Seit Menschengedenken gibt es ums Kinderkriegen ein grosses Tabu: die Frage nach den Kuckuckskindern. Naturgemäss quält sie vor allem Männer, die ständig fürchten, ein anderer Vogel könnte seine Eier in ihr Nest legen. Das Thema scheint aber auch ganz besonders Frauen zu beschäftigen. Offenbar fühlen sie sich dazu berufen, die in der Schweiz existierenden 5% Kuckuckskinder zu entlarven.
Als Mutter zweier Buben, bei welchen die Gene die Regeln des Vererbungsgesetzes in höchstem Mass ausgereizt haben, werde ich oft mit diesem weiblichen Aufklärungsinstinkt konfrontiert. Von „Sie, sind das wirklich Brüder?“ bis hin zur direkteren Variante „Sie, wie ist es möglich, dass der Kleine nicht im geringsten seinem Vater gleicht?“ Jeder dieser Anspielungen liegt die Frage zugrunde: „Wer ist der Vater des Kleinen, der optisch so aus der Reihe tanzt?“ Dass der Kleine – rein optisch betrachtet – auch nicht mein Kind sein dürfte, wird ignoriert. Schliesslich ist das Entlarven eines Kuckuckskindes spannender als eine vertiefte Auseinandersetzung mit der Mendelschen Lehre.
Spannend auch der Umgang mit dieser über alles schwebenden Frage in Italien: „Sind es Zwillinge?“ Diese paradoxe Intervention, die ausschliesslich von Männern ausgesprochen wird, soll wohl eher das, was nicht sein darf möglichst gewitzt aus der Welt schaffen. Ob sie wohl aus eigener Erfahrung kein grosses Aufheben darum machen wollen?
Item. Bisher hat sich nur eine einzige junge Dame ohne Furcht und Tadel direkt in die Höhle des Löwen gewagt und frisch von der Leber gefragt: „Sie, sind die beiden vom selben Mann?“ Chapeau! Wer so direkt fragt, verdient eine absolut ehrliche Antwort: „Ja, beide sind von meinem Mann.“
Allen anderen sage ich: „Honi soit qui mal y pense – noch nie etwas von Generationensprüngen gehört? Und selbst wenns so wäre, glauben Sie wirklich, ich würde es ausgerechnet Ihnen anvertrauen?“
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