«Vergebung ist der Schlüssel zum Handeln und zur Freiheit.» Dieses Zitat einer deutschamerikanischen Philosophin las ich just einen Tag vor dem sogenannten Versöhnungstag unserer Pfarrei, zu welchem unser Grosser zusammen mit mir eingeladen war.
Das Sakrament der Versöhnung kennet ihr – wie ich übrigens auch noch – wahrscheinlich unter dem Begriff «Beichte». Wenn ihr an «Beichte» denkt, kommt bei euch – wie bei mir auch – möglicherweise etwas verstörende Erinnerungen auf: Schuld und Sühne, dunkle Beichtstühle, grüne und rote Lämpchen, die anzeigten, ob jemand am Beichten war oder ob man selber an die Reihe kam, «alles» zu gestehen. Vielleicht erinnert ihr euch sogar an den Beichtspiegel für Kinder, diese ominöse Checkliste mit Fragen zu Bereichen, in denen man als Kind gesündigt haben könnte.
Doch das Sakrament der Versöhnung hat sich seit meiner Kindheit stark verändert. Heute stehen nicht die unter Furcht und Scham gebeichteten kindlichen «Schandtaten», sondern die Reflexion und der Prozess der Versöhnung im Vordergrund.
Unter diesem Aspekt bin ich letzten Samstag gemeinsam mit unserem Grossen den Versöhnungsweg gegangen und habe mich zusammen mit ihm vielen Fragen aus unserem täglichen Leben als Familie gestellt. Wir haben uns auch über Schule und Freizeit ausgetauscht und Gedanken zur Schöpfung und zu Gott gemacht. Wie verhalten wir uns in diesen verschiedenen Lebensbereichen? Welches sind unsere Stärken, welches unsere Schwächen? Wie wollen wir miteinander umgehen?
Der Versöhnungstag war für mich persönlich viel mehr als nur eine moderne Form der Beichte. Er stellte einen wertvollen, intimen Moment der Begegnung mit meinem Grossen dar und bot uns beiden die Gelegenheit für Gespräche, die wir in dieser Tiefe sonst kaum geführt hätten. Unserer Pfarrei möchte ich ein Kränzchen winden – ich habe mich mit der Beichte versöhnt.
immer mittwochs im Tagblatt der Stadt Zürich
Kennt ihr das Sakrament der Beichte? Wie steht ihr dazu?
1 Kommentar
Ruth Obrist
9. Februar 2018 at 12:06«Dunkle Beichtstühle, grüne und rote Lämpchen, die anzeigten, ob jemand am Beichten war, oder ob man selber an die Reihe kam, alles zu gestehen.» Sie haben so ganz genau diese Atmosphäre eingefangen, von der ich noch eine einzige Erinnerung habe: Was ich gestehen sollte, wusste ich nie so genau. Aber einmal, es war ungefähr 1953, hatte ich auf der Strasse meine Brille fallen lassen, und das Gestell brach dabei an einer Stelle. Ich hielt es nicht für eine Sünde, sondern für einen Fehler. Meine Mutter, sonst eine vernünftige Frau, sagte, wohl aus finanzieller Not heraus, es sei eine Sünde. Ich beichtete trotzdem nicht, weil mir das gegen jede Vernunft schien. Ich ging in den Sonntagsgottesdiensten zur Kommunion, bis irgendwann trotzdem eine Verunsicherung entstand: Und wenn es doch eine Sünde gewesen wäre und ich damit zur Kommunion gegangen war, dann wäre ich am Ende bei einer Todsünde angelangt? Ich bekam’s mit der Angst. Und so wagte ich mich damit endlich in den Beichtstuhl, um die Angst loszuwerden. Aber an diesem Samstag hörte nur gerade der eher gefürchtete und strenge Pfarrer die Beichte. Ich kniete also, nachdem das Lämpchen grün geworden war, trotzdem in den Beichtstuhl und schilderte ihm mein Dilemma, meine Angst, die mich entgegen meiner Vernunft und meinem Gewissen überfallen hatte. Der gestrenge Pfarrer sagte daraufhin: «Dein Urteil war richtig, das mit der Brille war eine Dummheit, aber keine Sünde, geh und bete ein Vater unser und Ave Maria.» Es gab also zu jeder Zeit auch richtige Seelsorger, welche die Nöte der Menschen verstanden.