habe ich im Migrosmagazin einen Artikel gelesen, der allen Müttern empfiehlt, nicht dem Ideal einer perfekten Mutter nachzueifern, sondern sich damit zufrieden zu geben, einfach eine „Good enough Mother“ zu sein – also eine hinreichend gute Mutter.¨
Einfacher gesagt als getan. Denn was logisch tönt, ist in der Mutter- bzw. Elternrealität nicht einfach umzusetzen. Und zwar weniger darum, weil Eltern zu hohe Ansprüche an sich selber stellen, sondern vielmehr deshalb, weil Eltern permanent von dritter Seite auf ihre „Unzulänglichkeiten“ aufmerksam gemacht werden.
Ein zwar nicht schwerwiegendes, aber ein dennoch bezeichnendes Aufeinanderprallen verschiedener, zum Teil entgegen gesetzten Ansichten, stellt folgendes Beispiel dar:
Als unser Grosser noch ohne Bruder auf der Welt war, wurde ich von allen Seiten darauf hingewiesen, ihn möglichst früh und möglichst oft mit anderen Kindern zu konfrontieren, damit er seine sozialen Kompetenzen „normal“ entwickeln könne. Zu gross sei sonst die Gefahr, dass er zu einem asozialen „Einzelkind“ verkomme, wenn er sich „nur“ mit mir abgeben würde.
Sofort besuchte ich also Chrabbelgruppen, lud regelmässig Gspänli ein und freute mich nicht nur über seinen Krippeneintritt, sondern auch über die Geburt seines Bruders. An Möglichkeiten zur Entwicklung seiner Sozialkompetenz sollte es nicht fehlen.
Doch ich habe mich zu früh gefreut. Für eine „gesunde“ Entwicklung des Selbstwertgefühls empfiehlt man mir nun, viel Zeit mit jedem einzelnen Kind zu verbringen. Zu gross sei sonst die Gefahr, dass die individuellen Bedürfnisse der einzelnen Persönlichkeiten zu kurz kommen, wenn nicht jedes einzelne Kind genügend Zeit ganz allein mit einem Elternteil verbringen könne.
Soll mir nun einer sagen, wie ich das machen soll, ohne mich zu klonen. Es soll sich einfach niemand mehr wundern, dass immer mehr verunsicherte und überforderte Eltern Hilfe bei Fachstellen suchen…
mittwochs immer im Tagblatt der Stadt Zürich
8 Kommentare
Susanne
18. Mai 2011 at 06:55Da hilft nur eines: den gesunden Menschenverstand walten lassen und Ratschläge ignorieren…
Kat
18. Mai 2011 at 13:35Ich halte jetzt mal dagegen (muss üben für die Trotzphase):
Wieso sollte man als Mutter NICHT den Anspruch haben dürfen, seinen Job so gut wie möglich zu machen? Wenn ich als Product Manager Bücher lese und mich weiter bilde, um meinen Job möglichst perfekt zu machen, dann wird das wenn nicht sogar bewundert, dann doch wenigstens anerkannt.
Wenn ich hingegen als Mutter dasselbe tue und sogar ausspreche: „Ich will für mein Kind eine möglichst gute Mutter sein“, wird man im besten Fall schräg angeschaut, im Schlechtesten sogar dumm angemacht.
Ich fordere deshalb Aus- und Weiterbildungen für alle, die den wichtigsten Beruf der Welt ausüben (nämlich Eltern! Mamas und Papas!)!
Als erste Lektion empfehle ich: „Wie lässt man gut gemeinte RatSCHLÄGE von fremden Leuten an sich abprallen“.
otte
18. Mai 2011 at 12:47Konsequenterweise muss man dann auch den Vater mit einbeziehen. Bei zwei ‚Goofen‘ löst das schon mal einen grossen Teil des Problems – wenn beide Eltern beide viel Zeit mit den einzelnen Kindern verbringen. Viel Abwechslung also, viel ‚A geht mit 1 einkaufen und B geht gelichzeitig mit 2 schwimmen‘ und umgekehrt. Muss natürlich nicht schwimmen sein, du verstehst schon. Klar, das geht irgendwie gegen den Strich am Wochenende möglichst viel Zeit zusammen mit der ganzen Familie zu verbringen. Wahrscheinlich müsste man und frau aber probieren auch da Abwechslung drin zu bringen, also zB jedes zweite Wochenende ‚Familien-zusammensein-Zeit‘ und dann wieder mal päärliweise unterwegs sein… aber immer wie Susanne schon schrieb: euer gesunder Menschenverstand einschalten und sich da drauf verlassen. Auch euer Bauchgefühl hat meistens recht. Und wenn mal nicht, ist auch nicht so schlimm…
Rita Angelone
18. Mai 2011 at 12:54Ja, liebe Susanne, zum Glück bin ich im Ignorieren sehr gut…!
Rita Angelone
18. Mai 2011 at 12:57Lieber Otte, selbstverständlich muss der Vater in diese „kombinatorische“ Herausforderung miteinbezogen werden, um möglichst viele Varianten zwischen A und B und 1 und 2 zu erreichen. Aber wie du selber sagst, ist diese ganze Organisation und Planung auch nicht so lustig und… schon gar nicht einfach. Deshalb mutieren Moms eben zu DIGITAL MOMS und setzen digitale Tools gekonnt fürs Familienmanagement ein (siehe aktueller Blogpost!).
Rita Angelone
18. Mai 2011 at 14:08Kat, du darfst ruhig etwas trotzen. Aber so ganz dagegen halten musst du gar nicht, denn eigentlich bin ich deiner Meinung. Jede Mutter hat doch irgendwie den Anspruch – ausgesprochen oder nicht – für das Kind das BESTE tun zu wollen. Und ja, es ist so, dass wenn wir das im Geschäftsleben sagen, alle finden, wow, die ist ehrgeizig, verfolgt ihr Ziel, will das Beste etc. etc. Sagen wir das im Zusammenhang mit der Familie, „verlangen“ wir zu viel, „stressen“ uns unnötig etc. et. Blöd ist nur, dass es irgendwo im Ganzen einen Knopf hat. Denn auch wenn wir unser bestes tun, findet immer jemand, es sei nicht gut genug. Und tun wir mal bewusst nicht das beste und geben uns mal good enough, ist es ja auch verpönt. Anders als in den Product Manager Büchern gibt es wahrscheinlich fürs Elternsein eben zu viele Theorien und alle (auch die, die keine Kinder haben) sind Experten. Deshalb unterschreibe ich sofort deine erste Lektion.
Bionic Hobbit
6. Juni 2011 at 21:31Ich habe die wahre Bedeutung von Good Enough gelernt als ich die Zwillinge bekam. Vorher habe ich alles mögliche mit meinem Aelteren machen können, spazieren, schwimmen, lesen, malen, basteln, und das trotz 100% Arbeitspensum. Heute, ohne bezahlten Job, bin ich froh, wenn wir alle den Tag überleben und ich mich vielleicht sogar duschen konnte.
Rita Angelone
7. Juni 2011 at 14:26Ich habe natürlich nur eine vage Vorstellung, wie es ist, wenn man nach einem Kind grad noch Zwillinge bekommt. Aber alleine diese vage Vorstellung reicht mir, um zu verstehen, was du meinst… Ich wünsche dir alles Gute! Wie alt sind denn die drei?