Wenn Familie und Freunde in der Ferne leben
Wer weiss, wie es ist, wenn die lieben Leute nah und fern leben? Wenn man weit weg von der Ursprungsfamilie lebt, vielleicht in einem anderen Dorf, in einem anderen Kanton oder gar in einem anderen Land oder auf einem anderen Kontinent? Ich kann aus eigener Erfahrung berichten, denn dieses Jahr lebe ich gleich viele Jahre in Italien, wie ich in der Schweiz gelebt habe. Ich habe nämlich die ersten 22 Jahre in der Ostschweiz gelebt und bin im Jahr 2000 nach Italien übergesiedelt, wo ich heuer bereits ebenfalls 22 Jahre lebe. Und so lange schon packe ich dann und wann die Koffer, um meine Familie und Freunde zu treffen und um ein paar Tage zu meinen Wurzeln zurückzukehren.
Zwei Seelen in einer Brust
Ich weiss, was es heisst, kurz vor den Feiertagen nicht nur das Weihnachtsessen vorzubereiten, sondern gleichzeitig die Koffer zu packen. Ich weiss, was es heisst, «nach Hause» zurückzukehren, um dann ebenfalls wieder «nach Hause» zurückzureisen. Das ist, wie wenn man zwei Seelen in seiner Brust hat, man fühlt sich beiden Ländern zugehörig und doch keinem so richtig. Ich weiss, was es heisst, das Auto vollzupacken, um dann stundenlang unbequem auf dem Beifahrersitz zu reisen, weil ich all meinen Lieben ein kleines Geschenk aus Bella Italia mitbringen möchte. Ich kenne das Hoffen und Bangen, dass ja keines meiner Kinder so knapp vor Abreise krank wird und die Erleichterung, wenn alle wohlauf im Familienwagen sitzen und gen Norden düsen. Ich kenne die unbändige Freude, die lieben Leute gesund und munter anzutreffen, ich liebe die tiefgründigen Gespräche, die wir führen, auch wenn wir uns so selten sehen.
Der ständige Kloss im Hals
Ich kenne aber auch das Tränchen, das ich verdrücke, wenn ich meine 97jährige Grossmutter verabschiede, mit dem Wissen, nicht zu wissen, ob ich sie je wieder sehen werde. Ich kenne das Gefühl, mich mit einem Frosch im Hals zu verabschieden und im vollbepackten Auto einen Blick auf die Zurückgebliebenen zu erhaschen und zu winken, bis wir um die Kurve sind. Tieftraurig zu sein und nicht zu wissen, ob und wann es ein Wiedersehen geben wird. Die Tränen auch mal fliessen zu lassen, so, wie wenn sich ein Wasserhahn selbständig gemacht hätte, denn «es fliesst einfach». Ich kenne das Gefühl der Einsamkeit und des leichten Verwirrtseins, bis ich erst einige Tage nach meiner Rückkehr wieder in meinem «alten neuen Leben» angekommen bin. Doch ich fühle mich wirklich hier zuhause, und kenne mittlerweile viele liebe Leute, die in derselben Situation leben. Das Leben ist dynamisch und keiner lebt unbedingt dort, wo er oder sie geboren oder aufgewachsen ist.
Doch meine Gefühle und Emotionen sind immer noch dieselben, und werden auch so bleiben, nehme ich an. Und sie nehmen vielleicht noch zu, je älter und bewusster ich mir dessen werde. Bewusster werde ich mir auch darüber, dass meine Eltern nicht jünger werden und sich der unvermeidbare definitive Abschied nähert. Was dereinst mal sein wird, weiss niemand. Und das ist gut so. Dennoch ist Heimat dort, wo das Herz ist. In meinem Fall halt einfach an zwei verschiedenen Orten.
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