Beziehung fördern durch gute Kommunikation
Was bedeutet beziehungsfördernde Kommunikation und wie kann sie zu mehr Gelassenheit in der Erziehung, mehr Verständnis für die Beziehung sowie mehr Energie und Freude im Familienalltag führen? Im Interview mit Redeweise-Kommunikationsexpertin Barbara Forster-Zanettin erfahren wir, wie wir beziehungsfördernde Kommunikation wie jede andere Sprache erlernen und trainieren können.
Liebe Barbara, wann und weshalb hast du dich persönlich mit dem Thema «Kommunikation» angefangen auseinanderzusetzen?
Ich habe mich bereits als Primarlehrerin sehr für das Thema «Kommunikation» interessiert, denn ich war mir schon damals bewusst, wie wichtig es ist, WIE wir etwas sagen – sei es bei den Schülerinnen und Schülern, ihren Eltern und auch innerhalb des Schulhausteams. Über die Jahre hatte ich mir ein solides Fundament an Kommunikationsfertigkeiten angeeignet und fühlte mich sicher auf diesem Gebiet. Doch dann wurde ich Mama von zwei Kindern – und mit ihnen bin auch ich nochmals ziemlich auf die Welt gekommen! Denn im Umgang mit den eigenen Kindern schien die Kommunikation nicht mehr gleich zu funktionieren wie im beruflichen Kontext. Und so machte ich mich auf die Suche, besuchte Elternkurse und las Erziehungsratgeber. Dort klang vieles so einfach, doch die Umsetzung in meinem turbulenten Familienalltag gelang mir oftmals nicht. Glücklicherweise bin ich schliesslich auf das Buch «Die Familienkonferenz» von Thomas Gordon gestossen. Das dort beschriebene Modell brachte für mich Klarheit in die verschiedenen Kommunikationsfertigkeiten und vor allem gelang es mir dadurch immer mehr, auch bei meinen Kindern die passenden Worte zu finden.
Was beinhaltet die «beziehungsfördernde Kommunikation», welche du vor fast zehn Jahren entwickelt hast?
Die beziehungsfördernde Kommunikation beinhaltet mehr als «nur» Kommunikationsfertigkeiten. Durch meine klare Struktur und die einprägsamen Bilder kann diese «Redeweise» ganz einfach auf jede Situation übertragen werden – sei es im Familienalltag, in der Partnerschaft, im Freundeskreis oder im beruflichen Umfeld. Zudem gehören nebst den verschiedenen Kommunikationsmethoden auch weitere Themen wie Wahrnehmungsschulung, (innere) Haltung und Sorgfalt der eigenen Befindlichkeit gegenüber zur beziehungsfördernden Kommunikation.
Die sechs Elemente der beziehungsfördernden Kommunikation lauten:
- Wertfrei wahrnehmen: sehen und hören, anstatt interpretieren und urteilen
- Wachsen und gedeihen: selber erblühen und sich am Gegenüber erfreuen
- Richtig zuhören: zuhören, um zu verstehen und nicht, um zu antworten
- Klar reden: von mir reden, anstatt über den Anderen
- Konflikte fair lösen: ich bin wichtig, du bist wichtig
- Werte vermitteln: der Zeit gelingt, was Druck nicht schafft
Weshalb ist es wichtig, insbesondere als Eltern «gut» kommunizieren zu können?
Die Art und Weise, wie wir Eltern mit unseren Kindern reden, wird einerseits zu ihrer «Muttersprache» und andererseits zu ihrer eigenen inneren Stimme. Diese kann wohlwollend, liebevoll, stärkend, unterstützend oder vertrauensvoll etc. sein – jedoch auch fordernd, belehrend, wütend, entmutigend oder erniedrigend. Die beziehungsfördernde Kommunikation ist für viele Eltern eine Art Fremdsprache, welche sie mit dem entsprechenden Hintergrundwissen und durch genügend Training erlernen können. Und wenn Eltern dann auf diese Weise zu reden beginnen, werden ihre Kinder automatisch diese Sprache übernehmen. Und so hoffe ich, dass unsere Kinder irgendwann einmal ihren eigenen Kindern diese Form der Kommunikation als Muttersprache weitergeben werden.
