Familienleben

Das kontroverse Thema: „En Chlapf zur rächte Zyt“ – Strafen früher und heute

Bild von G. Altmann auf Pixabay

Kinder und Strafen – früher und heute

Schaue ich zurück auf meine Kindheit und auf die Art und Weise, wie ich von meinen Eltern bestraft wurde, stelle ich fest, dass sich manches verändert hat. Wurden früher Kinder „harter angefasst“ im überlieferten Glauben, dass bisweilen auch körperliche Züchtigung notwendig sei, um den Gehorsam aufrechtzuerhalten, stellen wir heute den ominösen „Chlapf  zur rächte Zyt“, der noch keinem Kind geschadet habe, doch vermehrt in Frage.

Das Strafverhalten hat sich in den letzten Jahren zwar verändert, ist aber immer noch nicht völlig frei von Körperstrafen. Dies besagt eine Studie zur Entwicklung des Bestrafungsverhaltens von Erziehungsberechtigten:

  • Die meist verbreitete Strafform ist das Schimpfen. Kinder werden zur Strafe aber auch gerne ins Bett oder ins Zimmer geschickt oder erhalten Fernseh-, Nachtessen- oder Dessertverbot und bisweilen auch Hausarrest. Kindern wird auch mit Schlägen gedroht und es wird auch heute noch angegeben, dass Kinder geohrfeigt oder geschlagen werden – bisweilen auch mit Gegenständen.
  • Grundsätzlich strafen Eltern heute eher mit Verboten und Liebesentzug als mit Körperstrafen.
  • Kinder zwischen 2 1/2 und 4 Jahren sind Körperstrafen am häufigsten ausgesetzt. Von diesem Alter an sinkt die Häufigkeit kontinuierlich.
  • Knaben müssen eher mit Körperstrafen rechnen als Mädchen.
  • Väter wenden häufiger verbietende Massnahmen an, während Mütter eher zur Bestrafung durch Liebesentzug neigen.
  • Belastete Eltern, die in ihrer Jugend körperlich bestraft wurden, wenden häufiger Körperstrafen an.

Alles in allem hat im Bereich der Bestrafung eine gewisse Sensibilisierung stattgefunden und die Anzahl Eltern, die von der Körperstrafe Gebrauch machen, ist in den letzten Jahren gesunken.

Bei den häufigst genannten Strafanlässen hat sich hingegen kaum etwas geändert: Bezüglich der jüngsten Kinder ist Ungehorsam nach wie vor ein wichtiger Auslöser, gefolgt von häufigem Schreien, schlechten Tischmanieren und Unhöflichkeit.

Doch was bewirken Strafen überhaupt?

Nur wenige Eltern geben an, dass sie mit dem Strafen ihre Ziele erreichen. Kinder brauchen zwar klare Grenzen, benötigen für ihre Entwicklung aber besser mehr Wegweiser, die ihnen die Richtung angeben anstelle der vielen Verbotsschilder, die nur das Negative betonen. Heikel ist auch, dass Kinder durch Strafen eher noch mehr Aufmerksamkeit für ihr unerwünschtes Tun erhalten. Das unerwünschte Verhalten kann dadurch sogar an Attraktivität gewinnen.

Wenn Strafen ein effizientes Mittel wären, müssten sie also nicht so häufig angewendet werden! Dennoch: in ihrer ganzen Wut, Enttäuschung und auch Überforderung scheinen alle Eltern wider besseren Wissens und entgegen allen gesellschaftlichen Wandels immer wieder zu diesem letzten aller Mittel zu greifen oder greifen zu müssen. Umso wichtiger ist es deshalb, dass wir uns immer wieder ganz bewusst Gedanken machen, weshalb und wie wir unsere Kinder strafen, ob und was es uns allen wirklich bringt und welche andere Handlungsoptionen uns zur Verfügung stehen.

Wie habt ihr es mit dem Strafen? Welches Strafverhalten legt ihr an den Tag? Mit welchem Resultat?

