Ehrenamtliche Freiwilligenarbeit in der Schweiz
Kürzlich meldete das Radio, dass jeder dritte Schweizer ehrenamtlich Freiwilligenarbeit leiste. Dafür würden die Freiwilligen im Schnitt einen halben Arbeitstag pro Woche aufwenden.
Ich habe mich sehr über diese ehrenhafte Schlagzeile gewundert, denn sie erreichte mich just in dem Moment, als ich erfuhr, dass sich auf den Aufruf der Elternvereinigung, einen Kuchen für den Schulbesuchstag zu backen, nebst mir gerade mal ein weiterer Elternteil gemeldet hätte.
Aber was genau ist „Freiwilligenarbeit“ und weshalb klagen ausgerechnet Elternvereinigungen über mangelndes Engagement, wo doch die eigenen Kinder die grösste Motivation für Freiwilligenarbeit darstellen müssten? Leisten Eltern am Ende nur dann Freiwilligenarbeit, wenn sie dadurch die Geschicke ihrer Kinder ganz direkt beeinflussen können? Wie zum Beispiel ein Vater der – wenn er schon seine Kinder überall hin karren muss – am besten grad Trainer der Fussballjunioren wird und sich damit nebst etwas Ruhm und Ehre vor allem erhofft, den fussballerischen Werdegang seiner Kinder direkt zu beeinflussen?
Backt man hingegen einen Kuchen für den Besuchstag, ist der Aufwand umsonst, da die eigenen Kinder diesen während der Pause auf dem rappelvollen Pausenplatz weder entdecken noch kosten können. Ganz zu schweigen, dass der Kuchen mit unbekannter Herkunft auch keiner anderen Mutter imponieren und die Backleistung demnach nicht gebührend honoriert (sprich: beneidet) werden kann.
Für freiwillige Elternarbeit bekommt man so wenig ein Kompliment wie eine Bescheinigung. Sie ist ein unscheinbares Engagement, das bedingungslos zum Wohle des Kindes geleistet wird. Drum gehe ich mit gutem Beispiel voran und werde ohne grosses Aufheben einen Kuchen backen. Auch wenn ich dafür keinen halben Arbeitstag einsetzen werde, denn: eine Fertig-Backmischung tuts auch. Dafür, dass ihn mein Grosser eh nicht essen wird, ist das mehr als genug des Engagements!
mittwochs immer im Tagblatt der Stadt Zürich
Leistet ihr auch Freiwilligenarbeit? Welche Art? Wenn nein, weshalb nicht?
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17 Kommentare
Tanja
16. November 2011 at 06:20Liebe Rita!
Es kommt wohl immer auch etwas auf die Leute an! Als ich in der Kita in Zürich arbeitete fanden es die Eltern nicht mal nötig, an einnen Elternabend oder Elterngespräch zu kommen (über die Hälfte der Eltern!!)
Hier erlebe ich es ganz anders! Beim Elternabend musste die Kindergärtnerin den Eltern absagen bei Kuchen bringen, weil es wohl wenig gebracht hätte wenn jeder selber Kuchen mitgebracht hätte!
Ich persönlich möchte mich gerne eingeben und mit einbringen im Alltag von meinen Kindern. Aber ob das dann immer so ist? Wenn man mehrere Kinder hat, Haushalt, evt Job dann hat man vielleicht nicht noch Lust dauernd irgendwelche Kuchen zu backen oder an Anlässen auszuhelfen? Wird werden sehen!
Mit einer Freundin zusammen leiten ich jeden Mittwoch Morgen das Nuggizmorge (www.unserbaby.ch/nuggizmorge) Dieser Treff wurde gegründet, weil es in so einem grossen Ort hier mit so vielen Kindern kaum Möglichkeiten gibt, andere Mütter kennen zu lernen. Wir organisieren dies alles Freiwillig. Das Geld was wir einnehmen ist für die Lebensmittel (Brot, Konfi etc), für besondere Anlässe (kürzlich unser 5-jahres-Jubiläum) oder um neue Spielsachen, Hochstühle etc anzuschaffen! Unterstützt wurden und werden wir von verschiedenen Leuten/Firmen (siehe Homepage!)
Tanja
16. November 2011 at 06:21Ach ja….ganz vergessen: Kann ich ein Stück von deinem lecker aussehenden Kuchen haben 😉 ??
SomeintPhia
16. November 2011 at 08:02… was? Der Grosse ist den Kuchen nicht? … ich nehme gerne ein Stück .. 😉
Rita Angelone
16. November 2011 at 12:44@Tamara: Ja, klar, es kommt letztendlich immer auf die einzelne Person an. Und es ist auch so wie du sagst: Der Wunsch sich zu engagieren, steht in Konkurrenz mit all den anderen Tätigkeiten, die man eh schon alle auch machen muss. Dennoch: man muss auch nicht ständig einen Kuchen backen und die Info-Veranstaltungen der Elternvereinigungen finden ja nicht monatlich statt. Es ist wie alles im Leben eine Frage der Prioritäten.
Jedenfalls finde ich dein Engagement biem nuggizmorge super! Habe mir grad die ganze Sache mal angeschaut! Super!