Weshalb ist es ausgerechnet innerhalb einer Familie oder zwischen einem Paar eine grosse Herausforderung, «gut» miteinander zu kommunizieren?
Dort, wo wir uns sicher und aufgehoben fühlen, können wir uns selbst sein… und zeigen dann halt auch die Seiten von uns, welche nicht so optimal sind. So ist es wenig verwunderlich, dass es unsere «Nächsten» sind, die unsere Schwächen am meisten mitbekommen und wir manchmal Dinge sagen, die wir eigentlich niemals sagen wollten. Das sind dann meistens Sätze, welche wir in unserer Kindheit oft gehört haben und somit Teil unserer «Muttersprache» sind. Sobald wir emotional werden – und das passiert im Umgang mit unseren Kindern bzw. Partner*in unweigerlich – sprechen wir automatisch wieder in dieser Muttersprache. Ein weiterer Punkt ist unsere eigene Befindlichkeit. Wenn wir müde, gestresst oder krank sind fällt es uns deutlich schwerer «gut» miteinander zu kommunizieren, als wenn wir ausgeruht, entspannt und zufrieden sind. Darum gilt es achtsam zu sein mit unseren persönlichen Ressourcen und es ist hilfreich immer wieder Inseln schaffen, auf denen wir uns erholen und auftanken können.
Welche Art von Kommunikation ist nicht beziehungsfördernd? Hast du uns ein Beispiel?
Wenn wir vorwurfsvolle Aussagen machen und Situationen vielleicht vorschnell be-/verurteilen, ist dies meistens nicht beziehungsfördernd. Unser Gegenüber fühlt sich nicht verstanden oder gar angegriffen und geht dann meistens in einen Gegenangriff über oder möchte sich rechtfertigen. Beispiele dafür wären: «Ihr seid viel zu laut!» oder «Du hilfst mir nie bei den Urlaubsvorbereitungen!»
Wie ginge es richtig? Mit welchen kleinen Veränderungen der Sprache kann man viel bewirken?
Hilfreicher ist es, wenn wir zunächst die Situation wertfrei wahrnehmen, ohne bereits eine möglicherweise schlechte Absicht hineinzuinterpretieren. Und dann sollten wir klar kommunizieren, d.h. von uns reden, anstatt über den Anderen. Eine Alternative zu «Ihr seid viel zu laut!» wäre zum Beispiel: «Ich brauche im Moment Ruhe.» Oder anstatt «Du hilfst mir nie bei den Urlaubsvorbereitungen!» könnte ich sagen: «Ich wäre sehr froh um deine Unterstützung bei den Urlaubsvorbereitungen.» Viele denken im ersten Moment, dass das keinen Unterschied macht… Doch: probiere es doch einfach mal aus und beobachte, was sich verändert.
Gehört auch das «korrekte» Zuhören zu einer «beziehungsfördernden Kommunikation»? Und wenn ja, wie hört man «korrekt» zu?
Genau, das richtige Zuhören ist ein ganz wichtiger Punkt in der beziehungsfördernden Kommunikation. Viele Eltern möchten ihr Kind stets glücklich und zufrieden sehen – und ertragen es nur schwer, wenn dieses auch mal traurig oder frustriert ist. So versuchen sie, die unangenehmen Gefühle ihres Kindes möglichst schnell aus dem Weg zu räumen, indem sie zum Beispiel Lösungen präsentieren oder Ratschläge erteilen. Beides ist jedoch nicht wirklich hilfreich. Wenn ich richtig zuhöre, versuche ich die Gefühlswelt meines Gegenübers zu erahnen und dieses zu spiegeln. Damit helfe ich dabei, die Emotionen erfahr- und durchlebbar zu machen.
Hast du uns ein Beispiel?
