Familienferien und Nachtzugfahrten
Die Sommerferien stehen vor der Tür, und bei mir kommen in letzter Zeit immer öfter Erinnerungen an Nachtzugfahrten nach Italien auf. Nach heutigen Klimaschutz-Massstäben wären wir damals schon als regelrechte Trendsetter-Familie durchgegangen, die per Nachtzug in den Süden fuhr.
Zugfahren – sicher und günstig
Heute reden alle davon, dass man für Reisen innerhalb von Europa den Zug nehmen und auf den Flieger verzichten solle. Wir taten das schon vor Jahren, und es war ganz logisch. Weil nicht nur angenehm, sondern auch sicher und günstig für die ganze Familie. Mag sein, dass wir damals den Entscheid, mit dem Zug zu fahren, nicht in erster Linie aus Klimaschutzgründen fällten, sondern vielleicht nicht zuletzt, weil das Fliegen eine zu teure Alternative dargestellt hätte. Aber getan haben wir es, und es war gut und vernünftig.
Vom Zug zum Flug…
Doch leider kam es, dass irgendwann der direkte Auto-Nachtzug von Zürich-Altstetten nach Neapel aus Rentabilitätsgründen vom SBB-Fahrplan gestrichen wurde. Später fielen auch die direkten Nachtzüge vom HB Zürich nach Rom oder Pescara dem Rotstift zum Opfer. Schade. Wirklich schade. Das war halt die Zeit, in der plötzlich alle überall hinflogen, weil es so günstig wurde.
… und wieder back to the roots
Mit meiner Familie hätte ich die Nachtzug-Reisetradition gerne weitergeführt. Doch leider gibt es nur noch eine Handvoll Nachtzugverbindungen ab Zürich … Immerhin sind wir aber schon via Nachtzug nach Wien gefahren. Mit dem Zug Städte wie München oder aber, wie diesen Sommer geplant, auch Paris und London anzusteuern oder mit dem Zug in die Skiferien oder Glampingferien zu reisen, erscheint uns weniger als etwas wahnsinnig Fortschrittliches als vielmehr Naheliegendes.
Ich freue mich deshalb persönlich sehr, dass die SBB wieder neue Nachtzugverbindungen prüfen. Auf dass unsere Jungs in ein paar Jahren via Nachtzug vielleicht nach Südfrankreich oder Ungarn reisen können. Wie ich damals als Studentin.
10 Kommentare
E.H
5. Juni 2019 at 06:39Erinnerung kommen auf beim Lesen. Nachtzug nach Paris am Morgen kurz vor Sieben schon den Cafe in Paris trinken. Es war cool im rollenden Massenschlag in anderen Städten zufahren wie Amsterdam/Rom etc und am nächsten Tag in einer neuen Welt anzukommen.
Rita Angelone
5. Juni 2019 at 07:14Liebe Elke, ohja, welche Erinnerungen! Der rollende Massenschlag, das gefällt mir sehr. Ich liebte es, so zu reisen! Herzlich Grüsse und danke für deine schöne Rückmeldung, Rita
Yasmin
5. Juni 2019 at 08:33Oh… Das hatte ich fast vergessen, als Teenie/junge Erw. standen wir oft einfach mit gepackter Wochenend Tasche am HB und überlegten vor der grossen Anzeigetafel; wo möchten wir Morgen sein!? Berlin, Amsterdam, Paris, Rom, Wien, …
Und es gab dieses coole „Europa GA“ für Jugendliche (3, 4, ,5, … Wochen freue Fahrt in zuvor gefühlten Zonen).
Gleich zwei Sommer habe ich so mit Freunden, dem Rucksack und einem kleinen Zelt Europa entdeckt. Ob es das noch gibt? Wohl kaum ?
Ruth Obrist
5. Juni 2019 at 11:11Ich bin mit meiner Tochter im Frühling 1989, als der Schulanfang vom Frühling auf den Sommer verlegt wurde, mit dem Nachtzug nach Spanien gefahren. Den Talgo gab’s noch nicht. Man reiste nachts durch Frankreich und kam um sechs Uhr in der Früh in Perpignan/Cerbère an, trank einen Kaffee in der Bahnhofshalle, in der die Mauersegler herum flogen, dann nahm man den spanischen Zug mit der breiteren Spur und fuhr der Costa Brava, dem Meer entlang, bis Barcelona. Von Barcelona fuhren wir nach Granada und ans Meer. Später hat meine Tochter auch solche Reisen mit dem ÖV unternommen: durch Spanien, von Schweden bis Portugal, von Istanbul durch die Türkei bis nach Damaskus (vor 10 Jahren war noch kein Krieg, die Kulturgüter standen noch). Dann hat sie sich leider auch von der Billigfliegerei beeinflussen lassen. Hoffentlich entdecken sie später als Familie, wenn die Kinder etwas grösser sind, wieder einmal das Abenteuer des Zugreisens.
