Familienleben Kolumne

Das kontroverse Thema: Was jetzt – Sie oder doch Du?

Über die neue «Sie-Kultur», die Hortmitarbeitende ab diesem Schuljahr vielerorts in der Stadt einführen müssen, wird heftig diskutiert. Die Schule argumentiert, dass die neue (ist sie das wirklich?) Umgangsform eine Konsequenz daraus sei, dass Hort und Schule zusehends näher zusammenrückten. Einige Eltern und Kinder emp?nden aber, dass mit dem Wegfall des Du die persönliche Beziehung zu den Hortmitarbeitenden verloren geht.

Ich habe keine Mühe mit der Umstellung, da ich noch mit der Selbstverständlichkeit aufgewachsen bin, Lehrer, Nachbarn oder Eltern anderer Kinder zu siezen. Seit dem Kindergarteneintritt unserer Buben habe ich mich deshalb immer gefragt, wann sie denn lernen würden, Erwachsenen konsequent Sie zu sagen. Die sich bei Kindergarten- und Unterstufenkindern eingebürgerte Larifari-Mischform «Hoi, Frau Müller oder Du, Herr Meier» befremdet mich genauso wie der Fakt, dass die korrekte Anrede erst in der 3. Klasse ein Lernziel sei…

Mir ist es also recht, wenn jetzt alles (wieder wie früher) geregelt wird. Was mir aber alles andere als recht ist, ist diese Möchtegerncoole Gegenbewegung in Form eines überschwänglichen Geduzes, die sich rasant verbreitet. Auch in diesen neuen, hippen Coop-Filialen.

Altmodisch, bünzlig, verklemmt? Ich will einfach nicht von Hinz und Kunz geduzt werden. Es mag im angelsächsischen Raum funktionieren oder aber auch in Schweden, aber zu meiner Kultur, zur italienischen sowie zur deutschen Sprache, gehört nun mal die Unterscheidung von Du und Sie als Ausdruck von Anstand und Respekt. Nicht zuletzt vor dem Alter. Sollen wir in der Schule und im Hort auch wieder mehr Anstand und Respekt an den Tag legen, so wünsche ich mir dies auch sonst überall. Ja, auch im Coop.

immer mittwochs im Tagblatt der Stadt Zürich

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10 Kommentare

  • fränzi
    31. August 2016 at 07:16

    Mir als „junge“ Person (30 J) ist die neue Bewegung von Coop sympathisch. Aber auch sonst mag ich den umkomplizierten Du-Umgang… für mich zeigt dies Nähe und Offenheit wie auch eine Spur Interesse am Gegenüber, auch wenn das vielleicht komisch tönen mag. Aber kann sein, dass ich das ganze Thema anders sehen würde, wenn ich älter wäre und ich kann auch die ältere Generation verstehen, welche Mühe damit hat. Wie du selbst auch schreibst, steckt für sie hinter dem Sie Respekt und noch viel mehr, was dann eben verloren ginge. Meine Mutter z.B. hat auch seeeehr Mühe damit und begrüsst es nicht…

  • Rita Angelone
    31. August 2016 at 07:21

    Liebe Fränzi, danke für deine Zeilen. Mir ist klar, dass es auch eine andere Sicht der Dinge gibt und dass junge Leute dies auch ganz anders sehen können. Was halt derzeit speziell ist, sind diese entgegengesetzten Bewegungen. Da kommt man als ältere Person nicht mehr so gut zurecht damit und die Kinder haben auch Mühe zu verstehen, wann was angebracht ist. Aber ja, wir werden uns auch damit irgendwie arrangieren. Irgendwann 🙂

  • Jessika Becker
    31. August 2016 at 07:29

    Ich finde das siezen auch viel besser! Ich bin auch so aufgewachsen und tue mich schwer damit Erwachsene einfach zu duzen. Meinen Kindern habe ich auch beigebracht nicht jeden Erwachsenen mit „DU“ anzusprechen, ich finde das gehört sich einfach nicht.
    Ausnahme besteht eigentlich nur beim Sport (Verein, Klub…) da werden alle, ob groß und klein geduzt…

  • Rita Angelone
    31. August 2016 at 07:33

    Liebe Jessika, ich bin auch so aufgewachsen 🙂 Und ja, in Vereinen etc. empfinden wir das Du auch als angebracht. Man kennt sich, man „arbeitet“ zusammen, man will als Team etwas gemeinsam erreichen und dazu braucht es eine gewisse Nähe und ein Vertrauensverhältnis. Was ein DU im Coop beim Einkaufen genau bewirken soll (Nähe? Vertrauen? Teamgeist?) das verstehe ich nicht wirklich….

