Gesunde Familienküche mit schwierigen Essern
Hat man Picky Eater und Gemüsemuffel am Familientisch, kann das Kochen und Essen zu Stress führen. Im spannenden Podcast-Gespräch mit Familienbloggerin und Ernährungscoach Moana Werschler aka Miss Broccoli erfahren wir, wie man schwierige Esser für Gesundes begeistern kann, wie eine ausgewogene Kinderernährung aussieht und wie man eine nachhaltige und gesunde Familienküche mit dem hektischen Familienalltag vereinbaren kann – so, dass gesund essen mit Picky Eater und Gemüsemuffel der ganzen Familie Freude bereitet. Zudem erfahren wir auch mehr über Moanas Buch „Mama, ich will Brokkoli“.
Gesunde Ernährung kann Spass machen
Moana Werschler ist Mutter von zwei Jungs und ist ganzheitlicher Ernährungscoach für Familien. Ihr Spezialgebiet sind Kinder, die wenig oder kein Gemüse essen. Unter Miss Broccoli bloggt sie regelmässig über gesunde und nachhaltige Ernährung für Kinder und für die ganze Familie und hat zu diesen Themen ein Buch publiziert.
Liebe Moana, sind deine beiden Jungs schwierige Esser?
Mein erster Sohn, der jetzt sieben Jahre alt ist, ist tatsächlich etwas heikel. Damit stehe ich nicht allein da. Viele Eltern beschäftigen sich mit heiklen Essern. Deshalb behandle ich das Thema gesunde Ernährung schon seit Jahren auf meinem Blog und einen Sozialen Kanälen sowie auch in meinen Beratungen und – ganz neu – in meinem ersten Buch.
Machen wir heute vielleicht ein zu grosses Aufheben rund um das Thema? War früher gesunde Ernährung nicht einfach „normal“ beziehungsweise einfacher umzusetzen?
Früher gab es halt die Regel „Iss, was auf den Tisch kommt“. So gesehen, war es für Eltern vielleicht schon einfacher. Heute leben wir in einer anderen Zeit. Wir haben eine andere Ausgangslage in Bezug auf die Ernährung und andere Vorstellungen, was gesundes und nachhaltiges Essen bedeutet. Zudem pflegen wir heute einen anderen Umgang mit unseren Kindern. Anders als früher geht es heute nicht mehr in erster Linie um strikte Tischregeln sowie Verbote und Druck rund um das Essen, was ich sowieso auf keinen Fall empfehle. Heute betrachten wir das Thema ganzheitlich und legen das Augenmerk auf die Familiensituation: Wie gestresst sind die Eltern? Sitzt die Familie zusammen an den Tisch? Wie ernähren sich die Eltern? Was kochen sie, welches Angebot bieten sie den Kindern an? Bei ausgeprägten Picky Eatern braucht es zudem auch eine Ursachenforschung. Vielleicht hat das Kind eine Unverträglichkeit oder sogar Ängste, die man mit einem Psychologen anschauen muss.
Es heisst, man solle Kinder bereits beim Einkaufen, beim Rüsten und beim Kochen miteinbeziehen, um das Ernährungsverhalten positiv zu beeinflussen. Was meinst du dazu?
Das ist ein Grundsatz-Ratschlag, den Eltern beherzigen sollten. Beim Einkaufen mithelfen, Rüebli schälen oder Äpfel schneiden hilft gerade wählerischen Kindern. Sie beschäftigen sich damit mit Früchten und Gemüse, halten sie in den Händen, beissen vielleicht ein Stück ab, was sie sonst am Tisch nicht machen würden. Da dies einen gewissen Zeitaufwand seitens Eltern benötigt, ist es hilfreich, wenn die Familie einen Menüplan für die ganze Woche macht. Das spart nicht nur Zeit beim Einkaufen, sondern bietet eine weitere Möglichkeit, die Kinder miteinzubeziehen, indem sie ein Rezept wählen dürfen.
Oft sagen Kinderärzte, man solle sich bei schwierigen Essern keine allzu grossen Sorgen machen, denn Kinder würden sich intuitiv das holen, was sie brauchen. Was siehst du das?