Quelle: www.stoppkindesmisshandlung.ch

Passend zum Thema hat sich auch Katharina vom Blog „Mama hat jetzt keine Zeit“ Gedanken gemacht:

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27 Kommentare

  • Andrea Mordasini, Bern
    28. Februar 2012 at 21:54

    Hoi Rita 🙂

    Ein Kind zu schlagen, ist schäbig und inakzeptabel! Es gibt nichts Feigeres als einen Schwächerem Schmerzen zuzufügen, das darf nicht sein. Es käme mir nie in den Sinn, meine Kinder nach einer „Schlagattacke“ ebenfalls zu hauen – was ist denn das für eine Logik?! Wie soll ein Kind denn lernen, dass es nicht schlagen soll, wenn ich es als Strafe ebenfalls tue…? Aber, ich bin nun ehrlich – auch in bin auch nur ein Mensch und nicht perfekt. Und leider ist mir im Affekt/als Abwehr auch schon mal die Hand ausgerutscht bzw. habe an den Haaren gezogen. Das tat und tut mir leid, denn es entspricht nicht meinem Erziehungsstil und kommt zum Glück sehr sehr selten vor! Und schliesslich wurde ich selber auch ohne Füdletätsch, Ohrfeigen, Haare/Ohren ziehen gross. Darum sind meine Eltern für mich Vorbilder. Meine Kinder will ich genau gleich durchs Leben hindurch begleiten. Strafen: grundsätzlich bin ich gegen das typische Bestrafen. Doch manchmal geht es nicht anders… Ich versuche, wenn möglich logisch zu bestrafen, was nicht immer einfach ist und auch nicht immer funktioniert. Räumen die Kinder abends das Zimmer nicht auf (mit Hilfe meinerseits), dann dürfen sie anschliesend keine Folge Tom+Jerry schauen. Dies geht zwar auch schon wieder ins Drohen/Erpressen, was mir persönlich auch nicht so passt, aber in der Regel funktionierts mit der Aufräumerei ;). Was Kinder neben einigen Regeln/Grenzen vor allem brauchen, sind keine Schläge, sondern vor allem viel Liebe, Nähe, Wärme und Geborgenheit. So wachsen sie zu selbstsicheren, selbstbewussten, anständigen und respektvollen Erwachsenen heran.

  • Rita Angelone
    28. Februar 2012 at 22:10

    @Andrea: Hey, hoi! Danke für deinen ausführlichen und ehrlichen Kommentar, den ich grad vorhin auf dem wir eltern-Blog gelesen habe.

    Und super auch dein Leserbrief in der Migros-Zeitung zum Thema Impfen! Ich werde im Juni an der FamExpo zu diesem Thema eine Podiumsdiskussion moderieren. Das wird spannend!

    Lieber Gruss nach Bern und auf bald wieder!

  • Andrea Mordasini, Bern
    28. Februar 2012 at 23:17

    Hoi Rita :)!

    Merci viumau für die Blumen ;)! Alles Gute und eine tolle Zeit!

    Liebi Grüessli us Bärn (me liest sech ;))

  • Bionic Hobbit
    29. Februar 2012 at 08:27

    @Andrea: Es liest sich schon etwas komisch, dass Sie Hauen inakzeptabel, feige und schäbig finden, und im nächsten Satz sagen, dass Ihnen auch gelegentlich die Hand ausrutscht und sie die Kinder an den Haaren ziehen…. ich meine, danke, Sie sind ehrlich. Aber fangen Sie bitte Ihre Predigt doch nicht mit all diesen schönen Worten an, wenn auch Sie ihre Kinder an den Haaren ziehen!!
    Ich glaube, das Thema wurde schon im Mamablog diskutiert und es wurde mir fast schlecht vor lauter heiliger Kommentare all dieser Gutmenschen, die das Hauen so verachten, la-di-da, und bei denen so intellektuelle, spirituelle und sanfte Massnahmen genügen. Ich bin überzeugt, dass die meisten Leute vom Hauen nichts halten, denn es funktioniert ja in der Regel nicht, das merken doch alle. Sogar die, die ihre Kinder richtig fest hauen. Die Hauer sind einfach am Anschlag. Gerade heute, wo Mütter oft ganz alleine ihre Brut erziehen müssen, kann ich mir vorstellen, dass sogar wieder mehr (im Versteckten) gehauen wird. Mir rutscht auch des öfteren die Hand aus, wenn ich schockiert und sprachlos bin, oder wenn ich ausgebrüllt und ebenfalls sprachlos bin. Ich könnte dann auch heulen und entschuldige mich bei dem Geschlagenen und komme mir mies vor. Nach einigen Ausrutschern versuche ich jetzt manchmal, meine Kinder zu warnen, dass ich jetzt dann bald hauen werde… beim Grossen wirkt das (leider) auch schon. Das schlimmste ist, wenn ich am Ausflippen bin und sich der Grosse schon mal prophylaktisch die Hand über den Kopf hebt: Habe ich den schon so oft gehauen? Ich habe kürzlich gelesen, dass Kindsmisshandlung bei Familien mit Zwillingen öfters vorkommt, und schon fühle ich mich ein bisschen weniger allein. Ich sage Ihnen, ich verstehe das ganz gut! Anstatt die Hauer immer so mit Entsetzen zu Verurteilen und an den Pranger zu stellen, sollten wir ein bisschen mehr Verständnis aufbringen.

