Familienleben

Gewalt in der Erziehung – Rote Karte für die Ohrfeige

Gewalt in der Erziehung
Es gibt immer eine Alternative zu Gewalt (Bild zVg von Kinderschutz Schweiz)
Werbung/Kampagnenunterstützung in Zusammenarbeit mit Kinderschutz Schweiz

Gewalt in der Erziehung ist noch weit verbreitet

Gewalt in der Erziehung gehört auch 2023 nach wie vor zum Alltag vieler Kinder. Wie häufig Eltern in der Schweiz Gewalt gegenüber ihren Kindern anwenden und welche Formen von physischer und psychischer Gewalt zum Tragen kommen, zeigt die aktuelle Studie zum Bestrafungsverhalten von Eltern, die Kinderschutz Schweiz in Auftrag gegeben hat. Gemeinsam mit Kinderschutz Schweiz leuchten wir die Faktoren aus, die den Einsatz von Gewalt in der Erziehung begünstigen, welche Konsequenzen dieses Bestrafungsverhalten haben kann und zeigen auf, welche Alternativen und Unterstützungsangebote Eltern und Kindern zur Verfügung stehen.

Welche Faktoren fördern Gewalt in der Erziehung?

In vielen Familien ist Gewalt in der Erziehung nach wie vor an der Tagesordnung. Zwar waren die Zahlen in den letzten Jahren leicht rückläufig, doch dieser Trend ist 2023 zum Stagnieren gekommen. Die Auslöser für körperliche Erziehungsmassnahmen sind vielfältig: Der Arbeits- und Familienalltag ist für Eltern herausfordernd und belastend. Gerade Eltern von jüngeren Kindern fühlen sich müde, sind mit den Nerven am Ende und fühlen sich von einem Kind, das nicht gehorcht, geärgert oder provoziert.

Zudem spielen eigene Erfahrungen in der Kindheit oder in der Partnerschaft eine Rolle. Wer mit Gewalt aufgewachsen ist oder diese in einer Beziehung erfährt, wendet diese auch häufiger an. Genauso beeinflussen Verhaltensnormen und Erziehungsziele den Umgang mit Gewalt. Eltern, die ihre Kinder zu angepassten Erwachsenen erziehen wollen, tendieren zu mehr Gewalt als Eltern, denen es wichtig ist, dass sich ihre Kinder entfalten und entwickeln können.

Welches Bestrafungsverhalten legen Eltern an den Tag?

Kinderschutz Schweiz setzt sich für einen besseren Schutz der Kinder vor Gewalt und für die Umsetzung der Kinderrechte ein und hat schon zum sechsten Mal gemeinsam mit der Universität Freiburg eine repräsentative Umfrage zum Bestrafungsverhalten in der Erziehung durchgeführt. Die aktuelle Erhebung zeigt, wie häufig Eltern in der Schweiz physische und psychische Gewalt gegenüber ihren Kindern anwenden und welche Formen von Gewalt zum Tragen kommen:

Physische Gewalt

Knapp 40% der befragten Eltern wenden zu Hause körperliche Gewalt an, davon 6% regelmässig.

  • Jedes fünfte Kind in der Schweiz hat Schläge auf den Hintern bekommen.
  • Jedes zehnte wurde geohrfeigt.
  • Rund 15% der Eltern haben ihr Kind gestossen.
  • Knapp 12% haben es an den Haaren gezogen.

Psychische Gewalt

Über 20% der befragten Eltern wenden regelmässig psychische Gewalt an.

  • Ein Drittel der Eltern haben ihrem Kind mit Worten wehgetan oder es beschimpft.
  • Ein Viertel hat mit Schlägen gedroht.
  • Jeder zehnte Elternteil hat in den letzten sieben Tagen das Kind verbal erniedrigt, richtig angeschrien oder ihm Angst gemacht.
Gewalt in der Erziehung
Bild: Andre Taissin, Unsplash

Welches sind die Folgen von Gewalt in der Erziehung?

Regelmässige physische und psychische Gewaltanwendung in der Erziehung kann verheerende Auswirkungen haben. Diese reichen von körperlichen Schädigungen zu kognitiven oder emotionalen Beeinträchtigungen bis hin zu psychischen Schäden wie Depressionen, Suizidgedanken, Alkoholismus oder Drogensucht. Zudem sind Kinder, die regelmässig physische und psychische Gewalt in der Erziehung erleben, eher prädestiniert, später selbst Gewalt in der Erziehung ihrer eigenen Kindern anzuwenden.

