Familienleben Kolumne

Chläuse und Rabenmütter

Zu einem meiner enttäuschendsten und deshalb einschneidensten Kindheitserlebnissen gehört die Entlarvung des Samichlauses. Nie werde ich das Bild vergessen, wie sich der Samichlaus – nach erfolgter Predigt – bei uns in der Küche mit abgewandtem Rücken zum Kachelofen den Bart über das Kinn und den Mund zog, um noch rasch das von meinen Eltern offerierte Schnäpsli zu exen, bevor er in der nächsten Stube die nächsten Kinder für dumm verkaufen sollte.

Dieser Anblick brachte meine bis dahin noch heile Welt fundamental ins Wanken, und bis heute weiss ich nicht, was mich mehr kränkte: die Tatsache, dass ich realisieren musste, dass der Samichlaus doch nur ein Mensch war mit ganz primitiven Gelüsten oder die Tatsache, dass meine Eltern ganz offensichtlich jahrelang mit ihm gemeinsame Sache gemacht hatten.

Eine solche bittere Enttäuschung möchte ich meinen Buben ersparen. Doch es ist gar nicht so einfach. Kinder sind bekanntlich ja nicht dumm. Stellt sich bloss die Frage, weshalb mancher Samichlaus dies nicht wahrhaben will und ausgerechnet an vermeintlich auf Kinder spezialisierte Orte wie Spielwarenläden die schlimmsten Anfängerfehler in Sachen Schauspiel begeht.

So entdeckten wir letzten Samstag ein ganz penibles Samichlaus-Exemplar, bei welchem man vom Schiff aus gesehen hat, dass er nicht echt ist: ein billiger und zerknitterter Anzug, ein sichtbarer Gummizug um den weissen Bart, unter welchem der eigene, dunkle Dreitagebart zum Vorschein kam, Hochwasserhosen unter welchen – wir befanden uns ja schliesslich im Aargauischen – weisse Socken in Halbschuhen zu sehen waren.

Nichts wie weg hier! Natürlich wird die Wahrheit über den Samichlaus auch in unserer Familie eines Tages ans Licht kommen. Aber bitte nicht hier, nicht jetzt und schon gar nicht so!

mittwochs immer im Tagblatt der Stadt Zürich

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15 Kommentare

  • Susan
    7. Dezember 2011 at 05:57

    Guten Morgern Rita 🙂
    Ich habe den Chlaus , soweit ich mich erinnern kann , nie bei uns zuhause gesehen . Nur zb. im Kindergarten und dort haben wir den Schulhausabwart sofort an seinen Schuhen erkannt .. enttäuscht war ich nicht , mir war irgendwie schon davor klar , das es den Samichlaus nicht gibt . Meine Kids glauben schon lange nicht mehr an ihn , stehen aber sehr gerne bei einem Chlaus an , wenn er etwas feines verteilt *g

    Lg Susan

  • Cristina
    7. Dezember 2011 at 06:50

    @ Susan: wow du bist ja früh dran hier im Blog 😉 sind deine Kids so früh wach?

    genau kann ich mich auch nicht mehr erinnern wie das damals mit dem Samichlaus war….habe mich aber trotzdem immer gefreut, dass er kommt. Auch wenn ich wusste, dass es ihn nicht wirklich gibt. Die ganze Stimmung im Wald war einfach superschön. Ausserdem hat man ja noch immer was von ihm bekommen…ein netter, älterer Herr also. Meine Kids glauben jedenfalls noch fest daran, dass alles echt ist.

  • Cristina
    7. Dezember 2011 at 06:51

    @ Rita…die Uhrzeit scheint noch vom Sommer eingestellt zu sein…bei mir ist es 7:51 Uhr

  • Yvonne
    7. Dezember 2011 at 07:14

    Ich kann mich noch soweit erinnern, dass wir immer mit vielen anderen Familien vom gleichen Wohnblock im Wald Samichlaus gefeiert haben, war immer ganz toll mit so vielen Kindern – und plötzlich tauchte dann der Samichlaus auf – und ich hatte immer grosse Angst vor ihm (naja, wahrscheinlich gab es auch Gründe dafür ;o)…), stand jeweils mit hochrotem Kopf vor ihm und getraute mich nicht, ein Wort zu sagen – aber ab wann mir bewusst wurde, dass es ihn nicht wirklich gibt, weiss ich nicht mehr…

  • Eliane
    7. Dezember 2011 at 07:27

    Also ich mag mich auch noch an den enttäuschenden Moment mit dem Samichlaus erinnern. Habe als Kind im dicken Samichlaus-Buch ein Zettel mit der Schrift meiner Mutter gesehen und war auch meeegaaa enttäuscht…
    Liebi Grüessli Eliane

  • Steena
    7. Dezember 2011 at 07:29

    Ich habe mich irgendwann einmal gewundert, dass der Samichlaus von hinten so ähnlich aussah wie mein Onkel, habe das aber für mich behalten, weil ich gerne an ihn geglaubt habe:-) Mein jüngerer Bruder hat ihn dann später an der Uhr erkannt – und es natürlich nicht für sich behalten sondern lautstark kundgetan. Mein Sohn ist 7 und glaubt auch nur noch gerne an die Idee vom Samichlaus, ich glaub er hat schon längst gemerkt, dass da ein Mensch dahintersteckt, aber solange er etwas von ihm bekommt ist ihm das egal.