  • Rita Angelone
    29. Februar 2012 at 08:42

    @Bionic: Du schreibst zwar Andrea an, aber da muss ich gleich auch intervenieren: Was denkst du, weshalb ich dieses Thema aufgegriffen habe? Und gerade der abschliessende Absatz sagt das, was du auch sagst und was ich auch meine: Wir wissen alle, dass es schlecht ist, dass es nichts nützt, dass es verwerflich ist. Aber es scheint irgendwie ein natürlicher Reflex zu sein. Ein wenig auch wie bei Tieren. Aus Wut, Verzweiflung, Schockiert sein…. und vor allem aus Überforderung schlagen wir eben dann doch hin und wieder eine. Ich auch, liebe Bionic. Und auch ich versuche bereits im Vorfeld alle davor zu warnen, dass ich jetzt dann nicht mehr weiter weiss, dass ich jetzt dann nur noch lauter werden kann und… dass ich dann wohl nur noch eine hauen kann, wenn das Theater nicht aufhört. Und dann erschrecke ich auch, wenn die Kleinen aus Angst tatsächlich ruhig werden.
    Dennoch, Bionic, wir sind keine „Hauer“, weil wir wollen das ja auch nicht. Wir machen das nicht gezielt. Ich glaube, dass Andrea Mordasini DAS sagen wollte. Auf dem wir eltern Blog haben andere auch kommentiert und sagen z.T. dasselbe: Sie verachten das systematische Strafen und Hauen, aber allen ist die Hand auch schon ausgerutscht.
    Ach, Bionic, ich glaube einfach, dass wir Menschen manchmal noch viel mehr Mensch sind als uns allen lieb ist, jedem Verstand, jedem gesellschaftlichen Wertesystem zum Trotz. Irgendwo sind wir ein Stück weit wie Tiere getrieben, bloss dass wir mehr Verstand haben, um es zu bereuen und um uns danach zu schämen.
    Wichtig ist für mich, dass ich JEDEN EINZELNEN TAG versuche, gut zu sein, besser zu werden. Aber ohne Fehler, dass schaffe ich nicht.

  • Nicole
    29. Februar 2012 at 09:14

    Ganz ehrlich? Zumindest ich als Kind hätte es manchmal vorgezogen, eins auf den Popo zu bekommen oder eine Ohrfeige zu erhalten und dann wäre es fertig gewesen….. Klingt jetzt vielleicht komisch, aber Schimpfen oder auch Liebesentzug kann manchmal auch eine grausame Strafe sein. Ich weiss grad‘ nicht recht, wie ich es ausdrücken soll, denn ich möchte natürlich die Körperstrafe keinesfalls gutheissen, aber ich denke trotz allem, dass man manchmal auch bei „normalen“ Strafen im Empfinden des Kindes sehr brutal sein kann. Das wird oft nicht beachtet.
    Ja, Rita, das ist ein guter Satz – wir versuchen jeden Tag, gut zu sein und besser zu werden, aber wir akzeptieren, dass wir nicht fehlerfrei sind.

  • Rita Angelone
    29. Februar 2012 at 09:41

    @Nicole: Danke, Nicole. Auch bei dir finde ich Sätze, die ich nachvollziehen kann, z.B. „… ich will Körperstrafen keinesfalls gutheissen, aber…“ Ja, man kann auch ohne Körperstrafen ganz brutal sein zu Kindern. Aber das wird dann ganz allgemein als weniger schlimm betrachtet, als ein „Chlapf“. Nochmals: ich möchte so gerne ohne Strafen leben können und frage mich manchmal, wieso Kinder nicht einfach begreifen, dass es so einfach wäre, es gut miteinander zu haben, wenn sie bloss lieb wären. Aber da fängts ja gleich wieder an. Kinder können ja gar nicht „lieb“ sein, weil das ein so weiter Begriff ist und weil sie sich ja irgendwie gegen die Eltern auflehnen müssen, um selber zu wachsen etc. etc.
    Ach – zum allerletzten Mal: wären wir schlechte Mütter, würden wir uns wohl nicht so viele Gedanken machen.

