Familienleben Kolumne

Das Pinocchio-Syndrom

Über elterliche Notlügen

Lügen ist eine Untugend. Das wissen wir, und doch lügen wir immer wieder oder ziehen eine Notlüge immerhin für den Bruchteil einer Sekunde in Erwägung. Natürlich empfinden wir unsere Lügen nur als Notlügen, die nur notgedrungen in ganz speziellen Situationen ausgesprochen werden sollten. Ob die Flunkerei dadurch vertretbarer wird? Beurteilt selbst.

  • Bei der Anmeldung für die Skischule oder für den Kids Club am Meer mogeln wir unsere Kinder älter. Hauptsache, wir können sie abgeben und kinderlos die Pisten wie früher hinunter brettern oder mit einem Drink in der Hand in Ruhe auf der faulen Haut an der Sonne liegen.
  • Auf Ausflügen stehen unsere Kinder hingegen immer ganz knapp vor demjenigen Geburtstag, bei welchem die Zahlungspflicht für den Eintritt in den Zoo, ins Museum, ins Hallenbad oder für die Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln einsetzt. Dass die paar gesparten Batzen nur einen Tropfen auf dem heissen Stein darstellen, vermag das Gefühl des Triumphs in diesem Augenblick nicht zu trüben.
  • Sind die Kinder – Murphys Gesetz folgend – an einem Krippentag fiebrig, übertünchen wir dieses mit Paracetamol und übertölpeln ganz hinterlistig die Gruppenleiterin. Hauptsache, die Abgabe gelingt und wir können verschwinden. Ganz nach dem Motto: nach uns die Sintflut.
  • Erhalten wir dann doch einen Anruf der Krippe, weil sich das Fieber dummerweise nicht länger als 4 Stunden weglügen lässt, überhören wir das Telefon einfach. Weshalb haben wir schliesslich eine zweite oder gar dritte Notfallnummer angegeben? Sollen doch der Partner oder die Grosseltern das fiebrige Kind von der Krippe holen, und den Rest des Tages auch gleich hüten. Schliesslich könnte es wirklich sein, dass wir im Sitzungszimmer unerklärlicherweise keinen Empfang hatten.
  • Und weshalb sollte ein Kind wegen etwas brennenden Augen oder wegen einer paar Pickel rund um den Mund nicht zur Krippe gehen können? Hauptsache, wir wissen, was es ist und verabreichen ihm Antibiotika. Allen anderen müssen wir ja nicht unter die Nase reiben, dass eine Bindehautentzündung oder eine Hand-Fuss-Mund-Krankheit hochansteckend sind. Oder sollten wir das?
  • Das gleiche Prinzip gilt übrigens auch für Kopfläuse: WIR haben nichts gesehen. Sorry, tut uns wirklich leid.
  • Verpassen wir allerdings einen Termin, vergessen wir etwas oder wollen wir uns schlichtweg nicht mit jemandem treffen, schieben wir unsere ach so kranken Kinder vor. Die Genugtuung, den Druck losgeworden zu sein und gut dazustehen, ist grösser als die Angst, mit dieser Ausrede möglicherweise gleich den Teufel an die Wand gemalt zu haben.

Wir würden nicht so viel lügen (oder zumindest lügen wollen), wenn es nicht auch ein wenig gut täte. Lügen kann uns zu einer Verschnaufpause verhelfen, es kann helfen, unangenehme Situationen zu umgehen oder Ärger und Aufwand zu vermeiden. Lügen ist menschlich, oder nicht?

Habt ihr auch schon einer Notlüge bedient? Mit welchen Gefühlen? Mit welchen Folgen?

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11 Kommentare

  • SomeintPhia
    24. April 2012 at 06:29

    … hihi … eine Prise Notlüge hat noch niemandem geschadet, die Kombination „krankes Kind / unerwünschter Besuch“ kam bei uns auch schon zur Anwendung .. 😉

  • Nicole
    24. April 2012 at 07:36

    Ich müsste lügen, wenn ich sagen würde, dass mir das Thema ganz und total fremd sei….;-)
    Wir achten aber sehr drauf, die Kids nicht reinzuziehen. Ich möchte nicht, dass sie sich älter oder jünger ausgeben müssen als es stimmt. Ich hätte da viel zu sehr Angst, dass ich ihnen so eben unerwünschterweise beibringe, dass man mit Lügen weiter kommt. Da verzichte ich lieber auf ein paar Franken.