Weshalb soll das Recht auf gewaltfreie Erziehung gesetzlich verankert werden?

In der Schweizer Gesetzgebung existiert kein Verbot von Körperstrafen, wenn sie nicht zu sichtbaren Schäden führen. Was im Umkehrschluss bedeutet, dass solche erlaubt sind. Kinderschutz Schweiz hat bereits 2013 eine Motion im Parlament eingereicht, um das Recht auf eine gewaltfreie Erziehung im Schweizer Zivilgesetzbuch (ZGB) zu verankern.

Wir fordern, dass die Schweiz endlich die UN-Konvention über die Rechte des Kindes, mit vereinten Kräften umsetzt. Ein entsprechendes Gesetz für das Recht auf eine gewaltfreie Erziehung ist nötig, denn die Erziehung der Kinder ist zwar Privatsache, Gewalt an Kindern ist es jedoch nicht.

Regula Bernhard Hug, Leiterin der Geschäftsstelle von Kinderschutz Schweiz.

Damals hat der Nationalrat die Motion noch abgelehnt.

Mut macht nun die aktuelle politische Entwicklung: Der Bundesrat schlägt vor, den Grundsatz der gewaltfreien Erziehung explizit im Zivilgesetzbuch zu verankern. Dies ist ein starkes Signal, das ganz im Sinne von Kinderschutz Schweiz ist und auch von fast alle befragten Eltern befürwortet wird. Diese sind der Überzeugung, dass ein Gesetz helfen würde, die Kinder gewaltfrei zu erziehen. Zumindest die Einsicht der Eltern in Bezug auf Grenzüberschreitung in der Erziehung hat in den letzten fünf Jahren stark zugenommen. So sagen heute 8 von 10 Personen (doppelt so viele wie im 2017), sie hätten ein schlechtes Gewissen wegen der erteilten körperlichen Strafen.

Kinderschutz Schweiz geht davon aus, dass das Parlament nächstes Jahr den Weg für den Lösungsvorschlag des Bundesrats freigibt.

Wir müssen uns hoffentlich bald nicht mehr fragen, warum es verboten ist, eine erwachsene Person zu ohrfeigen. Dieselbe Ohrfeige gegenüber einem Kind jedoch toleriert wird.

Regula Bernhard Hug, Leiterin der Geschäftsstelle von Kinderschutz Schweiz

Welche Unterstützung erhalten Eltern und Kinder?

Kinderschutz Schweiz setzt sich nicht nur für ein neues Gesetz ein, sondern will auch die Präventionsarbeit stärken, damit Gewalt an Kindern verhindert wird, bevor sie passiert. Dazu bietet sie verschiedene Angebote zur gewaltfreien Erziehung an, die Kindern eine Stimme geben und Eltern unterstützen:

Viele weitere Informationen zum Thema findet ihr auf der Seite von Kinderschutz Schweiz.

Was lösen die Studienresultate bei euch aus? Soll eurer Meinung nach das Recht auf gewaltfreie Erziehung gesetzlich verankert werden?

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Gewalt in der Erziehung gehört auch 2023 nach wie vor zum Alltag vieler Kinder. Wie häufig Eltern in der Schweiz Gewalt gegenüber ihren Kindern anwenden und welche Formen von physischer und psychischer Gewalt zum Tragen kommen, zeigt die aktuelle Studie zum Bestrafungsverhalten von Eltern, die Kinderschutz Schweiz in Auftrag gegeben hat. Gemeinsam mit Kinderschutz Schweiz leuchten wir die Faktoren aus, die den Einsatz von Gewalt in der Erziehung begünstigen, welche Konsequenzen dieses Bestrafungsverhalten haben kann und zeigen auf, welche Alternativen und Unterstützungsangebote Eltern und Kindern zur Verfügung stehen.

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1 Kommentar

  • Karl Otto Rothfuss
    25. November 2023 at 09:27

    Ich und meine Frau gehören zur älteren Generation. Wir sind .uns bewusst, viele Fehler in unserer Erziehung bei den Kindern gemacht zu haben Leider lässt sich vieles nicht mehr korrigieren. Unsere Enkel (Lynn=14 und Levi=8) werden schon gewaltfrei erzogen. Ich habe die Ausführungen von Corina gelesen. Sie gefallen mir.

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