  • Nicole
    29. Februar 2012 at 09:50

    Ich habe eine Kollegin, die so ein „immerliebes“ Kind hat – das Mädchen ist 4. Mir ist sie unheimlich. Ich warte auf den Riesen-Chlapf, und wenn der nicht kommt, dann habe ich Angst um das Mädchen, wenn es mal erwachsen ist und auf eigenen Füssen stehen muss. Ja, das Rebellieren, Grenzen suchen und überschreiten etc. gehört dazu. Und ich würde mich schlecht fühlen, wenn wir Kids hätten, die das nicht machen würden….

  • Rita Angelone
    29. Februar 2012 at 09:59

    @Nicole: ich war ein so immerliebes Kind… bis zur Pubertät. Da kam der Chlapf. Und mit 18 verliess ich das Elternhaus.

  • Katharina
    29. Februar 2012 at 10:04

    Also als Erstes: Ich sehe Andreas Worte mehr als Selbstkritik denn als Kritik an anderen Müttern. „Hauen ist inakzeptabel und doch passiert es mir – deshalb muss ich an mir arbeiten“ – in etwa diese Aussage lese ich bei ihr raus.

    Frage: Auch unsere werten Ehemänner treiben und manchmal zur Weissglut. Weshalb hauen wir sie nicht? Weil sie zurückhauen könnten! Und sie hauen uns nicht, weil sie wissen, dass wir dann sofort die Koffer und Kinder packen würden.

    Wenn Erwachsene Erwachsene hauen, folgt die Sanktion unmittelbar. Wenn Erwachsene Kinder hauen, kommt sie schleichend. Eines Tages lachen die Augen nicht mehr und dieser „was kostet die Welt-Blick“ wird verschwunden sein und Resignation Platz gemacht haben. Will ich das riskieren?

    Die Wahl, die ein gewalttätiger Mann hat, haben wir Mütter im Notfall auch: Zuschlagen oder den Raum verlassen? Zuschlagen oder verbal ausdrücken, wie wahnsinnig wütend man ist?

    Ich finde es extrem wichtig, in diesen Bereichen an mir selber zu arbeiten, denn ich möchte diesen Teufelskreis wirklich durchbrechen. Ich möchte meinem Sohn die Ressourcen mitgeben, in Stresssituationen eben NICHT zuschlagen zu müssen. Aber um dies zu können, muss ich ein Vorbild sein, muss ich vormachen können, wie es anders geht – auch und hauptsächlich in der Interaktion mit ihm selber! Wer sagt: „Hör auf Schwächere zu hauen sonst haue ich dich“ ist nicht glaubwürdig!

    Was ich hier schreibe ist keine Kritik an anderen, sondern Dinge die ich mir sehr oft durch den Kopf gehen lasse oder wieder in Erinnerung rufe. Denn wir sind ja grad in einer sehr stressbehafteten Periode (Trotzphase) und da überfällt einem schon manchmal die Lust, das geliebte Kind über’s Knie zu legen. Will mir gar nicht vorstellen wie das sein muss mit mehreren Kindern in dem Alter *augenroll*. Aber auch da würde ich mir täglich sagen: ICH WILL DAS NICHT! womit in 99.9% der Fälle das Gehirn wieder einhenken kann und die Kontrolle zurückgewonnen ist.

  • Katharina
    29. Februar 2012 at 10:06

    @Nicole, Rita: Kann man als Eltern denn keine Grenzen setzen, wenn man nicht ständig Strafen verhängt oder noch schlimmer: Ohrfeigen verteilt?

  • Bionic Hobbit
    29. Februar 2012 at 10:46

    @Rita:

    „Wir wissen alle, dass es schlecht ist, dass es nichts nützt, dass es verwerflich ist. Aber es scheint irgendwie ein natürlicher Reflex zu sein. “
    Könnte es sein, dass die ganze Experten-Schwätzerei um das Kinder nicht Schlagen Thema nur wieder dazu beiträgt, Müttern ein schlechtes Gewissen zu machen?
    Ich bin selbst nicht viel geschlagen worden, kann mich an vielleicht 3 mal erinnern, da habe ich es aber voll verdient!! Ich kann mich aber nicht erinnern, meine Mutter jemals so zur Wortlosigkeit gebracht zu haben. Ich war auch eher brav und dann mit 17 aus dem Haus. Die paar Schläge werfe ich meiner Mutter überhaupt nicht vor, da gibt es ganz andere Dinge….