Ja. Das Kind kommt weinend nach Hause, weil es keine Geburtstagseinladung bekommen hat. Ich nehme es in den Arm und sage: «Oh, du bist total enttäuscht, dass er/sie dich nicht eingeladen hat. Du wärst so gern dabei gewesen…» oder «Macht es dich wütend, dass sie/er dich nicht zur Geburtstagsparty eingeladen hat?» Es ist gut möglich, dass dadurch erst recht die Tränen fliessen oder dass die Wut einen Höhepunkt erreicht – und das darf auch sein. Wie schön, wenn wir in diesen Momenten für unser Kind da sind und seine Gefühle annehmen, ohne ihm diese abzunehmen.
Ist es einfacher, mit jüngeren Kindern «korrekt» zu kommunizieren oder mit älteren? Wie sieht es zum Beispiel aus in Sachen «Kommunikation mit Teenagern»?
Kommunikation – und somit auch die beziehungsfördernde Kommunikation – ist allgemeingültig, d.h. sie ist in jedem Bereich des Lebens einsetzbar. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Eltern mit jüngeren Kindern diese neue Art der Kommunikation leichter bzw. verspielter in ihrem Alltag integrieren. Dies liegt vermutlich daran, dass sie weniger Hemmungen haben etwas Neues auszuprobieren und auch mal «Fehler» zu machen. Sind die Kinder älter und haben sich bereits bestimmte Muster eingeschliffen, braucht es etwas mehr Überwindung und Ausdauer neue Wege einzuschlagen. Doch gerade im Umgang mit Teenagern ist es wichtig, dass wir eine klare und zugewandte Kommunikation pflegen, dass wir für sie da sind, ohne sie zu bedrängen und dass wir Konflikte auf konstruktive Art lösen.
Denkst du, dass es heute allgemein schwieriger ist, eine beziehungsfördernde Kommunikation zu pflegen, weil sich die Art und Weise, wie wir – und insbesondere unsere Kinder – miteinander kommunizieren stark verändert hat? Wir drücken uns heute oft «verkürzt» und «abgehackt» aus, meist über WhatsApp und dann unter Einsatz von vielen Emojis…
Wenn wir bedenken, dass Worte nur einen kleinen Teil unserer Kommunikation ausmacht und der weitaus grössere Teil aus Körpersprache, Mimik und Tonfall besteht, wundert es nicht, weshalb diese Art des Kommunizierens einen Nährboden für Missverständnisse und Konflikte bietet. Erfolgreiche Kommunikation besteht aus zwei Faktoren: klares Senden und sorgfältiges Empfangen! Und beides ist in der technologisierten Kommunikation erschwert. Insofern empfehle ich gerade heikle Themen persönlich anzusprechen – und wenn das nicht möglich ist, wenigstens per Videocall oder Telefonanruf. Je mehr «Kanäle» sowohl fürs Senden als auch Empfangen zur Verfügung stehen, umso erfolgreicher wird ein klärendes Gespräch sein.
Du bietest Kurse und Seminare rund um das Thema Redeweise an. Was können wir uns darunter vorstellen? Wie sieht ein Kurs aus? An wen richtest du dich?
Meine Angebote richten sich an Mütter, Väter und Grosseltern, welche die beziehungsfördernde Kommunikation in ihrem Familienalltag integrieren möchten. Hier gibt verschiedene Möglichkeiten, wie tief und in welcher Form in die beziehungsfördernde Kommunikation eingetaucht werden möchte: Der Vortrag bietet einen ersten Einblick in drei Elemente der beziehungsfördernden Kommunikation und enthält konkreten Inputs, welche direkt zuhause ausprobiert werden können. Die Kurse sind intensiver und beinhalten alle sechs Elemente der beziehungsfördernden Kommunikation. Hier kann zwischen einem mehrteiligen Präsenzkurs, einem Onlinekurs mit individueller Begleitung und einem kompakten Tageskurs ausgewählt werden. Verschiedene Beratungsangebote (persönlich oder in Kleingruppen) sowie die Trauerbegleitung nach der Gefühle.Leben.Lernen.-Methode runden mein Angebot ab.
Liebe Barbara, vielen Dank für diesen spannenden Einblick in die beziehungsfördernde Kommunikation!
Nachfolgend findet ihr einen spannenden Podcast sowie weitere Beiträge zum Thema:
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