Diese tatsächlich oft geäusserte Aussage von Kinderärzten kann Eltern irritieren. Doch sie hat schon etwas. Es gibt Kinder, die zum Beispiel drei Wochen lang Spinat essen und dann ein halbes Jahr lang nicht mehr, dafür ausschliesslich zu Broccoli greifen. Sie essen phasenweise unterschiedlich und weisen keinen Nährstoffmangel auf. Lässt ein Kind aber ganze Lebensmittelgruppen weg und isst zum Beispiel gar kein Gemüse oder keine Früchte, sollte man genauer hinschauen. In solchen Situationen ist es ratsam, nach der Ursache für dieses Verhalten zu suchen und mit passenden Strategien das Kind dazu zu animieren, Früchte oder Gemüse zu essen.
Würdest du Eltern empfehlen, Kinder auf Nährstoffmangel zu testen?
Ja, wenn ein begründeter Verdacht besteht und der Kinderarzt einen Check unterstützt. Gerade bei kleinen Kindern unter 18 Monaten, die auch von der Menge her schlecht essen, macht es Sinn. Ein starker Eisenmangel kann dazu führen, dass ein Kind sehr schlecht isst. Wird er behoben verbessert sich auch das Essverhalten. Das Führen eines Ernährungstagebuchs kann in solchen Fällen sehr hilfreich sein, um zu visualisieren, was das Kind tatsächlich isst. Manchmal sagen Eltern, ihr Kind esse nichts. Beim Führen des Tagebuchs erkennen sie, dass dem nicht so ist, sondern dass das Kind über eine gewisse Zeit hinweg doch zu Gemüse- und Fruchtportionen kommt. Ärztliche Abklärungen sind auf jeden Fall dann angebracht, wenn das Kind Verdauungsprobleme wie zum Beispiel häufigen Durchfall hat. Solche Probleme könnten auf Allergien oder Intoleranzen hinweisen.
Wie gehst du vor bei einem Ernährungscoaching?
Ich starte mit einer Analyse und möchte erkennen, wo das Kind steht und wie es funktioniert beziehungsweise welche Knöpfe es hat, die wir lösen können. Dabei schaue ich auch auf das Verhalten der Eltern. Das Ziel ist, gemeinsam zu definieren, wo und wie sie das Kind abholen können. Eltern haben oft ihre klaren Vorstellungen, wie es sein muss, das Kind hat – je nach Phase, in welcher es steckt – seine eigenen. Meine Aufgabe ist es, die verschiedenen Vorstellungen zusammenzubringen. Wir schauen auch Tischsituationen gemeinsam an. In einem weiteren Schritt überlegen wir uns, wie wir das Kind mit individuellen Strategien animieren können.
Du bist Vegetarierin / Veganerin: Wie bist du zu dieser Lebensweise gekommen?
Da mein Partner Vegetarier ist und ich in meiner Familie als Kind ohnehin viel Gemüse und wenig Fleisch ass, war es für mich klar und auch einfach, dass wir uns vegetarisch ernähren. Zur veganen Ernährung bin ich einerseits über meine Mutter gekommen und andererseits aus gesundheitlichen Gründen und Nachhaltigkeitsüberlegungen. Unterdessen lebe ich zu ungefähr 80% vegan. Bei meinem älteren Sohn hatte ich schon früh den Verdacht auf Laktoseintoleranz und habe deshalb bald einmal auf pflanzliche Milch umgestellt. Betrachtet man die Ernährungstrends der Zukunft, wird klar, dass eine pflanzenbasierte Ernährung deutlich nachhaltiger ist.
Wie handhabst du das mit deinen Kindern – dürfen sie Fleisch essen?
Wenn meine Kinder in der Kita oder bei den Grosseltern Fleisch essen möchten, dürfen sie das. Sie wissen, dass wir zu Hause vegetarisch / vegan essen, aber sie dürfen auswärts selbst entscheiden. Ich möchte auch nicht, dass sie beim Essen ausgeschlossen werden. Sie sollen ihren eigenen Willen, ihre eigene Einstellung entwickeln und später selbst entscheiden, wie sie sich ernähren wollen. Ich denke, dass es wichtig ist, Kindern möglichst viel Wissen zu den verschiedenen Ernährungsformen zu vermitteln und die entsprechenden Vor- und Nachteile zu erklären.