  • Rita Angelone
    29. Februar 2012 at 10:56

    @Katharina: Dein Kurzer ist noch gar etwas kurz und auch er wird irgendwann mal testen wollen, was passiert, wenn er eine Grenze überschreitet. Und dann musst du dich entscheiden, was die Konsequenz ist: Verbot? Entzug? Geschrei? Chlapf? Irgendetwas muss kommen, sonst macht die Grenze keinen Sinn mehr. Im Kindergarten des Grossen ist es derzeit so, dass die „bösen Buben“ für gutes Behnemen einen Smiley bekommen, für schlechtes einen mit einem Lätsch. Nun sind sie seit Wochen am Kleben. Ohne Konsequenze – weder fürs gute Benehmen, noch fürs schlechte. Das hat dazu geführt, dass die ersten das Heft schon mal weggeschmissen haben, nach dem Motto: Wieso soll ich lieb sein? Um Kleber zu sammeln? Wieso? Wenn die, die böse sind genau gleich viele Kleber bekommen, einfach nur mit einen Lätsch? Folglich müsste jetzt eine Konsequenz kommen von der Lehrerin. Bloss welche? Vor die Tür stellen? Nach Hause schicken? Anbrüllen? ….. Das ist wirklich nicht so einfach.

  • Rita Angelone
    29. Februar 2012 at 11:09

    @Bionic: Ich glaube je länger je mehr, dass wir in der heutigen Zeit einfach zu fest wollen, dass Kinder und Familie DAS REINE GLUECK darstellen sollen. Und drum setzen wir uns alle dermassen unter Druck. Und wenn man mal traurig oder überfordert ist, darf man es nicht zugeben, weil MAN WOLLTE DIESES VOLLKOMMENE GLUECK NAMENS FAMILIE JA SO SEHR. Und wenn man etwas so sehr wollte, dann darf es einen nicht stressen und man darf nicht schlecht damit umgehen etc. etc. Früher bekam man einfach Kinder, die liefen einfach mit oder auch nicht und wenn sie blöd taten, dann schlug man sie eben, wie man eine Chälbli schlug, das nicht geradeaus lief. Was solls? Und die Kinder mussten am Tisch stehen und durften nicht reden und und und. Natürlich ist das nicht gut – von uns aus betrachtet. Aber damals wars einfach so. Und jetzt, wo die Kinder eben „ebenbürtig“ sind, jetzt haben wir das Geschenk, weil sie nicht mehr „unterdrückbar“ sind. Und nochmals: natürlich wollen wir unsere Kinder nicht unterdrücken, und schlagen und strafen, aber dass die Erziehung jetzt nicht mehr ganz so einfach ist, das ist wohl klar, oder? Die Experten täten jetzt langsam besser dran, das Thema auszuweiten und zu überlegen, wie man Lösungen findet für sinnvolles Grenzen setzen und Strafen in der heutigen Zeit. Und wie das zwischen Familie und Schule laufen soll. Denn jeder straft und lobt wie er will und die Kinder kommen gar nicht mehr draus, was jetzt gut und was nicht ist. Das ist auch ein Problem. Dass Strafen und Schlagen schlecht ist, dass wissen wir nun langsam. Trotzdem kommen wir nicht weiter, wie Statistiken immer wieder zeigen. Also müssen wir den Fokus doch langsam darauf legen: Wieso gelingt es nicht? Wie können wir versuchen, dass es gelingt? ….
    Und nur noch etwas zum Schluss: Dass Kinder ihre Eltern heute derart zur Wortlosigkeit bringen können (auf dem wir eltern Blog schreibt jemand, dass er sogar angespuckt wird), das gabs früher wahrscheinlich deshalb weniger, weil man viel vorher die Leine anzog (sorry für den nächsten tierischen Ausdruck). Aber ist doch so.
    Und noch was: meine kassierten Schläge in der Kindheit und Jugend waren auch nicht der Grund, weshalb ich so früh auszog.

  • Rita Angelone
    29. Februar 2012 at 11:15

    @Kath: einverstanden!

