Familienleben Kolumne

Alle Jahre wieder?

Im gemischten Kindergarten sorgen die Grossen für die Kleinen.

Letztes Jahr um diese Zeit war ich nach vorgängigem wochenlangen Blues schliesslich sehr überrascht, wie gut der erste Chindsgitag des Grossen über die Bühne ging. Ich war stolz darüber, wie einfach er es mir gemacht hatte, diese neue Phase in unserem Familienleben so unbeschwert wie er anzugehen und mich ein weiteres Stück von ihm abzunabeln.

Dieses Jahr überkam mich beim Gedanke, dass nun der Kleine  den grossen Schritt in den Kindergarten tun müsste, nicht bereits Wochen zuvor dieses mulmige Gefühl im Magen. Auch hatte ich am Montagmorgen beim Betreten des Chindsgizimmers keinen Kloss im Hals.

Wovor sollte ich dieses Jahr auch Angst haben? Dass der Kleine noch zu  unselbständig sein könnte? Dass er von Trennungsangst übermannt würde? Wieso auch? Mehrmals hatte er mir in den letzten Monaten bewiesen, dass er sich in neuen Umgebungen rasch zurecht finden kann. Selbstbewusst tappste er in letzter Zeit bereits mehrmals  dem Grossen nach und beteiligte sich unbeschwert an Ferienaktivitäten für Kinder und drehte sich kaum mehr nach mir um.

Doch ich hatte die Rechnung mit meiner zweiten Nabelschnur nicht gemacht. Diese meldete sich jäh, als ich den Kleinen beim Znüni essen im Stuhlkreis beobachtete: Wie er stolz seinen Chindsgi-Rucksack öffnete, das Znüni-Böxli daraus klaubte, dieses noch etwas unbeholfen aufmachte und anschliessend genüsslich die Apfel- und Aprikosenschnitzli ass, die ich ihm heute morgen liebevoll klein geschnitten hatte, weil er grosse Stücke nicht mag.

In diesem Augenblick hätte ich nicht reden können, sondern gleich weinen müssen. Aus Freude, aus Stolz, aus Liebe, aber auch aus Wehmut und nicht zuletzt bereits wieder aus Angst vor der nächsten Abnabelung: nächsten Sommer steht nämlich bereits der Schuleintritt des Grossen an.

Hört das denn nie auf? Und wieviele Nabelschnüre hat eine Mutter eigentlich?

mittwochs immer im Tagblatt der Stadt Zürich

weitere Beiträge passend zum Thema

Dies koennte dir ebenfalls gefallen

12 Kommentare

  • Gaby
    22. August 2012 at 07:53

    Nabelschnur reisst NIE: als ich mit 18 Jahren mit einer Freundin in die Türkei gereist bin, war meine Mami eine Woche lang KRANK (Fieber, Durchfall, Erbrechen) vor lauter Sorge (war noch vor Handy-Zeit und ich treulose Tochter merkte erst nach 3 Tagen, dass ich mich doch mal daheim melden sollte 😉 ).

  • Lorelai
    22. August 2012 at 08:08

    Es hört wirklich nie auf. Erst wenn wir dement sind. Oder tot. Aber so muss es auch sein, gell? 😉

  • Himbeeri
    22. August 2012 at 08:08

    Es gibt wohl immer wieder solche Abschiede im Leben einer Mutter. Bei mir ist gerade anders als bei dir. Als vor 5 Jahren der Grosse in den Chindsgi ging, war es einfacher für mich. Jetzt wo beide im Schulsystem sind, habe ich schon ein wenig mit mir zu kämpfen.

  • Erika
    22. August 2012 at 08:38

    Wie soll ich das jetzt formulieren, dass da nicht als Rabenmutter rüberkommt…? Egal ob Spielgruppen-, Chindsgi- oder Schulstart – ich hatte nie „Trennungsängste“. Ich freute mich jedes mal für meine Kinder, dass für sie ein neuer Abschnitt beginnt. Es hat mir nie im Herz wehgetan, mein Kind „dort lassen zu müssen“, es war mir (bis jetzt) immer eine Freude, zuzuschauen, wie sie sich in der neuen Umgebung zurecht finden, neue Gspändli treffen und schöne Geschichten mit nach Hause bringen. Dass sie mal etwas für sich haben, wo nicht immer das Mami dabei ist.
    Positiver Nebeneffekt: es gab praktisch nie Tränen beim Abschied, wenn, dann waren da andere Faktoren, die da mitgespielt haben.