Rita Angelone
16. November 2011 at 12:45@Tanja: …. Migros-Backmischung für Brownies! Die Beste!
Rita Angelone
16. November 2011 at 12:54@SomeintPhia: doch, doch, er würde schon davon essen, wenn er ihn auf dem Pausenplatz bloss finden würde…. Irgendwann bekommst du schon noch ein Stück…
Himbeeri
16. November 2011 at 14:40„Freiwilligen“ Arbeit findet bei uns schon sehr kinderbezogen statt. In der Schule, im Kindergarten und auch im Sportverein. Kuchenbacken, Kinder in den Wald begleiten, Haare föhnen, etc. Natürlich kommt (oder kam) es auch darauf an, ob es mit dem Kleinen machbar ist. Mit der Anerkennung beim Kuchenbacken habe ich keine Probleme, viele erkennen inzwischen meine Werke. 🙂
Bionic Hobbit
16. November 2011 at 16:02Ich bin sicher, dass mindestens die Lehrerin Deinen Aufwand zu schätzen weiss, wenn auch sonst niemand weiss, von wem der Kuchen war… ich habe das Gefühl, die Lehrer haken so was auch auf ihrer Liste ab. Kuchen gebacken -check.
Tanja
16. November 2011 at 16:20Rita: Habe mich grad heute wieder eingedeckt! Ist 30% im Migros…find es auch die beste Mischung und bekomm dauernd Komplimente 😉
Katharina
16. November 2011 at 16:54Ich sag’s jetzt doch, obwohl ich mich schon den ganzen Tag zurückzuhalten versuche:
Leider ist es auch heutzutage noch so, dass wenn Mütter bzw. Frauen Freiwilligenarbeiten leisten, diese selbstverständlich und nicht besonders erwähnenswert ist. Wenn Väter bzw. Männer dies tun, werden sie für ihr Engagement gelobt.
Wer’s nicht glaubt: Wann wurde euer Kuchen backen denn überhaupt schon mal als Arbeit wahrgenommen?
Rita Angelone
16. November 2011 at 17:11@Bionic: Nicht einmal die Kindergartenlehrerin hat es erfahren, weil ich den Kuchen in der Schule abgegeben habe… ist etwas kompliziert. Aber egal. Darum habe ich es ja nicht gemacht, sondern, weil ich mich „verpflichtet“ fühle oder auch dazu „berufen“….
Rita Angelone
16. November 2011 at 17:12@Himbeeri: Tja, deine Cakes, Cookies and more sind eben schon ein richtiger „Brand“!!!!
Rita Angelone
16. November 2011 at 17:12@Tanja: Gestern waren sie noch nicht 30% – blöd…. Gut gewirtschaftet, Tanja!
Rita Angelone
16. November 2011 at 17:14@Katharina: ja, es ist leider immer noch so….
Katharina
16. November 2011 at 17:26Wobei, ich übersetze ja auch ehrenamtlich für mehrere Organisationen, mit denen ich sympathisiere. Diese Arbeit wird sehr wertgeschätzt! Aber es ist halt „richtige“ Arbeit und nicht lismen oder Kuchen backen *augenroll*
Rita Angelone
17. November 2011 at 06:13@Katharina: Klar, das ist eben „bessere“ Arbeit…!
Nicole
17. November 2011 at 09:40Hihi, mir geht es mit den Kuchen ähnlich wie Himbeeri…. 😉 Kann mich da also überhaupt nicht über mangelnde Aufmerksamkeit beklagen. 🙂
Die Cookies-Mischung von Migros kaufe ich aber auch ab und zu, wenns mal schnell gehen soll. Die ist wirklich prima.
Gestern war GG und noch ein anderer Vater im Kiga zum Räben schnitzen. Mein Mann hat das Gefühl, dass Vater-Tätigkeiten inzwischen doch recht „normal“ geworden seien und dass er kaum mehr je ein Wort darüber höre, auch nicht, wenn er wochentags mit den Kids unterwegs sei.
Ich finde schon, dass man, wenn man zu Kuchenspenden aufruft, dann dafür schauen muss, dass man weiss, wer einen gebracht hat und dass man dafür dankt. Daher hätte es bei euch im Kiga, Rita, sicher anders laufen sollen.
Generell finde ich, dass Freiwilligenarbeit zu wenig geschätzt und verdankt wird. Wir brauchen diese, und es ist ein Problem unserer Gesellschaft, dass es immer weniger Leute gibt, die bereit sind, Freiwilligenarbeit zu leisten. Und zwar oft nicht mal deswegen, weil sie zu faul oder so sind, sondern weil sie zu viel sonst haben. Wir merken das auch bei den FDP Frauen. Da haben wir früher Anlässe locker organsieren können und alle haben freiwillig geholfen, aber heute sind halt viele Mütter noch ausser Haus berufstätig, und da muss man mal irgendwo anders Abstriche machen. Und Männer sind deswegen heute weniger für Freiwilligenarbeit zu haben, weil sie nach der Arbeit heimgehen, um noch Zeit für die Kids zu haben. Ist ja auch toll, aber eben – es fehlt so an Freiwilligenarbeit an allen Ecken und Enden!
@Tanja: Ich werde mal extra einen Tag mit GG abtauschen, damit ich am Mittwoch frei habe und zu eurem Nuggi-Zmorge kommen kann. Finde das echt toll, was ihr da macht!