  • Nicole
    29. Februar 2012 at 11:27

    @Rita: Bitte nicht nach Hause schicken, denn da stehen sie dann vor verschlossener Türe, weil wir bösen Mamis gerade am Arbeiten sind….. Bei uns im Kiga haben im Herbst drei „böse Buben“ (unter anderem unserer….) noch beim Aufräumen im Garten helfen müssen, weil sie das vom Abwart zusammengerechte Laub wieder verteilt hatten… Die Kigä hat dann mit den dreien draussen aufgeräumt. Das hat ihnen gestunken, und sie haben daraus ihre Lehre gezogen (zumindest Nando hat zuhause alles erzählt und dann gesagt, dass er das nicht mehr machen wolle, weil er statt Aufräumen viel lieber noch weiter in der Bau-Ecke gebaut hätte….).
    @Kat: Das Verhalten eines trotzenden Kindes würde ich jetzt nicht unbedingt mit demjenigen des Mannes vergleichen wollen – und übrigens habe ich da zugegebenermassen in einem sehr schlimmen Streit auch mal die Faust auf seinen Arm gehauen, weil ich nicht mehr weiterwusste….. Ohrfeigen verteilt habe ich aber noch nie, denn die paar wenigen Male, in denen ich geglüht habe vor Weissglut, da hatte ich mich offenbar doch noch sehr im Griff, denn dann gab es höchstens einen Po-Klapser, und der hat garantiert nicht weh getan. Ich finde das deswegen noch immer nicht gut, aber eigentlich eben nicht anders, als wenn man sonst eine Konsequenz durchzieht. Ich muss übrigens auch auf keinen Fall „ständig strafen“, aber es gibt halt Momente, wo ich finde, dass das Konsequent-Bleiben halt zu einer Strafe führen muss, wenn das Kind die klar gesetzte (!) Grenze überschreitet. Wenn z.B. die Legos durch die Gegend fliegen und ich sage, dass ich sie für den Rest des Tages wegräume, wenn noch ein Stein fliegt und dieser dann eben fliegt, dann müssen die Legos weg. Dann wird beim nächsten Mal vermutlich nicht mehr geworfen. Das ist eine Strafe, aber die Kinder können sie nachvollziehen.

  • Bionic Hobbit
    29. Februar 2012 at 14:45

    @Nicole: das mit dem Rumschmeissen ist auch bei uns ein Thema. Leider ist eine meiner Reaktionen bei Weissglut (zur Vermeidung des Hauens) auch das Schmeissen. Kürzlich haben sie sich so sehr gestritten, wer welchen Plastikteller (mit Pooh, Incredibles oder Lion King) haben darf. Da habe ich die 3 Teller einfach aus dem Fenster in den Schnee geschmissen. Dann war bestürzte Ruhe. Ich dachte mir, das sollte ich öfter machen. Leider zieht es dann wohl auch nicht mehr….
    Vielleicht sollte man immer mal wieder eine neue Reaktion aus der Tasche ziehen.

    @Rita: bin einverstanden, dass man sich zwischen Schule und Familie ein bisschen synchronisieren dürfte beim Erziehen.
    Ich habe damals in Afrika ein bisschen miterlebt, wie das mit den Kindern ging, wahrscheinlich war das bei uns früher ähnlich: Jeder im Dorf machte bei der Erziehung mit. Und wenn jemand ein Nachbarskind bei was ertappte, durfte er ihm auch eins hauen. Die Kinder wussten sehr wohl, dass es sich nicht lohnt, daheim über den Nachbarn zu jammern, denn sonst hät’s wohl noch mehr Haue gegeben. Ausserdem musste jeder allen gehorchen, die älter waren als man selbst. Das lief ganz gut, wurde auch nicht ausgenützt. Im Gegensatz zu diesen „archaischen“ Methoden („it takes a village to raise a child“) haben diese Kinder sehr viel Liebe und Wärme von allen Seiten erfahren. Natürlich kann man jetzt sagen, zum Glück sind wir nicht in Afrika…

  • Katharina
    29. Februar 2012 at 16:01

    @Nicole: Auf jeden Fall ist eine körperliche Attacke etwas anderes, als beispielsweise das Kind die Suppe selber auslöffeln lassen, die es angerichtet hat (aka „Wiedergutmachung“ bzw. „logische Konsequenz“). Eine Körperstrafe ist immer eine Verletzung der persönlichen Integrität des anderen Menschen, eine Grenzüberschreitung und sie hat in jedem Fall eine Auswirkung auf den Selbstwert des geschlagenen Menschen (es gibt auch andere, nicht-körperliche Grenzüberschreitungen und Integritätsverletzungen, aber um die geht’s hier jetzt grad nicht).