Gibt es Situationen, in denen du auch am Anschlag bist, deine Prinzipien über Bord wirfst? Oder aber vielleicht in Konflikt mit Schule oder Grosseltern gerätst?
Ja, solche Situationen gibt es. Zum Beispiel beim allgemeinen Umgang mit Süssigkeiten. So werfen die Art und Weise, wie zum Beispiel Kindergeburtstage gefeiert werden, bei mir Fragen auf. Weshalb muss man zum Beispiel jedem Kind ein mit Süssigkeiten prallgefülltes Säcklein mit nach Hause geben? Oder weshalb gibt es in der Religionsstunde einen süssen Zvieri? Vielleicht als Belohnung für den Besuch? Belohnungen übers Essen – insbesondere Süssigkeiten – finde ich nicht gut.
Dass es zum Beispiel bei den Grosseltern Ausnahmen gibt, die es zu akzeptieren gilt, ist bei vielen Familien so und es ist letztlich auch etwas Schönes. Dennoch sollten auch Grosseltern die Werte der jüngeren Familie respektieren. In Sachen Kindergarten und Schule habe ich hingegen etwas mehr Mühe, gewisse Regeln, die sich zum Teil widersprechen, zu verstehen. So waren im Kindergarten zum Beispiel Bananen, die wir zu Hause essen, zum Znüni nicht erlaubt, handkehrum galten in der Schule plötzlich gar keine Regeln mehr und die Kinder dürfen da Süssigkeiten mitnehmen. Da muss man als Eltern schon damit klarkommen, dass man eine gewisse Kontrolle verliert. Persönlich erlaube ich mir in solchen Situationen, auch einmal nachzufragen, weshalb dies so gehandhabt wird. Spannenderweise erlebe ich dabei, dass gewisse Verhaltensweisen nicht bewusst erfolgen, sondern aus einer – vielleicht althergebrachten – Gewohnheit heraus.
In all diesen Fällen muss ich mit meinen Kindern einen guten Mittelweg finden. Ich verbiete ihnen nichts, stelle aber mit ihnen zusammen Regeln auf, zum Beispiel: Wenn schon etwas Süsses, dann nach Möglichkeit etwas mit Nährstoffen, wie zum Beispiel ein selbstgemachter Energy Ball. Wichtig ist am Ende, wie ausgewogen sie übers Ganze essen.
Dein ganzes Wissen und deine Erfahrungen hältst du nicht nur in Form von Beiträgen auf deinem Blog fest, sondern nun auch in deinem ersten Buch. Was soll dein Buch bewirken, was ist deine Mission?
Ich möchte zeigen, dass gesunde Ernährung, die am Familientisch häufig konfliktträchtig ist, durchaus Spass machen kann. Der erste Teil meines Buches ist eher ein Ratgeber, in dem es hauptsächlich um pflanzenbasierte Nahrung geht. Alle meine Rezepte sind vegetarisch / vegan. Ich erkläre, welche Nährstoffe wichtig sind, wo man sie findet, wie man sie Kindern zugänglich machen und wie man mehr Ruhe am Familientisch bringen kann. Im zweiten Teil gibt es viele nach Gemüse sortierten Rezepte, mit denen ich zeigen möchte, dass eine einfache, schnelle und gesunde Küche Freude bereiten kann. Auch möchte ich die Vorteile von frischer Küche gegenüber Fertigprodukten aufzeigen und gebe dabei auch Tipps für die Menüplanung und das Meal Prepping. Es wäre schön, wenn ich mit meinem Buch viele Eltern dazu motivieren kann, sich und die ganze Familie gesünder zu ernähren und gleichzeitig weniger Stress am Familientisch zu haben.
Vielen Dank, liebe Moana, für dieses spannende und wichtige Gespräch. Ich bin überzeugt, dass wir viele Eltern inspirieren können, deine Ansätze auszuprobieren!
Nachfolgend könnt ihr das interessante Gespräch mit Moana Werschler in der gesamten Länge als Podcast hören!
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