Das Leben ist geprägt von einem ständigen Harren der Dinge, die noch kommen sollen.
Ist man klein, wartet man darauf, schnell gross zu werden. Geht man zur Schule plangt man darauf, diese rasch zu beenden, eine Ausbildung zu starten, um diese wiederum schnellstens abzuschliessen. Tritt man in die Berufswelt ein, erwartet man zügig befördert zu werden, um irgendwann ausgebrannt nur noch auf die Pensionierung zu warten. Ist es soweit, realisiert man, dass es nichts mehr gibt, worauf man noch warten könnte, ausser auf das Lebensende. So bedauert man, alles Erlebte nicht bewusster genossen zu haben.
Mit Kindern verhält es sich ähnlich: Sobald man ein Kind will, wartet man nur darauf, dass es einschlägt. Ist man schwanger, kann man es kaum erwarten, die ersten Ultraschallbilder zu sehen, die ersten Tritte zu spüren und schon bald darauf, endlich gebären zu können, weil man den Bauch dann doch nicht mehr erträgt. Ist das Kind geboren, zählt man fleissig die Lebenswochen und hofft, dass die ersten drei Monate mitsamt Koliken und Geschrei schnell vorbei gehen. Anschliessend wartet man ungeduldig auf die Breieinführung, den ersten Zahn und das erste Wort. Müde vom ständigen Herumtragen sehnt man sich nach dem ersten Schritt, um gleich darauf aufs baldige Velofahren zu hoffen, da dieses Schneckentempo unerträglich ist. Die Anhänglichkeits- und die Trotzphase übersteht man nur im Wissen, dass diese rasch vorbei gehen und von Selbständigkeit und Vernunft abgelöst werden. Ist es dann so weit, realisiert man wenig davon, weil die Kinder praktisch nicht mehr zu Hause sind. Kindergarten, Schule und Freizeitaktivitäten haben die Kinder fest im Griff und ehe man sich versieht, kommen sie nur noch nach Hause, um zu essen und die Kleider zu wechseln.
Nun realisiert man, dass es in Sachen Kinder nichts mehr gibt, worauf man warten könnte, ausser auf Enkel, um mit ihnen im Hier und Jetzt zu leben und jeden einzelnen Tag bewusst zu geniessen.
mittwochs immer im Tagblatt der Stadt Zürich
Kennen Sie dieses Gefühl des Wartens „auf bessere Zeiten“, dabei befände man sich längst in besseren Zeiten…?
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2 Kommentare
Kat
23. März 2011 at 09:19*seufz*
Wir sind leider für das ewige Hier und Jetzt auch nicht geschaffen, denn schon werden wir ungeduldig und der Toddler brüllt, weil er Action möchte und die vorhandenen Möglichkeiten zum Millionsten Mal ausgeschöpft sind.
Ich freue mich, wenn er dann im Sommer endlich in die KiTa darf (und heule schon jetzt, weil ich mich auch dann wieder von einem kleinen Stückchen Bébé verabschieden werde müssen).
Rita Angelone
23. März 2011 at 09:33Vielleicht sollten wir einmal über „Das ewige Hin und Her gerissen sein“ oder über „Die ewige Achterbahn der Gefühle“ schreiben…