    Nochmal @Nicole: Ich bin einverstanden, dass es Regeln geben muss und Sanktionen, wenn diese verletzt werden. Aber, grosses ABER: Wenn die Sanktion überhaupt langfristig etwas bewirken soll, dann muss sie im Zusammenhang mit der „Tat“ stehen und sie muss zu Einsicht führen. „Klassische Strafen“ (Fernsehenzug, Taschengeldkürzung, Ohrfeigen) führen zu keinerlei Einsicht. Zu dem Zeitpunkt, wo keine Strafe zu befürchten ist, wird der „Täter“ dasselbe wieder tun. Das ist übrigens der Grund, weshalb im Deutschen Jugendstrafrecht nun die sog. „Wiedergutmachung“ praktiziert wird: z.B. Sozialdienst sagen wir im Rehazentrum für Querschnittgelähmte führt bei jugendlichen Rasern zu Einsicht und langfristiger Veränderung im Verhalten. Gefängnis führt zu Wut und Trotz und „jetzt erst recht“-Reaktionen.

    @Rita: Die „Experten“, die vom Schlagen abraten, schlagen (sic!) bereits zahlreiche alternative Handlungsmodelle vor. Ich mag beispielsweise Juuls Büchlein „Grenzen, Nähe und Respekt“, es ist sehr praktisch orienteirt, sehr persönlich und vor allem sehr praktikabel 😉 Aber wir sprechen hier von echten Experten, nicht von selbsternannten Erziehungsberaterinnen in ihren Webblogs 😉
    Auf der Webseite „Mit Kindern Wachsen“ hat es auch einige gute Artikel und Nachdenkerli.

  • Rita Angelone
    29. Februar 2012 at 16:25

    @Bionic: im Haus (oh, wie ich es vermisse), da konnte ich einfach die Kellertüre aufmachen und Zeugs runterschmeissen: Zeitungen, Altpapier, Karton, PET-Flaschen…. alles, auch Spielsachen oder was auch immer mich zur Weissglut brachte. Pah, DAS sass amigs extrem! Aber jetzt haben wir keine Kellertüre mehr. Gut, ich könnte all das Zeugs ins Treppenhaus schmeissen. Würde wohl niemanden interessieren hier (wie ich das Haus vermisse).

    Zu den afrikanischen Naturvölker: separat auf Facebook habe ich mich mit Katharina darüber unterhalten, WIE es denn die Naturvölker so haben mit Strafen und Hauen. Und sie hat mir gesagt, dass sie eben nicht strafen und hauen. Dass sie die Kinder mitnehmen, mitlaufen lassen und diese dann durch Beobachten lernen. Ich meinte, dass wenn ich das machen würde mit meinen Buben, dann würden die davon laufen und gar nichts lernen dabei. AUSSER: Sie sähen auf der Strasse oder bei anderen, dass man ausgeschlossen oder gehauen würde, wenn man nicht folgt. Dann würde das schon funktionieren. Aber dann könnte man womöglich grad selber hauen…. Egal. Dieser Punkt, dass alle gleichziehen bei der Erziehung finde ich schon noch wichtig. Überall gäbs dann die gleiche Strafen (meist Haue) für die gleichen Vergehen (meist Ungehorsam). Und dann würden es alle kapieren, verinnerlichen und es wäre vielleicht gar nicht mehr so nötig alles. Und dies würde auch nicht ausschliessen, dass man die Kinder trotzdem extrem gern hat und ihnen Wärme und Liebe schenkt. Ich habe auch schon mal darüber geschrieben, dass es in Italien übrigens viel häufiger zu einem Chlapf auf den Hinterkopf kommt. Praktisch alle Eltern „hauen“ ihre Kinder so in Italien. Auch öffentlich. Wollen wir das mal so in der Schweiz probieren? Da kommen wir in den Knast. Es gibt einfach Unterschiede zwischen den Chläpfen. Es gibt die ganz kranken, böswilligen, perfiden und die anderen. Italienischen oder von mir aus afrikanischen.

  • Rita Angelone
    29. Februar 2012 at 16:30

    @Katharina: Wenn du sagst, dass z.B. Juuls Ratschläge praktikabel findest, dann schaue ich da gerne mal rein! Denn ich habe Mühe mit allen Ratschlägen, die so weise tönen und man sich schon wie ein Jesus in einem wallenden weissen Gewand daher schweben sieht. Und dann, dann merkt man: Ou, aber in diesem Fall siehts doch etwas anderes aus. Was mache ich jetzt? Sobald ich wieder in der Stadt bin, hole ich mir das Buch.

