Ich weiss nicht, wie es Ihnen ergangen ist, aber als ich erfahren habe, dass Stanislas Wawrinka nach nur einem Jahr Eheglück und vor allem so kurz nach der Geburt seiner Tochter Ehefrau und Kind verlässt, um sich voll und ganz auf seine Karriere konzentrieren zu können, da war ich schockiert, enttäuscht und traurig zugleich.
Dabei hatte er nach der Geburt seiner Tochter noch verlauten lassen, dass er zwar wenig schlafe, aber dass er für die Glücksgefühle die wachen Nächte gern aushalte. Dass es ihm Spass mache, seine Tochter zu wickeln und seine Frau darin zu entlasten. Und dass seine Familie – auch kurz vor dem Davis Cup – die absolute Priorität geniesse.
Nachdem er aber vom Davis Cup zurückkehrte, verliess er die Familie dann doch, weil er festgestellt hatte, dass er sich verändert habe, andere Bedürfnisse und andere Verlangen verspüre. Tennis sei wieder seine erste Priorität geworden. Es blieben ihm nur noch fünf Jahre und dafür würde er „alles geben“. Mit „alles geben“ meinte er nicht Vollgas, sondern die Familie.
Wieviele Male haben auch andere Eltern das Gefühl, sich verändert zu haben, nicht nur ständig Familienmenschen sein zu wollen? Wie oft stellen auch andere Eltern fest, weitere Bedürfnisse zu haben als nur das Elternsein? Wie häufig haben auch andere Eltern prickelndere Verlangen als nur immer lustlos ins Bett zu fallen? Wie viele andere Eltern könnten ihren Beruf auch zur ersten Priorität werden lassen? Wie viele andere Eltern haben auch nur noch ein paar wenige Jahre, um sich zu verwirklichen?
Nicht nur für Stars und Sternchen ist es unmöglich, die Quadratur des Kreises zwischen Familienleben und Karriere zu schaffen. Drum: Hut ab vor all denen, die den (Familien-) Bettel nicht einfach so weg schmeissen wie Wawrinka, der – Ironie des Schicksals – jähzornig seinen Tennisschläger auf den Boden knallt, während er zwar seine erste Priorität ausüben kann, aber ausgerechnet vor einem Familienvater kapitulieren muss!
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