  • Katharina
    7. Dezember 2011 at 07:50

    Wie immer hat mich auch bei diesem Thema meine weltkluge grosse Schwester desillusioniert. Ich durfte ja nichts selber entdecken 😉
    Aber das Rabenmutterbuch muss ich trotzdem haben 🙂

  • Nicole
    7. Dezember 2011 at 08:18

    Ich kann mich nicht mehr erinnern, wie es war, als ich die Wahrheit hinter dem Samichlaus erkannte. Da ich kein so traumatisches Erlebnis hatte wie du offenbar, Rita, gehe ich davon aus, dass Mami uns mich da einfach rechtzeitig aufgeklärt und mit den Worten gemahnt hat, meiner kleinen Schwester gegenüber nichts zu sagen. Ich würde jetzt gerne mein Mami anrufen und sie fragen, wie es war, und einmal mehr wünschte ich mir nicht nur, dass es den Samichlaus wirklich gäbe, sodern auch, dass es eine Telefonleitung in den Himmel geben würde. Ich würde auch einen hohen Tarif in Kauf nehmen für die lange Leitung, die das sicher brauchen würde.
    Da es aus der Tierwelt bekannt ist, dass Rabenmütter sehr gute Mütter sind, bin ich sehr gerne eine Rabenmutter, und ich würde das Buch sehr gerne gewinnen.

  • Rösli
    7. Dezember 2011 at 08:40

    Guten Morgen Rita,
    ich habe soeben die kolumne im Tagi gelesen, wobei ich zuerst einen Leserkommentar dort gelesen habe, der etwas ähem .. ist.
    Wegen der chlaus Lüge,
    ich kann mich nich wie heute daran erinnern, als mir der Samichlaus Zuhause, als ich ungefähr 4 Jahre alt war, sagte, ich dürfe in der Nacht nicht mehr ins Bett meiner Eltern schlafen gehen, ich sei schon zu gross dafür.
    Das war schrecklich für mich, vorallem, dass er mir das sagte. Das hat mein Herz geschmerzt und ich werde das meiner tochter nicht antun.
    Wenns darum geht, dass sie nicht aufräumen, oder sonst so banales, dann finde ich es gut, es vom Chlaus zu hören, aber etwas , das ein kind zum überleben braucht, wei nach einem Albtraum ins bett der Eltern zu huschen, das finde ich nicht ideal , vom Chlaus zu hören, dass man das ab heute nicht mehr darf.
    Wir waren übrigens gestern beim GZ beim Chlaus, meine 2 3/4 junge Tochter wollte ihm hoi sagen, also sind wir zu ihm, ich musste sie tragen, dort gab sie die Hand, aber sie traute sich dann nicht mehr das vorbereitete Lied zu singen, also sang ich es schlussendlich;-)
    ich fühlte mich wie als Kind, beeindruckt von dem Samichlaus und schüchtern wie damals..

    Liebe Grüsse:-)

  • Rösli
    7. Dezember 2011 at 10:43

    Möchte nur kurz etwas positives erzählen von gestern;-)
    Da kam der bischoff Chlaus ins GZ mit dem Schmutzli . sie sassen und der Samichlaus erzählte, wer der Samichlaus war und dass er, der heutige Chlaus, der nachfolge sei, denn es müsse immer einen Samichlaus geben, der den Brauch weitergibt.
    Ist doch schön so;-)

  • Irene
    7. Dezember 2011 at 13:09

    ohhh das ist ja ein tolles Adventstörli heute bei dir :))) das würde mir Spass machen.

    Da wo ich aufgewachsen bin, kamen die älteren Schuljungs als Klaus verkleidet von Tür zu Tür, so waren immere mehrere am Samichlaustag unterwegs. Als wir das dann richtig herausgefunden hatten, übernahmen wir die Tradition auch. Jedoch besichten meine Schwester und ich nur jene Familien die uns anfragten und brachten der Älteren Dorfbevölkerung ein Minibänzli und ein Manderindli mit Kerzli mit. Das fanden die so toll, das wir ab dem zweiten Jahr bereits im November telefonische Bestellungen bekamen ;)) eine schöne Kindheisterinnerung also!

    Grüessli
    Irene

  • Aline
    7. Dezember 2011 at 13:17

    bin ich eine rabenmutter? nein eigentlich nicht, aber manchmal fühle ich mich dennoch wie eine. besonders dann, wenn ich von einem anstrengenden arbeitstag heimkomme und der grosse noch die grenzen testet und meine nerven aufs äusserste strapapziert. ja auch das gibt es und bei anderen sicherlich auch. und da ich mir im moment zum ziel gesetzt habe, mehr auf mich zu schauen und mir sorge zu tragen, wäre doch ein buch mit einer feinen tasse tee genau das richtige.

  • bszh
    7. Dezember 2011 at 17:48

    Ein Kollege von mir hat mir damals als Kind gesagt, dass er jeden Tag um den 6. Dez rum dem Samichlaus was vor die Türe stellt (Zeichnung, Brief, was gebastelt…). Er hat dann immer was kleines bekommen. Natürlich wollte ich das auch ausprobieren und hab auch gebastelt. Meine Mutter hatte wohl weniger Freude, denn sie musste mir dauernd was besorgen und vor die Türe stellen. Sie hat dann beschlossen nicht jeden Tag etwas vom Samichlaus für mich zu hinterlassen und hat mir einfach gesagt, dass er zT das Geschenk von mir einfach mitnimmt und nicht immer was bringt 😉

  • Irene
    21. Dezember 2011 at 09:24

    Heute bekam ich das BUch 🙂 Vielen herzlichen Dank auch für die tolle Widmung 🙂
    Grüessli
    Irene

  • Rita Angelone
    21. Dezember 2011 at 20:11

    @Irene: Gern geschehen!

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