  • Bionic Hobbit
    29. Februar 2012 at 17:59

    @Rita: Dort, wo ich in Africa gewohnt habe, waren keine „Naturvölker“, sondern moderne Afrikaner… die haben ihre Kinder schon gehauen. So ein bisschen auf die italienische Art 🙂
    Ich habe nie eine altmodische Züchtigung mit Rohrstock oder Lineal gesehen, aber mal einen Gürtel… der war aber eher als Abschreckung, der Chefarzt meine, das reicht eigentlich schon. Einmal anwenden, dann nur noch drohen… Genau das, was hier nicht mehr so empfohlen wird. ..

    Ich habe beim Hauen übrigens ein ganz persönliches Problem. Vielleicht sind meine Hände zu zart, aber mir tut meine Hau-Hand (meistens Forehand, selten Backhand) immer so saumässig weh, wenn sie auf ein Kind getroffen hat. Manchmal platzen mir da kleine Äderchen. Da wünsche ich mir manchmal einen guten alten Kleiderbügel her, aber bis dieser Gedanke kommt, habe ich mich meistens schon wieder (schmerzbedingt) unter Kontrolle….

    Rita, lass uns wissen, was Juuls dazu meint. Kannstu bitte die praktischen Ratschläge rauskopieren?

  • Nicole
    29. Februar 2012 at 18:08

    @Kat: Dein Kurzer kann sich also drauf freuen, dass ihm das Taschengeld niemals gekürzt werden wird…. 😉 Ich sehe das schon auch so, dass die Strafen (habe gerade heute in „swissfamiliy“ gelesen, dass man das heute als „Konsequenzen“ bezeichnete…..) Sinn machen sollen, wenn das irgend möglich ist (z.B. nehme ich daher eben die Legos weg oder was anderes, worum gestritten wird), aber das geht halt nicht immer.

  • Katharina
    29. Februar 2012 at 23:06

    @Rita: Also „die Naturvölker“ gibt es im Fall nicht, gell. Ich meinte vor allem den Indianerstamm (wie hiessen die nur?) bei dem Jean Liedloff gelebt hatte.
    @Nicole: Morgen behaupte ich denk das Gegenteil mit eben so grosser Überzeugung 😉 Wenn’s denk nicht funktionieren sollte, werde auch ich über die Bücher gehen, dasch dänk scho klar. Schlussendlich geht’s hier nicht um’s Rechthaben sondern darum, wie wir unseren Kindern die nötigen Kompetenzen übermitteln, um in der Gesellschaft klar zu kommen.
    P.S. ich denke, wir machen das wie mit den Steuern: Kein Taschengeld, dann kann er sich auch über keine Kürzungen beschweren 😉

  • Katharina
    29. Februar 2012 at 23:08

    @Rita: Das von den Grenzen und „Mein kompetentes Kind“ auch grad noch oben drauf. Dort erklärt Juul die Grundlagen seiner Denke. Im Moment mein Lieblingsautor und wie gesagt: Direkt umsetzbar, ohne Sandalen und wallende Gewänder, Reformhaus und Birkenstöcke kannst Du auch weglassen.

  • Andrea Mordasini, Bern
    29. Februar 2012 at 23:23

    Hoi Katharina :)!

    Nur rasch: Jean Liedloff war bei den Yequana-Indianer (war mir nicht mehr sicher, Onkel Google half weiter ;)). Will mich ja nicht mit falschen Federn schmücken ;). Und danke, Du und Rita habt mein Posting richtig verstanden – genau so war es nämlich gemeint, vor allem in erster Linie selbstkritisch :)!

    Sonst habe ich nichts mehr anzufügen, ist ja (fast) alles schon gesagt :).

  • Nicole
    29. Februar 2012 at 23:50

    @Kat: Hihi, wenn man bei Juul auf Sandalen, wallende Gewänder, das Reformhaus und sogar Birkenstöcke verzichten kann, dann kann ich mir den auch mal genauer ansehen…. 😉
    Und übigens habe ich erst sehr spät erst Taschengeld erhalten und habe das meinen Eltern ewig vorgeworfen….. Das ist quasi Dauer-Folter…… 😉

  • Wozu erziehen wir überhaupt und wenn „ja“, wie? | Mama hat jetzt keine Zeit...
    4. Januar 2023 at 14:11

    […] Artikel „En Chlapf zur rächte Zyt: Strafen früher und heute“ (zu Deutsch: „Eine Ohrfeige zur rechten Zeit: Strafen früher und heute“) denkt […]

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