Mögen Sie sich an die beeindruckende Imagekampagne der Pro Infirmis erinnern, in welcher Menschen mit einem Handycap darauf hinweisen, dass sie trotz ihrer Behinderung selbstbewusst am Leben teilnehmen und dieses in vollen Zügen geniessen wollen? Dieser Anspruch ist absolut nachvollziehbar. Ganz anders als derjenige gewisser Eltern, die trotzig eine an ihre familiäre Situation adaptierte Version der Botschaft geltend machen: «Wir haben ein Kind. Na und? Wir lassen uns deswegen nicht behindern!»
So erteilen sie sich eine Lizenz zur uneingeschränkten Fortsetzung des überbordenden Lebens vor dem Kind und schleppen nicht nur dieses, sondern die übermüdeten Schatten ihrer selbst in Bars und Restaurants. Dort trinken oder essen sie bestenfalls zwar gemeinsam, aber doch verkrampft einhändig, da sie eine Hand dauernd dafür einsetzen müssen, das Kind im Wagen ruhig zu wippen. Im schlechteren Fall trinken oder essen sie abwechslungsweise, weil der eine oder die andere das durch das ewige Gewippe erzürnte und reizüberflutete Kind – wenn überhaupt – nur noch durch nervöses Herumtragen ruhig stellen kann.
Im Eilzugstempo exen sie schliesslich den Drink oder verschlingen das Essen und fliehen – immer noch betont cool – nach Hause, wo sie den angerichteten Schaden zurechtbiegen müssen. Später wird es heissen: «Hey, kein Problem, wir gehen mit unserem Kind überall hin!» Den gestressten Abend und die durchwachte Nacht werden verdrängt und mit keinem Wort mehr erwähnt.
Das Familienoberhaupt und ich sehen uns in unserer seit Anbeginn eingeschlagenen Strategie bestätigt: «Wir haben Kinder, jawoll, und können eben nicht mehr auf allen Hochzeiten tanzen!» Den Fünfer und das Weggli gibt es in einer Familie nicht mehr. Dies zu akzeptieren, fällt uns oft immer noch nicht leicht. Aber vor solch erbärmlichen Szenen lassen wir uns gern durch Kinder «behindern» und bleiben einmal mehr in unserer guten Stube sitzen, wissen dafür unsere Buben ruhig und zufrieden oben schlafend!
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