Ich bin einige Male, noch mit 3.-Klass-Zügen durch Spanien gefahren. Und bin auch in den späten 60er Jahren von Zürich über Land mit öffentlichen Verkehrsmitteln durch den Balkan, Anatolien, Persien, Afghanistan, Pakistan, Nordindien bis Nepal gereist. In jedem Land eine andere Sprache (gottseidank, dass bis vor Pakistan noch niemand englisch sprach), eine andere Sprache, eine völlig andere Kultur; in den Grenzregionen begannen sich Kulturen mit der nachbarschaftlichen zu mischen und wurden, je tiefer im Land, wieder einheitlicher.
Es gibt wohl auch Grosseltern, die noch so topfit und abenteuerlich mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs sein können. Weiss nicht, ob ich das auch noch einmal hinkriege.
Rita Angelone
5. Juni 2019 at 11:43Liebe Yasmin, danke für das Teilen so schöner Erinnerungen! Lieber Gruss, Rita
Rita Angelone
5. Juni 2019 at 11:46Liebe Frau Obrist! Oh, ja, stimmt: Diese spanischen Züge, die breiter waren. Hatte ich ja ganz vergessen – meine Mutter ist Spanierin. Nach Spanien fuhren wir interessanterweise immer mit dem Auto. Nach Italien mit dem Zug. Das Fliegen wollen wir auf keinen Fall verteufeln – dadurch, dass es günstiger wurde, haben so auch viele Menschen mehr die Welt kennen lernen dürfen. Das ist ja per se etwas Schönes. Nicht nur die Reichen können ein fernes Land besuchen, sondern auch Leute, die aufs Geld schauen müssen. Was ich finde: Wir sollten einfach jedes Mal überlegen, ob es eine passende Alternative gibt. Manchmal ist der Zug nämlich nicht viel mühsamer oder langsamer oder was auch immer. Und manchmal, da darf man auch fliegen.
Ihnen wünsche ich wie immer nur das Beste – ich habe grosse Freude, dass wir uns über diesen Kanal austauschen! Rita Angelone
Ruth Obrist
5. Juni 2019 at 22:34Oh schön! Dann sind Sie offenbar halb Spanierin, halb Italienerin. Wenn Sie jeweils mit dem Auto nach Spanien fuhren, dann muss das wohl Nordspanien gewesen sein, denn Barcelona-Andalusien ist ja nochmals das Doppelte von der Schweiz bis Barcelona. Die Zugreise von Granada bis Barcelona betrug ja schon – Verspätung exklusive – 24 Stunden.
Der Flug Zürich-Jerez dauert dreieinhalb Stunden. Wir kämen mit den kleinen Kindern im ÖV kaum dorthin. Die Zeiten ändern sich, immer wieder.
KARL ROTHFUSS
8. Juni 2019 at 11:52folgendes habe ich heute dem Tagblatt geschrieben:
„Rita Angelone möchte ich gratulieren zu ihrer gelungenen kolumne
„nachtzug-revival“.
ich habe es damals auch sehr bedauert, dass die nachtzüge nach italien
eingestellt worden sind. deshalb bin ich wie Frau Angelone froh, dass
die SBB wieder nachtzugverbindungen prüfen will. dahinter stehen
petitionen des konsumentenschutzes und anderer organisationen.
hartnäckigkeit hat sich in diesem fall ausbezahlt. Karl O. Rothfuss, Zürich“
folgendes möchte ich anschliessen: der einfachheit halber und weil mich und meine frau Traudl
dein gesunder menschenverstand, liebe Rita, in all deinen kolumnen anspricht, möchte ich einfach
auf diesem weg „Du“ zu Dir sagen. einverstanden? so eine fahrt im nachtzug per Liegewagen nicht
immer bequem, war immer ein erlebnis, besonders als teilnehmer einer gruppe. frohe Pfingstgrüsse Karl Otto (schon etwas älter)
Rita Angelone
9. Juni 2019 at 16:28Lieber Karl! Vielen Dank für deine schöne Rückmeldung! Es freut mich sehr, dass auch du dich über die Ausbaupläne der SBB freust. Danke vielmals für den Input, den du direkt dem Tagblatt gemachst hast – das unterstützt meine Arbeit sehr!
Ich freue mich über das angebotene „Du“ und grüsse dich und deine Frau herzlich! Auf bald wieder – im Tagblatt und auf diesem Kanal! Herzlichst, Rita (auch nicht mehr die Jüngste)!
KARL ROTHFUSS
11. Juni 2019 at 10:53herzlichen dank, liebe Rita,
für deine antwort, obwohl du noch anderes zu tun hast, wie wir wissen.
deine erfrischende art zu berichten und zu schreiben, erfreut uns jede woche. wir fühlen uns verstanden
und auch in unserer lebensweise bestätigt. vieles, das du berichtest aus eurem leben, sollte eigentlich
das „normale“ sein, ist aber oft die ausnahme. weiter so, bleibt alle gesund. herzliche grüsse an deine familie und dich, liebe Rita, von Karl O. und Traudl E.