  • Nicole
    22. August 2012 at 09:21

    Ich bin sehr nahe am Wasser gebaut, und ich habe schon beim Lesen dieses Beitrags Tränen in den Augen. Bei mir geht es in diesen Momenten aber schon „nur“ um die Rührung, den Stolz und die unermessliche Liebe zu den Kindern. Mit der Abnabelung habe ich keine Mühe, da geht es mir wie Erika.
    Und einen Kloss habe ich halt immer wieder im Hals, wenn ich mir Sorgen mache – als Nando den Kiga-Weg das erste Mal alleine bewältigt hat, als er dann ein paar Tage später einfach bei einem wildfremden Mann in den Lastwagen eingestiegen ist und sich alles hat erklären lassen, als er kürzlich aus dem Hochbett gefallen ist (es gab eine Abschrankung, aber GG und ich haben nicht bemerkt, dass er unter dieser hindurch rutschen konnte; ich habe im Halbschlaf laut aufgeschrien noch bevor er am Boden auftraf- offenbar hat mein Mutterinstinkt erkannt, dass Gefahr da war; zum Glück wurde sein Sturz vom Schlafsack gedämmt und er hat sich überhaupt nichts getan). @Gaby: Da hätte ich auch Sorgen gehabt an der Stelle deiner Mutter, aber nicht 1 Woche, sondern nur bis zu deinem Anruf. Meine Mutter hat sich auch mal extreme Sorgen gemacht, als ich mit 26 (!) alleine mit meiner besten Freundin in den USA war und mich ein paar Tage nicht gemeldet habe…..
    Meine Schwester hat ihre Kinder früh bekommen und meinte mal, dass sie dann „dafür“ wieder früher fertig sei mit den Mutterverpflichtungen – und ich habe ihr schon in (weiser) Voraussicht gesagt, dass sie mit Kindern nie mehr frei und unbeschwert sei, wie ich es eben war, bis wir die Kinder hatten. Ich bin froh, die Kinder erst etwas später bekommen zu haben.

  • Rita Angelone
    22. August 2012 at 09:22

    @Gaby: ich denke auch, dass die Nabelschnüre nie reissen….. und jedes Kind hat seine eigene Nabelschnur, das es mit der Mutter verbindet! Ich hatte auch so ein Erlebnis als ich mit 18 einen Monat in Südfrankreich in einer Sprachschule war und meine Eltern in Italien in den Ferien. Ohne Handy. Telefonieren war auch nicht so einfach bei der Gastfamilie. Meine Mutter ist auch krank geworden vor Sorge und am Schluss erhielt ich ein Telegramm, ich solle mich sofort in Italien melden. Und dann wurde ich krank vor Angst, weil ich dachte, mit meinen Eltern sei etwas passiert….

  • Rita Angelone
    22. August 2012 at 09:23

    @Lorelai: … musst du heute so negativ sein? 🙂

  • Rita Angelone
    22. August 2012 at 09:24

    @Himbeeri: ich weiss, was du meinst. diese Gefühle habe ich auch, das ist wohl schone eine erste Sinnkrise…. ohje.

  • Rita Angelone
    22. August 2012 at 09:28

    @Erika: ich freue mich ja auch sehr für beide, dass sie so unbeschwert alle Schritte in Angriff nehmen. Ohne Tränen, ohne Angst. Es ist auch nicht wirklich eine TrennungsANGST, sondern vielmehr TrennungsSCHMERZ. Es tut mir einfach weh im Herz, aus Freude, aus Stolz, aus ich weiss nicht was. Weisst du, ich gehöre zu der Sorte, die auch im grössten Glück, oder gerade im grössten Glück, weinen muss und Herzschmerz hat. Ach, ich bin vielleicht zu südländisch, was das anbelangt. Aber im Grundsatz freue ich mich für die Kinder, dass es ihnen gut geht, dass sie sich in neuer Umgebung rasch zurecht finden.

  • Rita Angelone
    22. August 2012 at 09:32

    @Nicole: ja, genau, es geht um Rührung, Stolz und UNERMESSLICHE Liebe – ich glaube, du weisst, was ich meine. Oh, und der Kloss im Hals und nahe am Wasser – wir könnten wohl nie zusammen einen traurigen Film sehen ……

  • Erika
    22. August 2012 at 10:08

    @Rita
    ich weiss genau, was du meinst 🙂 dieses südländische Gen hab ich definitiv nicht, darum klingts vielleicht auch etwas kalt, denn diesen Trennungsschmerz kenne ich nicht bei mir.

  • Sportpapi
    22. August 2012 at 16:16

    Ach Erika, ich verstehe sie wirklich. Auch mein Ältester ist jetzt im Kindergarten. Wurde auch Zeit…

Hinterlasse eine Nachricht

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.