  • Katharina (Mama hat jetzt keine Zeit)
    31. August 2016 at 07:57

    Mit den Varianten „Sie Nachname“, „Sie Vornamen“ und „Du Vornamen“ hat man meiner Meinung nach einfach viel mehr Variationen, um Nähe/Distanz, Respekt, Hierarchie,…. also die Form der Beziehung auszudrücken. Das „schnelle Duzis“, beispielsweise im Arbeitsleben, hatte für mich schon immer etwas Anbiederndes. Denn der Chef bleibt der Chef und gibt Befehle, auch wenn er per „Du“ mit einem ist. Da wird dann eine Nähe vorgetäuscht, die so überhaupt nicht existiert.
    Und „du Arsch“ hat für mich überhaupt nichts mehr mit Nähe zu tun… 😉
    Für mich ist ein „Sie“ ein Zeichen für Respekt gegenüber der anderen Person und ich habe mich auch schon getraut, ein „Duzis“ abzulehnen, eben gerade aus dem Grund, weil ich eine respektvolle Beziehung aufrecht erhalten möchte. Und das geht mit dem „Du“ viel schlechter.

    Aber was ich eigentlich sagen wollte: Mit „Du“ und „Sie“ kann man die Finessen von Distanz, Nähe und Respekt auf einfache, elegante Weise ausdrücken. Dafür muss man diese Finessen aber auch erst mal lernen!

  • Rita Angelone
    31. August 2016 at 08:19

    Liebe Katharina, das könnten meine Zeilen sein (ich hatte in der Kolumne keine Chance, alle Facetten auszuleuchten…). Was mir grad so durch den Kopf geht zum Thema Finessen und verschiedene Stufen von Nähe und Distanz…. Heute geht irgendwie einfach alles schneller, wozu braucht es da noch kleine Schritte, um sich anzunähern, pf… zack, peng, wir sind duzis, wir kennen uns. Passt zum schnellen Arbeiten, zum allgemeinen Stress, zum schnellen Handy-Check, zum schnellen Sex, zum schnellen Essen… zum überhaupt alles was heute unterdessen auch „to go“ ist. Alle pressiert, auch das Duzis machen, oder? … … …

  • Vanessa
    31. August 2016 at 08:48

    Ich bin damit einverstanden, dass man mit „Du“ und „Sie“ Nähe oder Distanz ausdrücken kann. Ein Zeichen von Respekt ist es aber überhaupt nicht. Nur weil ich jemand Duze, bin ich doch nicht automatisch weniger respektvoll. Meine Eltern duze ich schon mein Leben lang und die respektiere mehr als alle Anderen. 😉 (Heisst jetzt übrigens nicht, dass ich alle Menschen Duze. Mir wurde ebenfalls beigebracht, alle zuerst einmal zu Siezen).
    Mit dem Siezen im Hort habe ich allgemein Mühe, da die dort arbeitenden Personen für mein Kleinkind eine sehr vertrauenswürdige Rolle einnehmen und ein 3-jähriges Kind versteht von Duzen und Siezen eh noch rein gar nichts.

  • Rita Angelone
    31. August 2016 at 08:57

    Liebe Vanessa, ich glaube, dass wir übereinstimmen in der Meinung, dass ein Sie oder ein Du nicht automatisch mehr oder weniger Respekt „herbeizaubert“. Aber genau deswegen frage ich mich, weshalb man an Orten, wo jetzt nicht unbedingt eine enge Beziehung aufgebaut werden muss, einfach das DU angedreht bekommt. Auch ein DU schafft eben nicht einfach Nähe. Aber ich glaube, wie gesagt, dass wir da beide vom gleichen reden.
    Die Sache mit dem Hort: ich kann mich mit dieser Regel abfinden, aber ja, wenn ich wählen könnte, würde ich auch sagen, im Hort könnten die Kinder die Betreuerinnen (wie bisher ja auch) weiterhin duzen. Was ich aber nicht ganz verstehe aus deiner Schilderung: geht dein Kleinkind in einen Hort oder in eine Krippe? Weil in der Krippe z.B. bleibt es bei uns beim Du. Das finde ich auch ganz gut so. Einfach beim Wechsel in den Kindergarten (in eine schulische Institution) kommt dann beim Hort das Sie zum Tragen. Ist es bei euch anders?

  • Hans Brätscher
    31. August 2016 at 09:48

    Liebe Frau Angelone

    Wieder einmal ein super Artikel! Ich schlage am Mittwoch immer auf Ihre Seite im „Tagblatt der Stadt Zürich“ auf. Sie sind eine der wenigen Journalisten, die stets interessante Themen mit einem Augenzwinker beschreiben können. Eine kleine Frage: Wollen Sie einmal ein Buch mit Ihren besten Texten, Kolumnen und Reportagen schreiben? Ich würde mich sehr darüber freuen!
    Liebe, liebe Grüsse H. Brätscher

  • Rita Angelone
    31. August 2016 at 17:19

    Lieber Herr Brätscher! Vielen herzlichen Dank für Ihre Zeilen, die mich sehr freuen! Oh, wenn Sie wüssten, wie oft ich schon über ein Buch nachgedacht habe – ganz so einfach ist es aber nicht, weil ein solches Projekt viele Ressourcen absorbiert. Aber im Kopf habe ich es – und irgendwann, ja irgendwann, wenn ich Zeit habe, werde ich es tun! Seien Sie herzlich gegrüsst und auf immer wieder über diesen Kanal! Rita Angelone

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