  • SomeintPhia
    24. April 2012 at 09:55

    … das ist löblich! Zudem kann es dann auch gut passieren, dass einem die Kinder entlarven und lauthals verkünden „ich bin doch gar nicht .. Jahre alt“ .. 😉

  • Bionic Hobbit
    24. April 2012 at 14:03

    Hast noch die Lüge mit dem Klo vergessen: mein Sohn (eigentlich ich) muss rasch auf’s Klo! Darf er (ich) das Personalklo benützen?

  • Bionic Hobbit
    24. April 2012 at 14:08

    Das mit dem Alter funktioniert vor allem unter 3: da wissen sie noch nicht genau, wie alt sie sind und man muss ihnen auch nicht erklären, dass man gelogen hat. Aber wie Rita schon antönt, man tut allerhöchstens sich selbst einen Gefallen, für die Kinder sind solche Aktivitäten meistens echt noch zu früh (Skifahren, schuldig).

    Für Sachen, die ich vergessen habe, habe ich die Kids noch nicht missbraucht…

  • Rita Angelone
    24. April 2012 at 14:31

    @Bionic: … die Klo-Lüge kannte ich bisher noch nicht 🙂

  • Rita Angelone
    24. April 2012 at 14:31

    @Bionic: Die Skifahr-Lüge habe ich übrigens von dir….! Das ist so.

  • Bionic Hobbit
    24. April 2012 at 16:54

    Also die Klo-Lüge habe ich selbst auch noch nicht angewandt, weil ich so eine tolle Blase habe 😉 . Ich war nur schon auf allerlei Personalklos mit Sohnemann, der immer bis zum letzten Drücker wartet. Ich weiss aber von anderen, dass sie ab und zu die Kinder vorschieben.

    Mir schon klar, dass du die Skischul-Lüge von mir hast. Dabei habe ich mich „nur im Geburstdatum vertippt“.

  • Nicole
    25. April 2012 at 09:27

    Die Klo-Lüge habe ich selber zwar noch nie gebraucht, aber das ist ein Thema, wo ich grad‘ wieder auf 180 bin….. Vor ein paar Monaten mal war ich mit den Kids im H&M in Bern, und da musste Nando dringend aufs WC (wirklich er! ;-)). Ich habe jemanden vom Personal gefragt, und da hiess es „Wir haben kein WC“. Ich habe daraufhin gefragt, was sie mache, wenn sie mal müsse…… Sie hat daraufhin geantwortet, dass sie eine Personaltoilette hätten, dass da aber strikt keine Kunden hin dürften….. Hey, Nando hat neben mir schon zu weinen begonnen, weil er so dringend gemusst hat….. Die Verkäuferin hat keine Miene verzogen…. Ich habe der verdutzten Verkäuferin dann die ganze Ware, die ich auf dem Arm hatte, mehr oder weniger entgegengeschleudert und bin so rasch es irgendwie geht (habe den Kiwa die Treppen hochgezogen, weil die Lifte ja in jedem H&M eine Dauerwartestation sind….) mit den Kids raus und in den nächsten Laden rein, wo man uns ganz freundlich zur Personaltoilette geführt hat….. Grrrrh, ich könnte k….. Ich finde, jeder Laden sollte verpfichtet sein, eine Toilette zur Verfügung zu stellen!

  • Bionic Hobbit
    26. April 2012 at 19:57

    @Nicole, das ist ja der Hammer. Vielleicht hätte Nando gerade an die Kasse pinkeln sollen. Oh, Tschuldigung, passiert halt wenn’s kein Klo hat.

  • Andrea Mordasini, Bern
    27. April 2012 at 20:53

    Liebe Nicole :)!

    Das ist wirklich unterste Schublade, was Dir und Deinem Sohn im H+M Bern widerfahren ist – so was von kunden- und kinderunfreundlich :(! Es ist nun mal eine Tatsache, dass Kleinkinder, wenn sie „müssen“, dringendst müssen und nicht mehr lange warten können. Bis jetzt hatten wir bei dringendem Harndrang der Kleinen immer Glück – es gibt tatsächlich noch kunden- und kinderfreundliche Geschäfte und Restaurants in der Stadt Bern: Charles Vögele oder Coop City zum Beispiel :). Ich stimme Dir zu, jedes Geschäft sollte Ihren Kunden ein WC zur Verfügung stellen, das ist wirklich nicht zuviel verlangt – aber eben… Vielleicht hätte es tatsächlich genützt, wenn Nando vor der Kasse und vor allen Leuten (Kunden wie Personal) in die Hosen gepinkelt hätte… ;). Die WC-Notlüge musste ich noch nie anwenden, entweder sinds wirklich die Kinder, die müssen oder dann eben ich – und dann stehe ich dazu :). Ist mir lieber als ein Kommentar der Kinder à la: „Stimmt gar nid, i muess ja gar nid bisle, Du muesch doch“ :-o…

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